Ein Kommentar von Rachel Marsden
Königin Elisabeth II. war mehr als nur die Königin von England und das Staatsoberhaupt meines eigenen Geburtslandes Kanada. Sie war eine wahre Staatsfrau und verkörperte Qualitäten, die mittlerweile in rascher Folge von der Weltbühne verschwinden – besonders im Westen.
Es überrascht kaum, dass laut einer 2021 veröffentlichten Umfrage des Angus Reid Institute 55 Prozent der Kanadier die britische Monarchie als Kanadas Staatsoberhaupt akzeptieren. Aber diese Zahl wird nach dem Tod von Königin Elizabeth wohl auf nur noch 34 Prozent sinken. Mit anderen Worten: Es ist nicht die Institution, die von den Kanadiern geschätzt wird, sondern die Regentin selbst. Und es lohnt sich zu fragen, warum das so ist.
Die Rolle der britischen Monarchie im Leben der Kanadier ist eine rein symbolische, da politisch der Premierminister als Regierungschef das Land führt. Aber es hat Vorteile, zusätzlich ein unpolitisches Staatsoberhaupt zu haben, insbesondere im Vergleich zur Alternative: ein Präsident mit Exekutivbefugnissen, der politisch parteiische Maßnahmen mit wenig oder gar keiner Abstimmung durchsetzen kann. Es muss argumentiert werden, dass das Präsidialsystem in Wirklichkeit nur die Monarchie repliziert, indem es den Monarchen durch einen Präsidenten ersetzt, der mit denselben Befugnissen ausgestattet ist. Hier in Frankreich ist es nicht ungewöhnlich, Klagen über den Mangel an wahren Staatsmännern wie Charles de Gaulle oder seinem britischen Zeitgenossen Winston Churchill zu hören. Dasselbe gilt für US-Präsidenten, die mehr Zeit damit verbringen, sich um die parteipolitischen Interessen ihrer eigenen Clans zu kümmern, als die Interessen des Landes und seiner Bürger insgesamt zu verteidigen und zu fördern.
Königin Elisabeth II. war eine der letzten verbliebenen Monarchen des Westens, die Pflicht und Ehre im Dienst ihres Landes und aller seiner Bürger über alles andere stellten. Die Queen widmete sich dieser Aufgabe stillschweigend, ihr ganzes Leben lang. Ihr Dienst während des Zweiten Weltkriegs als Lastwagenfahrerin und Mechanikerin im Rang eines Leutnants und ihr Privatunterricht in Verfassungsgeschichte durch den Prorektor des Eton College standen ganz in der königlichen Tradition ihrer Vorgängerin.
Königin Elisabeth I. lernte fließend sechs Fremdsprachen, zusammen mit Mathematik, Logik, Geschichte, Theologie, Rhetorik, Literatur und Philosophie und erwies sich später als eine der fähigsten militärischen Strategen, bei der Führung von Englands Streitmacht im Krieg gegen die spanische Armada. Elisabeth II. riskiert nun, als Endpunkt auf diesem langen Weg britischer Größe zu gelten, der von den Gekrönten vor ihr beschritten wurde.
Elisabeth II. hatte ein Gefühl für Pflicht und Konzentration auf das Wesentliche, und sie erlag nicht dem Druck, sich in die heißesten parteipolitischen Debatten des Tages einzumischen. Sie kannte ihre Prinzipien und wich nie von dieser Linie ab. Ihr Engagement für wohltätige Zwecke und ihr mangelndes Interesse an Eigenwerbung oder Selbstdarstellung standen in krassem Gegensatz zu einigen Auftritten “modernerer” politischer und königlicher Persönlichkeiten.
Man suche im Internet einfach nach “Queen” und “Selfie” und man wird viel wahrscheinlicher Aufnahmen finden, die auf Pride-Paraden oder LGBT-Parties entstanden sind. Die stille Würde von Elisabeth II. unterscheidet sich deutlich von dem Auftreten und Verhalten der in der Neuzeit geborenen britischen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, etwa der frisch ernannten Premierministerin Liz Truss oder der Ehefrau von Prinz Harry, Meghan Markle.
