Von Gert Ewen Ungar
Die EU verliert an Einfluss. Der Abstieg ist selbst verschuldet. Falsche, die Nachfrage dämpfende Wirtschaftspolitik, politische Korruption und eine ausschließlich auf das transatlantische Bündnis ausgerichtete Außenpolitik gepaart mit Aggressionen gegenüber den einstmals wichtigen Partnern Russland und China sind als Ursachen für den Abstieg zu nennen.
Die EU gilt nichts in der Welt, aber auch ihre Mitgliedstaaten gelten immer weniger. Den Bedeutungsverlust Deutschlands hat zuletzt Außenminister Johann Wadephul bei seinem Antrittsbesuch zwar unfreiwillig, dafür aber sehr anschaulich vorgeführt. Sein Treffen mit seinem Amtskollegen Marco Rubio in Washington hinterließ den Eindruck eines kühlen Hauches von Nichts. Es gab nicht einmal eine gemeinsame Pressekonferenz.
Der aus deutscher Sicht wichtigste Verbündete ließ den deutschen Außenminister schlicht abblitzen. Ein Tweet von US-Außenminister Rubio zum Besuch seines deutschen Kollegen kann auch mit viel Wohlwollen nur unterkühlt genannt werden. In den US-Medien fand der Besuch ebenso wenig Beachtung wie in der US-Politik. Es gab kaum Interesse an Treffen mit dem deutschen Chefdiplomaten.
Wadephul versuchte mit viel Rhetorik über die Abfuhr hinwegtäuschen, allerdings stand ihm bei all seinen Beschwörungen der transatlantischen Freundschaft noch nicht einmal der Pförtner des Weißen Hauses als symbolische Dekoration zur Seite.
Germany’s new government recognizes the urgency of the world’s current challenges and is meeting it with action. Today, I welcomed Foreign Minister @JoWadephul to Washington. Germany is stepping up: boosting defense, containing destabilizing actions from Beijing, and supporting… pic.twitter.com/fmPdgZVzGD
— Secretary Marco Rubio (@SecRubio) May 28, 2025
Für das Land, das für sich einen Führungsanspruch in der EU reklamiert, interessiert man sich in der realen Welt der internationalen Diplomatie nicht die Bohne, ist die Nachricht, die Washington Berlin übermittelte.
Den Bedeutungsverlust versuchen sowohl die EU als auch Deutschland durch Militarisierung auszugleichen. Deutschland und die EU setzen auf Militarismus, um den Einflussverlust zu kompensieren. “Wenn sie uns schon nicht lieben, dann sollen sie uns wenigstens fürchten”, ist die Devise in Westeuropa.
Die zur Diplomatie in ähnlicher Weise wie Johann Wadephul befähigte EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas drängt auf Aufrüstung im Schwarzmeerraum. Neben der üblichen Floskel von der russischen Bedrohung stellt Kallas fest, dass die Region für die EU von strategischer Bedeutung ist. Das ist sicherlich richtig, allerdings ist die Art, wie die EU mit dieser für sie strategischen Bedeutung umgeht, eben typisch westlich, nämlich imperialistisch.
Trotz des Bedeutungsverlusts bleibt der Anspruch bestehen, die Bedingungen diktieren zu können. Das muss zur Konfrontation führen. Die Unterschiede werden schon daran deutlich, dass sich einige der Schwarzmeeranrainer im Gegensatz zur EU weder von Russland noch von China bedroht sehen.
Die Türkei ist im Gegenteil aktiver Vermittler im Ukraine-Konflikt, und Georgien sucht gerade die Aussöhnung mit Russland und baut gemeinsam mit China einen Tiefseehafen. Die EU hat im wirtschaftlichen und diplomatischen Wettbewerb verloren. Sie ist schlicht und ergreifend unattraktiv. Sie hat nichts zu bieten.
Dass Kallas wie auch von der Leyen selbst glauben, die Staaten der Welt suchen nach verlässlichen Partnern und die EU sei dieser Partner, ist an Selbstbetrug schwer zu toppen. Die EU verhängt Zwangsmaßnahmen gegen alle, die sich den Brüsseler Vorgaben nicht bedingungslos beugen, und verlangt Unterordnung bis zur Selbstaufgabe. Gelder werden willkürlich einbehalten, Verabredungen nicht eingehalten, alles mit dem Ziel, Regierungen zu disziplinieren und auf EU-Linie zu zwingen. Georgien und Serbien können davon ebenso ein Lied singen wie Ungarn und die Slowakei.
Diesen Mangel an Attraktivität gleicht natürlich auch Bewaffnung nicht aus – Diplomatie könnte helfen. Das Suchen nach Kompromissen. Allerdings müsste man dann auch Diplomaten in die entsprechenden Positionen befördern. Weder Kallas noch Wadephul sind mit ihren von Klischees und Ideologie durchtränkten Weltbildern zur Diplomatie fähig. Beide Figuren entsprechen selbst einem Klischee: dem des selbstherrlichen Herrenmenschen, der sich schon qua Herkunft für überlegen und zur Herrschaft auserkoren fühlt. Das ist nicht nur unattraktiv, das ist auch unsympathisch und gefährlich.
Gut ist, dass es unwahrscheinlich ist, dass das EU-Aufrüstungsprojekt erfolgreich sein wird. Das Projekt wird genauso schnell fallen gelassen wie der New Green Deal. Die EU verfolgt Ziele nicht konsequent. In diesem Fall ist das eine gute Nachricht.
Dass die Weltgemeinschaft aber erneut die Entstehung eines militarisierten Deutschlands hinnimmt, das sich nicht mehr an den 2+4-Vertrag gebunden fühlt und danach strebt, größte Militärmacht in Europa zu werden, ist schlich nicht vorstellbar. Auch wenn man in Deutschland nicht bereit ist, aus der eigenen Geschichte zu lernen, im Rest der Welt ist man es. Niemand auf dieser Welt hat ein Interesse an einem bis an die Zähne bewaffneten Deutschland und der Wiederholung der Ereignisse der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wadephul sollte sich daher daran gewöhnen, dass er als Repräsentant eines geschichtsvergessenen Deutschlands allein und isoliert in der Ecke steht, wie das in dieser Woche in Washington passiert ist.
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