Der Chilenische Wolfsbarsch, auch bekannt als Schwarzer Seehecht, ist einer der teuersten wild gefangenen Fische der Welt. Er wird für 32 US-Dollar pro Pfund bei dem US-Supermarkt Whole Foods verkauft, und als Filet auf den Speisekarten gehobener Restaurants in den USA serviert.
Jetzt droht ein Streit um diesen lukrativen Fisch aus einem weit entfernten Teil der Welt zwei langjährige Verbündete, die Regierungen der USA und Großbritanniens, zu entzweien. Die Fehde könnte zu einem Einfuhrverbot für Schwarzen Seehecht in die USA führen, da US-Beamte darauf bestehen, dass er in der Nähe der Antarktis illegal gefangen wird.
Nachdem Großbritannien in diesem Frühjahr stillschweigend Lizenzen für den Fang des Wolfsbarsches vor der Küste Südgeorgiens erteilte hatte – einer abgelegenen, unbewohnten, von Großbritannien beanspruchten Insel etwa 1.400 Kilometer östlich der Falklandinseln –, spitzte sich die diplomatische Fehde zu.
Jahrzehntelang war die Fischerei in der Nähe von Südgeorgien ein Aushängeschild für die internationale Fischereizusammenarbeit. Sie brachte Staaten wie Russland, China und die USA zusammen, um den kühlen, kristallblauen südlichen Ozean vor jener Art von fischereilichem Wildwuchs zu schützen, wie er vielerorts auf hoher See üblich ist.
Vor 40 Jahren hatten sich also die Regierungen zusammengetan, um die Meeresflora und -fauna in der Nähe des Südpols zu schützen. Nun jedoch wird zum ersten Mal die Hochseefischerei auf den spitzzahnigen Fisch in dieser Saison ohne Fangbeschränkung durch die 26-köpfige Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR) durchgeführt.
Damit wurde eine der am besten bewirtschafteten Fischereien der Welt in eine mehr oder minder wilde Zone in der Größe Frankreichs verwandelt – zumindest in den Augen der US-Behörden, die jetzt damit drohen, britische Importe aus diesem Gebiet zu verbieten.
Laut dem von Boris Johnson geführten britischen Kabinett ist aber wieder einmal Russland schuld. Denn Moskau hatte im vergangenen Jahr den von einer 26-köpfigen Kommission vorgeschlagenen Fangbeschränkungen für den chilenischen Wolfsbarsch in einem Schutzgebiet in der Nähe der Antarktis nicht zugestimmt.
Dabei hat es bereits viel früher Auseinandersetzungen um die Region und den Umgang mit der Fischerei dort gegeben. Bereits zum Jahr 2014 war ein Vorhaben zur Begrenzung der Fischerei wiederholt gescheitert, was nach Aussage von Beteiligten – die Verhandlungen fanden hinter verschlossenen Türen statt – nicht auf einen, sondern auf mehrere Staaten zurückging.
Mark Epstein, geschäftsführender Direktor der Umweltschutzorganisation Antarctic and Southern Ocean Coalition, sagte schon damals, dass auch geopolitische Fragen eine Rolle gespielt hätten. Mit einem bereits im Jahr 1959 geschlossenen Vertrag sollten geopolitische Konflikte um die Region verhindert werden. Doch Großbritannien hat, trotz der enormen Entfernung, seit langem versucht, dort territoriale Ansprüche geltend zu machen.
So hat die konservative britische Regierung unter Tony Blair im Jahr 2007 argentinischen Medienberichten zufolge verschiedene Maßnahmen ergriffen, um den britischen Anspruch zu untermauern. Die von den Briten eingeleiteten Schritte zielen insbesondere darauf ab, Ansprüche zur Ausbeutung von Öl-, Gas- und Mineralvorkommen bis zu 350 Seemeilen vor dem britischen Antarktisgebiet auszuweiten. Zwar ist der politische Status des Kontinents durch einen 1961 in Kraft getretenen Antarktis-Vertrag geregelt, der Bürgern aller Nationen freien Zugang zu friedlichen Zwecken gewährt. Großbritannien hält jedoch bis heute an einem im frühen 20. Jahrhundert beanspruchten Überseegebiet in der Antarktis fest, das international nicht anerkannt ist.