Truss hat bereits bewiesen, dass sie lieber mit Demagogie und dem Aussenden von Tugendsignalen an die aktuellen Themen herangeht – sei es die Ukraine oder die Hautfarbe und das Geschlecht der Mitglieder ihres Kabinetts – statt rational zu erklären, warum ihre Positionen zu den unterschiedlichen Themen für den durchschnittlichen Briten einen Vorteil bringen. Truss sieht sich gerne als die Wiederkunft von Margaret Thatcher. Aber im Gegensatz zu Truss war Premierministerin Thatcher eine echte Staatsfrau von Format. Demgegenüber ist Meghan Markle – wenn überhaupt – eine Anti-Elisabeth, die es anscheinend nicht lassen kann, ihre Heirat in die königliche Familie dafür zu nutzen, ihr eigenes Profil zu schärfen und sich Produktionsverträge im Millionen-Dollar-Bereich mit langweiligen Lifestyle-Inhalten zu sichern.
Elisabeth II. hat ihr ganzes Leben damit verbracht, anderen Menschen zu dienen. Demgegenüber gewinnt man heutzutage den Eindruck, dass westliche Staatslenker mehr daran interessiert sind, in erster Linie ihrer eigenen Karrieren und ihren eigenen Geldbeuteln zu dienen. Und dass der öffentliche Dienst für sie nur ein weiteres Mittel ist, um diesem Ziel mehr Gewicht zu verleihen.
Ein wiederkehrendes Thema in den späteren Jahren der Regentschaft von Elisabeth II. war ihre angebliche Erkenntnis, dass die Monarchie modernisiert werden müsse. Aber sie ging mit dieser Erkenntnis nicht dazu über, ihre Untertanen darüber zu belehren, wie die königliche Familie woke geworden ist und dass die Untertanen es ihr gleichtun sollten – im Gegensatz zu der messianischen Herangehensweise ihres Sohnes, jetzt König Charles III., insbesondere zu Themen wie dem Klimawandel. Stattdessen ging Elisabeth II. einfach mit gutem Beispiel voran.
Als Meghan Markle der königlichen Familie durch Heirat beitrat und kurz darauf forderte, zusammen mit ihrem Ehemann Prinz Harry nach Kalifornien umziehen zu dürfen und von ihren königlichen Pflichten befreit zu werden, gab es einen starken Druck der Medien auf die Königin, beiden die königlichen Titel zu entziehen. Aber vonseiten der Königin kam keine reflexartige Reaktion darauf – in jener Art, wie sie von den heutigen Social-Media-Horden verlangt wird. Stattdessen behandelte Elisabeth die Situation als die hoch qualifizierte Diplomatin, die sie war: Sie erlaubte Harry und Meghan, ihre Titel zu behalten, und gab ihnen einen Ausweg unter der Bedingung, dass sie auf ihre königlichen Ansprüche verzichten und ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen sollten.
Berichten zufolge war die Queen der Ansicht, dass ein solcher Präzedenzfall eines Tages dazu beitragen könnte, einen Weg für andere kleine Royals zu ebnen, die Karriere machen wollten. Sie entschärfte das Drama meisterhaft, indem sie über den emotional aufgeladenen Moment und den medialen Druck hinaus auf längerfristige Interessen blickte – eine Fähigkeit, die so vielen westlichen Staatenlenkern derzeit auf schmerzliche Weise fehlt.
Die Welt braucht dringend mehr Queen Elizabeths und weniger Meghan Markles oder Liz Truss. Der Tod Ihrer Majestät und ein Rückblick auf ihr Leben und ihre Regierungszeit unterstreicht nur, wie sehr es jetzt an westlicher Führungsqualität mangelt.
Übersetzt aus dem Englischen.
Rachel Marsden ist eine Kolumnistin, politische Strategin und Moderatorin eines unabhängig produzierten französischsprachigen Programms, das auf Sputnik France ausgestrahlt wird. Ihre Website finden man unter rachelmarsden.com
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