Von Wladimir Dobrynin
Nicht einmal fünf Jahre, nachdem die EU nach COVID-19 ein grandioses “Konjunkturprogramm” verabschiedet hatte, hat der Staatenverbund bereits ein weiteres, noch ehrgeizigeres Programm. Diesmal geht es um die Militarisierung Europas.
Frankreich und Großbritannien diskutieren leidenschaftlich, aber auch irgendwie verwirrt über die “Notwendigkeit und Möglichkeit”, ihre “Friedenstruppen” in der Ukraine zu stationieren (ich hoffe, niemand muss hier die Rechtmäßigkeit der Anführungszeichen erklären). Gleichzeitig reduzieren sie ständig die Größe der Truppen, die entsendet werden soll.
Die spanische Regierung überweist heimlich eine Milliarde Euro an Kiew, ohne dass das Parlament zustimmen muss, das aber wissen will, wofür die Milliarde ausgegeben wird (oder wurde).
Das Europäische Parlament hat dafür gestimmt, der Ukraine weitere 3,5 Milliarden Euro an Hilfe zukommen zu lassen – egal ob es sich um Kredite oder nicht rückzahlbare Zuschüsse handelt.
Die Europäische Kommission debattiert darüber, wie viel mehr sie der Ukraine in naher Zukunft zur Verfügung stellen soll – 40 oder 20 Milliarden Euro.
Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk hat eine obligatorische (!) Militärausbildung für Polen angekündigt.
“Die europäische Gemeinschaft ist in Gefahr”, heißt es in den EU-Medien, Aufrüstung ist nicht verhandelbar, die Schaffung einer einheitlichen europäischen Armee ist notwendig, weil die “Bedrohung aus dem Osten” unaufhaltsam ist. Krieg kostet Geld. Und zwar viel mehr als die 723,8 Milliarden Euro, die für den Wiederaufbau der EU-Wirtschaft nach der Pandemie bereitgestellt (oder besser gesagt: geliehen) wurden. Und die 800 Milliarden Euro, die heute für zusätzliche Militärausgaben gefordert werden, sind nur der Anfang.
Krieg ist ein teures Unterfangen (für die Mehrheit) und profitabel (für einige). Die Kontrolle über die Ausgaben der an den militärisch-industriellen Komplex überwiesenen Mittel ist minimal und stark eingeschränkt, während die Gewinne der waffenproduzierenden Unternehmen und – das ist die Hauptsache – die Schmiergelder an verschiedene EU-Finanzinstitute riesig und unbemerkt bleiben.
Suchen Sie im Internet mal nach Antworten auf die Frage, warum die Europäische Kommission (oder besser – speziell Ursula von der Leyen) Pfizer für den sogenannten COVID-19-Impfstoff zu viel bezahlt hat (und dabei geht es nicht um eine Million, sondern um Milliarden Euro). Die Frau Vorsitzende der EU-Kommission hatte als deutsche Verteidigungsministerin gearbeitet, bevor sie in dieses Amt aufstieg. Damals hatten auf ihre Anregung hin einige ausländische Beratungsfirmen ihre Dienste der Bundeswehr für 700 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Nach Ansicht deutscher Experten hätten inländische Berater die gleiche Arbeit für 165 Millionen Euro erledigt. Warum hatte man sich für Ausländer entschieden? Die Antwort von Ursula steht noch aus. Aber wie es scheint, ist gleich aus dem ersten Pfannkuchen etwas geworden, wonach Frau von der Leyen ihre Praxis auf die Pandemie ausgeweitet hat. Nun hat sie ihre EU-Kollegen und die hinter ihnen stehenden Persönlichkeiten von der Notwendigkeit überzeugt, einen weiteren Kredit für “universelle Verteidigung und Sicherheit” aufzunehmen. Die Rückzahlung wird auf die EU-Mitglieder verteilt. Offenbar über mehrere Generationen hinweg.
Wirtschaftswissenschaftler, die sich mit den Ergebnissen der COVID-19-Periode befassen, verweisen in erster Linie auf die beschleunigte Kapitalkonzentration, die zu dieser Zeit stattfand. Die Zwänge betrafen vor allem das Kleinkapital, die autonomen Produzenten, die Selbstständigen und bestimmte Wirtschaftszweige wie das Verkehrswesen oder den Tourismus, das heißt diejenigen, deren Eigentumsstruktur bis dahin zersplittert oder ganz individuell war. Dank des Zusammenbruchs zahlreicher solcher Unternehmen konnte das Großkapital diese zu einem reduzierten Preis aufkaufen und nach dem Ende der Pandemie die Gewinne maximieren.