Zu dem aktuellen Streit zwischen London und Washington sagte Will McCallum, der Leiter des Bereichs Ozeane bei Greenpeace Großbritannien:
“In einer Welt, die von Konflikten heimgesucht wird, spielt Großbritannien ein riskantes Spiel.”
Und er fügte hinzu, dass die Geschichte des Schutzes der Antarktis eine Geschichte der friedlichen Zusammenarbeit zum Wohle der Menschheit sei. Einseitige Maßnahmen der Mitglieder, wie im Falle Großbritanniens, könnten nicht durch Russlands Entscheidung gerechtfertigt werden. Greenpeace vertraue nun darauf, dass die Länder, die den Seehecht bisher importiert haben, die Fangerträge einer jetzt unregulierten Fischerei nicht akzeptieren werden.
Auch nach Ansicht von US-Beamten verstößt das Vorgehen Großbritanniens gegen die Regeln der Kommission, sodass der Fisch nicht in das Land eingeführt werden darf. Zwar habe zuletzt Russland die Fangbeschränkungen für Seehecht abgelehnt und bei vielen internationalen Fischereipakten sei vorgesehen, dass alle Entscheidungen einstimmig getroffen werden müssen.
Kritiker betonen aber, dass die Reaktion Großbritanniens – die Erteilung von Lizenzen ohne eine von der CCAMLR erteilten Fanggenehmigung – nach den Regeln der Kommission rechtswidrig sei und den während des Kalten Krieges geschlossenen Antarktisvertrag schwäche, der den Kontinent als Schutzgebiet ausweist.
US-Beamte haben ihren britischen Kollegen auch privat mitgeteilt, dass sie wahrscheinlich die Einfuhr des in der Nähe von Südgeorgien gefangenen Fisches verbieten würden, wie aus der Korrespondenz zwischen US-Fischereimanagern und Mitgliedern des US-Kongresses hervorgeht, auf die sich Associated Press beruft.
Drei der vier Schiffe, die von Großbritannien die Genehmigung erhalten haben, ab dem 1. Mai in der Nähe von Südgeorgien zu fischen, gehören zu Argos Froyanes. Dabei handelt es sich um ein britisch-norwegisches Unternehmen, das Pionierarbeit bei der Entwicklung von Techniken geleistet hat, die das Seevogelsterben im Südatlantik drastisch reduziert haben.
Einer der Kunden von Argos Froyanes ist das in New York ansässige Unternehmen Mark Foods, der größte US-Lieferant von Wolfsbarsch, der vom Marine Stewardship Council ein Branchenzertifikat für Nachhaltigkeit erhalten hat. CEO Barry Markman lehnte eine Interviewanfrage von Associated Press (AP) ab, sagte aber, dass sein Unternehmen keine Produkte importieren werde, die von den US-Behörden als illegal eingestuft würden.
US-Beamte sehen das Vorgehen des Vereinigten Königreichs laut AP mit Argwohn. So habe Janet Coit, eine hochrangige US-Beamtin der National Oceanic and Atmospheric Administration, in einem Schreiben vom 25. April klargestellt, dass ohne genehmigte Schutzmaßnahmen jeglicher Fischfang in der Nähe von Südgeorgien von “fragwürdiger Legalität” wäre und “ernsthafte Auswirkungen” auf die Antarktis-Kommission hätte. Sie erklärte auch, dass jede Lieferung von Fisch, der in dem als Untergebiet 48.3 bekannten Gebiet geerntet wurde, wahrscheinlich von der Einfuhr in die USA ausgeschlossen würde – eine vorläufige Einschätzung, die sie mit der britischen Regierung und den US-Importeuren geteilt habe, um deren Entscheidungen zu unterstützen.
Mit der Auseinandersetzung besteht zudem die Gefahr, dass die Spannungen zwischen Großbritannien und Argentinien neu aufflammen, die nie ganz aus der Welt geschafft wurden, seitdem London im Jahr 1982 die Falkland-Iinseln militärisch an sich gerissen hat. Rückendeckung erhält Buenos Aires dabei aus Peking, wo Argentinien jüngst auch an einem Treffen der BRICS-Staaten teilnahm.
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