Von Gert Ewen Ungar
Am 16. Februar 2023 verstarb Alexei Nawalny plötzlich und unerwartet in Haft. Als Todesursache wurde eine Thrombose festgestellt. Ein Blutgerinnsel hatte sich gelöst, jede Hilfe kam zu spät. Die deutsche Politik und die mit ihr symbiotisch verschmolzenen Medien nehmen den Jahrestag seines Todes zum Anlass, um noch einmal ihre weitgehend frei erfundene Geschichte über den angeblich wichtigsten russischen Oppositionellen, seinen Einsatz für die Demokratie und seinen Kampf für die Freiheit zu erzählen. Sie nehmen den Jahrestag auch zum Anlass, um erneut zu behaupten, Nawalny sei im Auftrag Putins ermordet worden.
Dass sie das völlig unwidersprochen tun können, sagt viel über den Zustand der Pressefreiheit in Deutschland. In einem Land mit einer tatsächlich freien Presse wäre die Verklärung Nawalnys in der Form, wie sie in Deutschland stattfindet, nicht möglich.
Alexej Nawalny starb heute vor einem Jahr – weil er sich in Russland für Demokratie und Freiheit einsetzte. Putin bekämpft die Freiheit und ihre Verfechter brutal. Umso mutiger war Nawalnys Wirken. Sein Mut hat einen Unterschied gemacht und wirkt weit über seinen Tod hinaus. pic.twitter.com/XE7XlG69MB
— Bundeskanzler Olaf Scholz (@Bundeskanzler) February 16, 2025
Auch die Geschichte einer Vergiftung Nawalnys durch Putin lässt sich nur erzählen, wenn man sicher sein kann, dass jedes Korrektiv, jeder Hinweis auf die tatsächlichen Abläufe, auf die Brüche und Ungereimtheiten in der offiziellen Erzählung unterbleibt. Die Geschichte lässt sich so, wie sie in Deutschland erzählt wird, nur erzählen, wenn das Bemühen um Objektivität von der Mehrzahl der Medien völlig aufgegeben wurde. Es braucht dazu Zensur und Repression.
Zur Erinnerung in aller Kürze: Nachdem Nawalny, der mit schweren Vergiftungserscheinungen bewusstlos in ein Krankenhaus in Omsk eingeliefert und dort stabilisiert wurde, öffnete während der Corona-Pandemie Putin den Luftraum für den Transport Nawalnys von Sibirien nach Deutschland. Dort werden nach einiger Zeit im Bundeswehrkrankenhaus in Berlin bei Nawalny Proben entnommen und zur Untersuchung verschickt. Bei diesem höchst intransparenten Verfahren wird eine nicht gelistete Substanz nachgewiesen, Russland im Anschluss mit Anschuldigungen überzogen und gleichzeitig von jedem Zugang zu den Untersuchungsergebnissen ausgeschlossen. Ob das Nawalny verabreichte Gift im Becher, in der Wasserflasche oder in der Unterhose war, ist bis heute nicht geklärt. Für die Öffentlichkeit medial geklärt ist lediglich: Putin war’s.
In Deutschland kann sich die Politik darauf verlassen, dass die Medien des Mainstreams den Informationsraum so weit abriegeln, dass diese völlig absurde, in sich nicht stimmige, fragwürdige Geschichte allein durch die Wiederholung zur Wahrheit wird. Strenge Zensur tut ein Übriges. Journalismus findet in Deutschland nicht statt, das lässt sich an all der Mär rund um Nawalny zeigen. Dass Nawalnys Geschichte auf eine für Deutschland typische Weise propagandistisch ausgeschlachtet wird, sagt etwas über das im Land herrschende Ausmaß an mangelnder Pressefreiheit und den desolaten Zustand des öffentlichen Diskurses.
Nawalny war nicht der wichtigste russische Oppositionelle, wie das in Deutschland hartnäckig behauptet wird. Wofür er politisch stand, blieb immer unklar. Er war ein Fähnchen im Wind. Mal Rassist, mal rechts, mal Liberaler, wie es gerade passt. Nawalny hatte keine politische Identität. Er war vor allem eins: ein Instrument der westlichen Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands. Nawalny wurde vom Ausland finanziert und tat das, was seine Auftraggeber von ihm verlangten. An Demokratie hatte er lediglich ein rhetorisches Interesse – wie alle vom Westen geförderten “Demokraten”.
Während seines Aufenthalts in Deutschland drehte er unmittelbar nach seiner Genesung einen Film über einen geheimen Palast Putins am Schwarzen Meer, dessen Drehbuch offenbar in den USA verfasst wurde. Inhaltlich stimmt nichts, der Film ist voller Fehler, die gegenüber Putin erhobenen Anschuldigungen sind haltlos. Das auf die breite Streuung von Verschwörungserzählungen spezialisierte Portal Correctiv übersetzte den Film und tat das, wofür es Mittel aus dem öffentlichen Haushalt bekommt: Es verbreitete die Anschuldigungen Nawalnys ungeprüft weiter. Als das Lügengebäude durch die Recherche russischer Medien in sich zusammenbrach, ließen die wenig an Fakten interessierten Faktenchecker von Correctiv die Geschichte über Putins Palast im medialen Nirwana versinken. Sie hatte ihre Schuldigkeit getan. Sie liefert rückblickend ein Lehrstück darüber, wie man im medialen Verbund Propaganda betreibt.
Vor dem Hintergrund der realen deutschen Verhältnisse wirken daher die Worte von Scholz, Baerbock und Co., Nawalny hätte sich für Demokratie und Freiheit eingesetzt, die von Putin bekämpft wird, geradezu grotesk. Die politisch-mediale Verklärung Nawalnys zeigt im Gegenteil, dass es um die journalistische Freiheit in Deutschland deutlich schlechter bestellt ist als in Russland. In Russland würde ein derartig unstimmiger und inkonsistenter Unsinn, wie er in den deutschen Medien um Nawalny herum erdichtet wird, sofort zerpflückt und in der Luft zerrissen. In Deutschland dagegen wird das Abstruse durch Wiederholung zur Wahrheit verklärt.
Übrigens: Während seines Aufenthalts in Deutschland wurde Alexei Nawalny anscheinend mehrfach der Pfizer-Impfstoff verabreicht. Dass ein Zusammenhang zwischen der Impfung und der Thrombose als Todesursache bestehen könnte, wird in Deutschland selbstverständlich nicht diskutiert. Dadurch würden nämlich noch ganz andere journalistische Ungereimtheiten an die Oberfläche gespült.
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