Es hat keinen Sinn, darüber zu streiten, wie gefährlich die Krankheit oder wie wirksam der Impfstoff war. Es gibt ein Ergebnis – die Aushöhlung, den Zusammenbruch und den Bankrott der Mittelschicht. Die Situation hat sich zugunsten des Großkapitals entwickelt. Die westlichen Medien versuchen natürlich, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass dies alles ein Zufall war. Heute gibt es einen weiteren Zufall der gleichen Art.
Was erwartet Europa, das sich auf eine Verschuldung von fast einer Billion Euro eingelassen hat? Die EU-Wirtschaft leidet stark unter dem Mangel an russischen Rohstofflieferungen. Niemand wird es offen zugeben, weil es gegen die Politik der Europäischen Kommission verstößt, aber die Rentabilitätsprobleme bestimmter deutscher Industrien sind der Beweis dafür, dass die Sanktionen Europa wie ein Bumerang getroffen haben. In einer solchen Situation müssen Arbeitsplätze mithilfe von Krediten gerettet werden, aber niemand will sie für die Entwicklung ziviler Industrien wie den Wiederaufbau des angeschlagenen Verkehrs- und Tourismussektors zur Verfügung stellen, weil die Rendite zu niedrig ist. Bei der Elektronik ist die Situation noch schlimmer: Der Preiswettbewerb mit China könnte die Rentabilität der Branche auf null reduzieren.
Die beste Investition von Kreditgeld ist der Krieg. Er ist rentabler. Daran besteht kein Zweifel, denn er begleitet die Menschheit seit ihren Anfängen. Da die europäischen Ressourcen in der Ukraine bereits weitgehend erschöpft sind, müssen neue gefördert werden. Aber wo? In Russland natürlich. Oder besser gesagt – auf seinem Territorium, denn “fördern” wird nicht als “ein Joint Venture bilden” verstanden. Es bedeutet, “zu zerstückeln, ein Stück von dem zu nehmen, was man kann, und die überlebenden Russen zu zwingen, alles auszugraben und abzupumpen, was da ist”.
Dafür braucht man eine neue Armee, Aufrüstung und einen großen Kredit, erklären die EU-Politiker. Obwohl nicht ganz klar ist, ob sie die Lektionen der Geschichte überhaupt verstanden haben und nicht wissen, dass ein neuer Drang nach Osten in einem noch größeren Scheitern enden kann als der vorherige.
Der Clou ist jedoch, dass dieser neue “Drang nach Osten” vielleicht gar nicht stattfinden wird, aber mit seiner Vorbereitung viel Geld zu verdienen ist. Europäische Beamte erteilen die Aufträge und übernehmen auch die Verantwortung für die Kontrolle der Ausführung. Es gibt nur wenige Konkurrenten, und nur ein Minimum an Experten darf das Programm bewerten, und diese werden entsprechend verköstigt.
Betrug ist heute sogar noch leichter zu bewerkstelligen als zu Zeiten der Pandemie. Die Deutschen haben in dieser Hinsicht viel Erfahrung aus dem letzten Jahrhundert, als die Tycoons Thyssen und Krupp in Hitlers NSDAP investierten, die sie dann mit Aufträgen für die Rüstungsindustrie entlohnte. Obwohl das Dritte Reich den Krieg verlor, hat niemand die Kapitalisten später zur Rechenschaft gezogen.
Die derzeitigen europäischen Politiker-Mittelmänner-Parasiten erwarten, dass sie “alles” bekommen werden, was sie wollen. Und sie werden für nichts die Verantwortung tragen müssen, selbst wenn etwas (oder alles) schiefgeht. Auch wenn der Krieg, für den sie sich Geld leihen, nicht stattfindet, wird die EU-Elite ihr Geld bekommen, und danach kann selbst alles den Bach runtergehen, denn es werden die einfachen Bürger sein, die den Preis zahlen müssen.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 27. März 2025 zuerst auf der Website der Zeitung Wsgljad erschienen.
Wladimir Dobrynin ist ein russischer Journalist.
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