Nach der Entscheidung der Russischen Filmakademie, keinen Beitrag ins Rennen zu schicken, hat der Vorsitzende des russischen Oscar-Komitees und Regisseur Pawel Tschuchrai angekündigt, seinen Posten aufzugeben. Ihm zufolge sei die Entscheidung nicht mit dem Komitee besprochen worden, die Mitglieder seien diesbezüglich nicht einmal informiert worden. “Ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, dass ich als Zeichen des Protests von meinem Amt als Vorsitzender zurücktrete und aus dieser Organisation ausscheide”, schrieb Tschuchrai. Fast zeitglich verließen auch die Regisseure Andrei Swjaginzew und Nikolai Dostal das Komitee.
Wie diese Woche bekannt wurde, tritt auch Regisseur Alexei Utschitel aus dem Komitee aus. Er hatte zunächst ein Dringlichkeitstreffen mit dem Präsidium der Filmakademie gefordert, um die Situation zu klären. Vergangene Woche sagte er noch:
“Es ist mir noch nicht ganz klar, was hier vor sich geht. Eine Liste von Filmen, die für eine Nominierung in Frage kommen, wurde an alle Ausschussmitglieder verschickt, die Sitzungstermine wurden besprochen. Und plötzlich kam diese Nachricht. Ich halte das, gelinde gesagt, für unethisch”.
Anscheinend reagierte niemand. “Seltsam, dass das Präsidium der Filmakademie nie auf meine Aufforderung reagiert hat, alle an einen Tisch zu bringen und einen gemeinsamen Standpunkt auszuarbeiten. Oder zumindest ihre Entscheidung zu erklären. Deshalb bin auch ich gezwungen, mich aus dem Komitee zurückzuziehen”, sagte Utschitel am Donnerstag zur russischen Agentur TASS. Russland sollte auf jeden Fall einen Film nominieren, sagte er zum Portal Medusa:
“In der gegenwärtigen Lage müssen wir zeigen, dass es das russische Kino gibt, und wir müssen einen Film nominieren, wir müssen daran teilnehmen”.
Laut TASS hatte das Komitee zunächst eine lange Filmliste mit 122 Werken erstellt, die für die Trophäe in Frage kämen. Ende September wurde allerdings mitgeteilt, dass laut einer Entscheidung des Präsidiums der Russischen Filmakademie dieses Jahr kein Film eingereicht wird.
Nikita Michalkow, Regisseur und Vorsitzender des russischen Filmemacherverbandes, zeigte sich hingegen davon überzeugt, dass eine Nominierung aus Russland derzeit sinnlos sei. Die Verleihung finde in den USA statt, die “die Existenz Russlands leugnen”, erklärte er noch im August. Michalkow selbst erhielt im Jahr 1995 einen Oscar für seinen Film “Die Sonne, die uns täuscht”.
Insgesamt holte Russland drei Oscars in der Kategorie “Bester fremdsprachiger Film”.
Die 95. Oscar-Verleihung findet am 12. März 2023 statt.
Mehr zum Thema – Landwirte in dem russischen Gebiet Rostow lassen Kühe mit klassischer Musik beschallen