Die Ampelkoalition ist an der Unterstützung für die Ukraine zerbrochen. Nicht nur die Schuldenbremse war zwischen SPD und Grünen einerseits sowie der FDP andererseits ein Stein des Anstoßes. Der Streit entzündete sich, jedenfalls den öffentlichen Verlautbarungen beider Seiten zufolge, auch an der Frage, ob der Ukraine deutsche Taurus-Marschflugkörper zur Verfügung gestellt werden sollten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die über Monate geforderte Taurus-Lieferung wiederholt abgelehnt, zuletzt in seiner Regierungserklärung vom Mittwoch dieser Woche.
Seit dem geleakten Gespräch deutscher Luftwaffenoffiziere und -generäle von Anfang des Jahres ist bestätigt (RT DE berichtete), dass diese Waffen nur mit deutscher Mithilfe – durch Soldaten oder Techniker vor Ort sowie mit in Deutschland aufbereiteten Zieldaten – gegen Ziele in Russland eingesetzt werden können. Dessen ungeachtet plant die FDP offenbar, einen Antrag über die Lieferung des Taurus-Systems an die Ukraine im Bundestag einzubringen. Dies solle noch in der verbleibenden Zeit bis zum 23. Februar 2025 geschehen, meldet die Berliner Zeitung unter Berufung auf den FDP-Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr, der sich entsprechend gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung geäußert hatte. Dürr rechne sich Chancen auf Unterstützung von Union und Grünen aus.
Wagenknecht gegen FDP-Pläne
Der Vorsitzende der Unionsfraktion Friedrich Merz sprach sich wiederholt für die Lieferung der deutschen Marschflugkörper aus und will sogar, falls er im Frühjahr Kanzler werden sollte, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ein “Ultimatum” stellen, sollte Russland seine Militäroperation nicht innerhalb von 24 Stunden beenden. Gleichwohl möchte Merz die Taurus-Lieferung auf europäischer Ebene koordinieren. Auch Noch-Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) soll signalisiert haben, den FDP-Plänen möglicherweise zustimmen zu wollen. Damit scheint zumindest eine potenzielle Bruchlinie zwischen den Fraktionen von SPD und Grünen zu bestehen.
Widerstand gegen die FDP-Pläne kommt auch aus dem BSW und von Sahra Wagenknecht. Gegenüber der Berliner Zeitung sprach die Parteivorsitzende von einem Verzweiflungsakt der Liberalen: “Die Verzweiflung der FDP treibt sie in die maximale politische Verantwortungslosigkeit.” Der liberalen Partei sei offenbar “ein großer Krieg in Europa lieber als ein würdevoller Abschied aus dem Bundestag”, so Wagenknecht. Sie brachte das Vorhaben der FDP-Fraktion auf den Punkt, da es nichts weniger bedeuten würde
als “die Aufforderung an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, der Atommacht Russland praktisch den Krieg zu erklären”.
Wagenknecht verwies auf das Vorgehen von Scholz, der sich stets eng an die Vorgaben aus Washington gehalten hatte – und auf Taurus angewandt, bedeute dies: “Solange die Amerikaner die Reichweitenbeschränkung für ihre Raketen nicht aufgehoben haben, war er auch nicht bereit, Taurus zu liefern.” Diese Haltung sei zwar “keine Gewähr für die Zukunft”, doch habe sie “Deutschland immerhin bisher vor Krieg bewahrt”.
Taurus mit Eskalationspotenzial
Sollte die deutschen Marschflugkörper an die Ukraine geliefert werden, könnten aufgrund der Reichweite dieser Waffen von über 500 Kilometern nicht nur Ziele in der Ukraine, sondern weit in Russland beschossen werden – vorausgesetzt, die Ukraine verfügt über geeignete Kampfflugzeuge, von denen aus er gestartet werden muss. Nur nach westlicher Auffassung würde sich Berlin mit der Lieferung der Taurus-Systeme nicht zur Kriegspartei machen. In Moskau und weiten Teilen der nichtwestlichen Welt sieht man dies anders. Bei einer russischen Reaktion auf einen Taurus-Beschuss, die Moskau bereits angekündigt hat, dürfte die völkerrechtliche Bewertung der Frage seitens deutscher Stellen eher weltfremd-akademischen Charakter haben.
Die BSW-Chefin gab dazu folgende politische Bewertung ab:
“Kriegs-Hasardeure wie Dürr wollen für Deutschland jetzt eine Entscheidung erzwingen, die die größte Militärmacht der Welt bisher aus Sorge vor den unwägbaren Eskalationsgefahren vermeidet.”
Wagenknecht schloss mit folgender Warnung:
“Wer das Spiel der FDP mitspielt, wird den Krieg nach Deutschland holen. Das Gegenteil ist das Gebot der Stunde: Deeskalation, Waffenstillstand, Verhandlungen – das Ende eines Krieges, den wir uns auch ökonomisch und finanziell nicht länger leisten können.”
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