Von Felicitas Rabe
Am Samstag fand in Wiesbaden eine bundesweite Friedensdemonstration gegen die Stationierung weiterer US-Mittelstreckenwaffen statt. Rund 4.000 Friedensaktivisten aus ganz Deutschland nahmen am Umzug durch die Wiesbadener Innenstadt teil. Dazu aufgerufen haben das Wiesbadener Bündnis gegen Raketenstationierung und die Friedens- und Zukunftswerkstatt e.V. in Kooperation mit der Friedensinitiative “Nie wieder Krieg”.
Die für das Jahr 2026 geplante Stationierung weiterer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland soll über den US-Militärstützpunkt Wiesbaden und eine US-Kommandozentrale im Stadtbezirk Mainz-Kastel gesteuert werden. In seiner Eröffnungsrede auf dem Wiesbadener Bahnhofsvorplatz erklärte einer der Mitbegründer des neuen Friedensbündnisses, Jan Menning, dass das überparteiliche Wiesbadener Friedensbündnis in Reaktion auf die Ankündigung der USA noch im Jahr 2024 ins Leben gerufen wurde.
Man wolle mit betroffenen Menschen aus der Region die Stationierung der neuen US-Raketen bekämpfen. Insbesondere müsse es eine gesellschaftliche Debatte über die geplante Stationierung geben. Viele Menschen wüssten weder, dass dies geplant sei, noch welche Konsequenzen es mit sich brächte.

Der Ortsvorsteher des Stadtbezirks Mainz-Kastel, Hartmut Bohrer, berichtete über die verheerende Zerstörung, die der Ort aufgrund seiner Militärinfrastruktur im Zweiten Weltkrieg erfahren hatte. Er wurde zur Zielscheibe der US-Amerikaner. Der damals letzte Bombenangriff verwandelte Mainz-Kastel in ein “einziges brennendes Inferno”. Die Menschen seien dabei in den Schutzräumen erstickt.
In Erinnerung daran, was uns droht, wenn in Deutschland stationierte Militärinfrastruktur im Falle eines Krieges angegriffen wird, zogen mehrere tausend Friedensaktivisten durch die Wiesbadener Innenstadt. Ein erheblicher Teil der Demonstranten kam von linken Organisationen und Parteien, die teilweise auch einen Zusammenhang zwischen dem kapitalistischen System und Krieg zum Thema machten.

US-Friedensaktivistin der “Veterans Against Genocide” entschuldigt sich für Kriege der USA
Die Abschlusskundgebung wurde von der Vorsitzenden der SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend), Andrea Horn, moderiert. Die US-Amerikanerin Ann Wright von den “Veterans Against Genocide” (Veteranen gegen Völkermord) übermittelte solidarische Grüße von der US-amerikanischen an die deutsche Friedensbewegung. Als ehemalige Soldatin entschuldigte sich Ann Wright für die vielen Kriege, die die USA in der Welt geführt haben und führen. Sie entschuldigte sich auch für die vielen von den USA geführten Militärstützpunkte in Deutschland, welche gegen den Willen der hier versammelten Friedensaktivisten betrieben würden.
Die Europa-Abgeordnete der Linken, Özlem Demirel, betonte, dass der Kampf für Frieden auch immer ein Kampf für eine starke Demokratie und für Völkerfreundschaft sei. Ihr zufolge sei es den herrschenden Eliten in Europa entgegen ihrer Lippenbekenntnisse noch nie um Demokratie gegangen.

Frieden wird nie unter Engeln geschlossen – Frieden ist immer ein Kompromiss
Ausdrücklich lobte der ehemalige UN-Diplomat Michael von der Schulenburg die verhältnismäßig hohe Beteiligung an den Protesten gegen die neuen US-Raketen. Bei der aktuellen Aufrüstung des westlichen Militärs handele es sich um eine weitere Provokation gegenüber Russland, so von der Schulenburg, der für das BSW im EU-Parlament sitzt. Für die Verteidigung brauche man keine um das Sechsfache erhöhten Budgets. Insofern könne es sich bei der aktuellen massiven Erhöhung der Rüstungsausgaben entgegen aller offiziellen Mitteilungen nur um die Planung eines Angriffskriegs gegen Russland handeln.
Im Ukraine-Krieg seien doch die Ukrainer, denen wir angeblich helfen wollten, die Betrogenen. Ihre Söhne würden sterben, ihr Blut werde vergossen. Und angesichts all dieses Sterbens in der Ukraine würden wir immer noch weiter Waffen dorthin schicken. In Bezug auf die Friedensverhandlungen wolle er etwas Positives zu Trump sagen, das man vielleicht nicht gern höre: Die Friedensverhandlungen würden äußerst professionell geführt. Es werde zwar kein gerechter Frieden sein, der am Ende dabei herauskommen könnte, aber die Gefahr eines Nuklearkriegs sei damit erst einmal gebannt.
In dieser Situation versuche die EU, die Friedensverhandlungen zwischen den USA und Russland zu boykottieren. Aber, so warnte von der Schulenburg, wenn die Europäer ihren Krieg bekommen, haben wir einen Dritten Weltkrieg. Frieden würde nie unter Engeln geschlossen. Es gebe genauso wenig einen gerechten Frieden, wie es auch keinen gerechten Krieg gebe. Für Frieden müssten wir immer Kompromisse schließen.

Auch Michael Müller, der Bundesvorstand der NaturFreunde Deutschlands, betonte die Gefährlichkeit der aktuellen geopolitischen Situation: Es handele sich um die gefährlichste Lage seit 1945. In dieser Situation dürften wir das Feld nicht den Kriegstreibern überlassen.
US-Raketenstationierung im Widerspruch zur hessischen Verfassung
Im Aufruf zur Demonstration heißt es: “Die geplante Stationierung steht damit nicht im Einklang mit dem Friedensgebot in Artikel 69 Hessische Verfassung. Mit Hyperschallraketen kann in ca. 10 Minuten Moskau getroffen werden. Umgekehrt können in derselben Zeit russische Raketen als Erst- oder Gegenschlag hier einschlagen. Wegen der hohen Geschwindigkeit der Raketen kann es leicht zu Fehlreaktionen kommen, denn bei einem Alarm bleibt keine Zeit für eine überlegte Entscheidung.
Die am 10.7.2024 verkündete Zustimmung der Bundesregierung zur Stationierung erfolgte ohne jede vorherige öffentliche und parlamentarische Diskussion. Abrüstungsverhandlungen und ggf. ein Stationierungsmoratorium sind nicht vorgesehen.
Wir fordern:
• Die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland zu unterbinden
• Das US-Raketenbefehlskommando in Mainz-Kastel abzuziehen und weder dort noch anderswo in Deutschland zu stationieren
• […]
• Kriege und Konflikte diplomatisch statt militärisch zu lösen
• Weltweit für eine sichere und friedliche Zukunft einzutreten, auch in Zusammenarbeit mit politischen Gegnern und Konkurrenten.”

Mehr zum Thema ‒ Volksdiplomatie in Kriegszeiten – Deutsche Druschba-Fahrer in Russland