Von Dagmar Henn
In den letzten Tagen verstärkt sich die Debatte, Deutschland solle Leopard-2-Panzer an die Ukraine liefern. Das Thema taucht in allen möglichen Diskussionsrunden auf: beim Auftritt von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, und ebenso in dem Interview von Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem Deutschlandfunk. Die Mainstreammedien machen unverkennbar Druck in diese Richtung, und das Argument, das die Bundesregierung dagegen anführt, lautet:
“Nur zusammen mit unseren Partnern.”
Was die Vertreter der Bundesregierung, gleich ob Scholz oder Außenministerin Annalena Baerbock, nicht sagen, und was die Mainstream-Presse auch nicht abfragt, ist, warum es ihnen so wichtig ist, nicht alleine solche Panzer zu liefern. Sie erklären auch nicht, warum die russische Reaktion auf die Überlegung, moderne Kampfpanzer zu liefern, alles andere als freundlich ist. Der Grund ist technischer Natur, und seine Konsequenz ist eine direkte Kriegsbeteiligung.
Ein Leopard 2 hat eine Besatzung von vier Mann: Kommandant, Richtschütze, Ladeschütze, Fahrer. Keine dieser Aufgaben kann aus dem Stand heraus erfüllt werden; allein für die Mannschaft beträgt die Ausbildungszeit mindestens ein halbes Jahr. Für einen Kommandanten eines solchen Panzers ist sie noch länger. Das hat Konsequenzen. Denn die Ausbildung eines ukrainischen Leopard 2-Kommandeurs hätte bereits im vergangenen Jahr begonnen werden müssen.
Selbst das kann man nicht völlig ausschließen, aber es hätte sich vermutlich nicht geheim halten lassen, und wäre ein handfester Beleg für die Verantwortung der NATO für den Konflikt. Wenn das aber nicht der Fall ist, bliebe – damit diese Panzer innerhalb einer kürzeren Frist überhaupt eine Funktion erfüllen können – nur eine Möglichkeit: Mindestens der Kommandeur muss gestellt werden.
Es gibt bereits entsprechende Vermutungen bezüglich der HIMARS-Geschütze, die ebenfalls kompliziertere Geräte sind; es gibt die Beobachtung, dass bei der ukrainischen “Offensive” bei Isjum viele Polen und Briten beteiligt waren. Es gibt sogar eine Aufnahme aus Isjum, bei der mehrere englischsprachige Personen mit US-amerikanischem Akzent eine russische Fahne von einem Gebäude holen; und es gibt Aussagen, eine Reihe britischer und polnischer Söldner sei gefangen genommen worden. Ob diese Aussagen zutreffen, wird sich in den nächsten Wochen erweisen, denn sie dürften ebenso in der Donezker Volksrepublik vor Gericht landen wie ihre Kollegen.
Der überaus heikle Punkt dabei ist, ob es denn wirklich Söldner sind, oder aber Angehörige der regulären Armeen Polens und Großbritanniens, die “beurlaubt” wurden, um das Personal zur Bedienung von Panzern und Geschützen zu stellen.
Und genau das ist der politische Grund für die Prozesse gegen Söldner, die bisher in Donezk stattgefunden haben: Ihre Herkunftsländer könnten sie jederzeit retten, würden sie eingestehen, dass sie im Auftrag in der Ukraine waren. Das würde ihren rechtlichen Status von Söldnern, die nach den Genfer Konventionen nicht geschützt sind, auf Kombattanten ändern; aber gleichzeitig den entsendenden Staat zum Kriegsteilnehmer machen. Bisher war in keinem der Länder der öffentliche Druck, die Gefangenen zu retten, hoch genug, um diesen Schritt zu erzwingen.
Aber das ist eine Frage der Zahl. Wenn es nicht mehr um drei Angeklagte geht, sondern um ein Dutzend oder gar hundert, dürfte die Reaktion in ihren Heimatländern lauter werden. Das Spiel, die ukrainischen Streitkräfte in einer Art “geduldeter Illegalität” aufzustocken, ist unverkennbar zeitlich begrenzt.
Je komplexer das technische Gerät, um das es geht, desto unwahrscheinlicher ist es, dass irgendwelche ehemaligen Berufssoldaten halbwegs glaubwürdig den Söldner geben. Die bisher angeklagten Söldner waren keine Spezialisten, und dürften auch eher im Auftrag etwa des MI6 in der Ukraine tätig gewesen sein. Ließe es sich verbergen, sollte die Bundeswehr eine Handvoll Panzerkommandanten “beurlauben”? Wenn diese in ihrem “Urlaub” umkommen? In der Zeit der sozialen Netze ist das kaum anzunehmen.
