Von Valentin Bogdanow
Appetit kommt beim Essen. Und so zergeht das auf den Geschmack gekommene Pentagon, das eine weitere Tranche witterte, aus lauter Vorfreude. Kaum hatte das Weiße Haus, das einen bevorstehenden Machtwechsel im Unterhaus des US-Kongresses befürchtet, im US-Senat weitere 37,7 Milliarden US-Dollar an Militärhilfe für Kiew angefragt, gingen beunruhigende Artikel durch die US-Medien. Deren Tenor war, Washington habe keine Waffen mehr für die Ukraine vorrätig. Als besonders knappe Posten wurden Artilleriegranaten im Kaliber 155 Millimeter, Lenkraketen für tragbare Luftabwehrsysteme vom Typ Stinger, Anti-Radar-Raketen vom Typ HARM und Raketengeschosse für HIMARS-Mehrfachwerfer genannt. Dieses Signal wurde empfangen und korrekt entziffert:
Weniger als zwei Wochen später meldeten die für die Waffenbeschaffung zuständigen Beamten dem US-Militär, sie hätten die Auftragsvergabe drastisch erhöht. Diese sei um bis zu 15 Prozent gestiegen. Einfach ausgedrückt: Die Ausgaben bereits auf dem Papier bereitgestellter Gelder haben sich beschleunigt. Und das nicht zu knapp: Erst im vergangenen Monat hatte das US-Verteidigungsministerium Verträge im Wert von 2,6 Milliarden US-Dollar unterzeichnet, wobei die fettesten Brocken wie immer an die üblichen Verdächtigen gingen. So ergatterte der Rüstungskonzern Lockheed Martin Verträge im Wert von 477 Millionen US-Dollar.
Somit sehen wir: Alles dreht sich wieder im gewohnten Kreis – und nur naive Konsumenten ukrainischer Propaganda können davon ausgehen, dass Meinungen, Wünsche oder Bedürfnisse von Selenskij und Co. in dieser Gleichung etwas bedeuten. Man sehe sich nur die Sache mit der FTX-Börse an, wo Spenden in Kryptowährung zur Unterstützung, wie es hieß, der ukrainischen bewaffneten Formierungen gesammelt wurden. “Gesammelt”, wie sich herausstellte, wurde nur virtuell auf eine Webseite begrenzt, die der Cache als Mahnung aufbewahrt. Tatsächlich ging das Geld an diejenigen zurück, die es für derlei “wohltätige Zwecke” gespendet hatten.
Der einzige Unterschied liegt also in den Volumen. Denn klar, die Ansprüche des militärisch-industriellen Komplexes der USA (und die Rüstungsindustrie ist eine der tragenden Säulen der US-Wirtschaft) drücken sich natürlich in weitaus respektableren Beträgen aus als die der Freunde von Sam Bankman-Fried von der Demokratischen Partei mit all ihren Wahlkampagnen.
Eskalationslogik des Westens bereichert Rüstungsmagnaten
Denn wie fing damals alles an? Aus den anfänglichen, noch vor der russischen Sonderoperation gelieferten Stingern und Javelins wurden Haubitzen vom Typ M777, aus diesen dann HIMARS-Mehrfachraketenwerfer und jetzt ist schon die Rede von Panzern und Drohnen in vollem Gange. Erst kürzlich hatte eine Gruppe von 16 Senatoren das Weiße Haus und das Pentagon aufgefordert, ihre vorige Entscheidung zu überdenken und MQ-1C-Drohnen an die Ukraine zu liefern. Diese UAVs sind mit AGM-114 Hellfire-Raketen ausgestattet und können mehr als 24 Stunden in der Luft bleiben.
Kurzum: Da ist innerhalb von zehn Monaten in der ukrainischen Steppe ein zweites Afghanistan entstanden, welches in den USA riesige Finanzströme für die Lieferung konventioneller Waffen induziert. Doch wer sagt, dass alle anderen, die daran ebenso interessiert sind, den tatsächlichen Verteidigungshaushalt lukrativ zu erschließen, sich zurücklehnen und zusehen, wie andere diesen deftigen Schmaus genießen? Ein Schmaus übrigens, der sich in den letzten Jahren stetig der Marke von einer Billion US-Dollar nähert.
Gier macht’s möglich: Von konventioneller Eskalation zum Atomwettrüsten
Der Diskurs einer nuklearen Konfrontation mit Moskau, der so aufdringlich in den westlichen Medienraum geworfen wird, hat ebenfalls seine eigenen Nutznießer gefunden. Falken aus den beiden großen US-Parteien (da ist sie – die Macht des antirussischen Konsenses, bei dem der Verteidigungshaushalt immer im Hintergrund zu denken ist) drängen nun aktiv auf die Bereitstellung von 45 Millionen US-Dollar für die Entwicklung eines seegestützten Marschflugkörpers mit Nuklearsprengkopf (SLCM-N). Die Idee kursiert schon seit dem Kalten Krieg. Dann, viel später, interessierte sich Trump für den Lenkflugkörper. Und jetzt ist offenbar seine Stunde des Ruhms gekommen.
Die Besonderheit dieser Waffe besteht darin, dass seine Flugbahn nur schwer vom Radar zu erfassen ist. Kritiker auch innerhalb der USA befürchten, dass jeder Start einer solchen Waffe potenziell das Risiko eines nuklearen Konflikts erhöht, da die SLCM-N nicht von bestehenden Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträgen abgedeckt ist. Außerdem ähnelt die Rakete Waffen im aktiven Bestand der US-Marine, den Marschflugkörpern vom Typ Tomahawk, was die Gefahr von Verwechslungen erhöht, die tödlich enden könnten. Indem sie dem Rest der Welt die russischen taktischen Waffen gleichsam als den Teufel an die Wand malen, tun die USA in der Tat ihr Bestes, um die Entwicklung solcher Waffen in Russland zu beschleunigen.
Zwar besteht wohl auch die Meinung, dass das Weiße Haus gegen das SLCM-N-Programm sei. Aber dies ist ein Sonderfall: Hier tritt jedwede persönliche Einstellung in den Hintergrund. Im Vordergrund steht die Logik der bereits durchgeführten Schritte.
Ein Wettrüsten ist leicht loszutreten. Es ist viel schwieriger, diejenigen aus dem Rennen zu führen, die bereits auf den Geschmack gekommen sind und ganz woanders hinsteuern, als zu Beginn vereinbart wurde. Die Ukraine ist hier erst der Anfang.
Übersetzt aus dem Russischen.
Valentin Bogdanow ist Leiter des Büros der russischen Mediaholding WGTRK in New York.
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