Es geht also nicht nur um die Lieferung von Panzern. Es geht um eine unmittelbare Beteiligung mit Stellung von Personal. Und der Grund, warum die Bundesregierung an diesem Punkt zögert (abgesehen von der Verringerung des Marktwerts dieses Panzers, wenn erst einmal ein paar Bilder ausgebrannter Exemplare durchs Netz gehen) ist ihre Überzeugung: Wenn mehrere Länder gleichzeitig dieses Risiko eingehen, wäre es weniger wahrscheinlich, dass eine russische Reaktion in deutsche Richtung erfolgte.
Denn natürlich sind diese technischen Fragen dem russischen Militär bekannt. Diese Informationen sind nicht allzu schwer zu finden. Dementsprechend waren auch bereits die Reaktionen in der russischen Presse auf die polnischen und britischen Söldner.
Allerdings haben weder Polen noch Großbritannien das Problem, das Deutschland hat. Denn es gibt bekanntlich nach wie vor keinen deutsch-russischen Friedensvertrag. Das bedeutet, sobald die russische Seite eine Handlung als deutsche Kriegsbeteiligung wertet – das kann man nicht oft genug wiederholen – ist jede Art von Kriegshandlung gegen Deutschland legal. Weil der letzte Krieg sich nach wie vor in einem Zustand des Waffenstillstands befindet, der dann gebrochen wäre.
Die Schwelle zu einer militärischen Reaktion liegt also Deutschland gegenüber deutlich niedriger; und an dieser Tatsache würde auch eine entsprechende Lieferung von anderen Ländern nichts ändern. Es wäre ein ziemlich dummer Schritt, sich darauf zu verlassen, dass auch dann nichts passiert. Die bisherige russische Zurückhaltung beruhte vor allem auf der Notwendigkeit, die wichtigsten Partner von diesem Militäreinsatz zu überzeugen. Im Falle einer deutschen Beteiligung dürfte diese Zurückhaltung nicht erforderlich sein. Denn im Gegensatz zur deutschen Politik haben viele Länder den Zweiten Weltkrieg noch nicht vergessen.
Schon die Lieferung der Panzerhaubitze 2000 war ein Tanz auf einem schmalen Grat. Politik und Medien müssten die Debatte um die Lieferung von Leopard 2 offen führen, unter Benennung aller Konsequenzen. Statt auf der einen Seite ein irgendwie unerklärtes Zögern zu zeigen und auf der anderen stetig nach mehr Waffen für die Ukraine zu krähen. Ob Deutschland von Russland als Kriegsbeteiligter gesehen wird oder nicht, ist schließlich eine Frage, die alle Bewohner des Landes angeht. Aber es war ja bereits zu hören, welch große Achtung die Repräsentanten dieser Republik ihren Untertanen entgegenbringen; sie ganz nebenbei – ohne auch nur eine Wahrnehmung der möglichen Folgen zuzulassen oder gar in irgendeiner Weise den Willen der Bevölkerung wahrzunehmen – in einen Krieg zu stürzen, entspräche nur ihrem bisherigen Verhalten. Früher nannte man das mal “Management by Champignon”: Die Menschen im Dunkeln lassen, sie mit Mist bewerfen, und jeden Kopf, der herausgestreckt wird, abschneiden…
Mehr zum Thema – Haubitzenlehrlinge oder Deutschlands Weg zur Kriegspartei
Propagandartikel. Die Ausbildung dauert keine 6 Monate, wer hat denn den Schwachsinn erfunden. Richtschütze, Ladeschütze und Fahrer waren früher Wehpflichtige. Nach 3—monatiger Grundausbildung gab es eine 1—2ymonatige Spezialausbildung, wobei die Ukrainer eine panzerausbildung eventuell schon genossen haben und somit dann lediglich die Funktionsweise des Leo I oder II kennenlernen müssen. Das macht Deutschland auch nicht zu einer Kriegspartei in dem Sinne, dass Russland Deutschland angreifen dürfte; ansonsten gibt es ohnehin die Fresse dick, diesesmal ein für alle mal.
Auch die Aussagen von ausländischen Soldaten im Dienste der Ukrainer ist falsch, es sind keine Söldner. Es sind reguläre Soldaten der ukrainischen Armee und diese haben auch einen Kombattantenstatus.