Von Olga Samofalowa
Falls Donald Trump darauf rechnete, dass China aus Angst vor hohen Zöllen und dem Verlust des US-amerikanischen Absatzmarktes schnell nachgeben würde, dann hat er auf das falsche Pferd gesetzt – denn China hat seine Rüstung verstärkt: China ist nicht wie der US-Vasall Japan oder die stark von den Vereinigten Staaten abhängigen Kanada und Mexiko, oder auch Westeuropa, das die Abhängigkeit von einem Partner gegen die Abhängigkeit von einem Manipulator eingetauscht hat.
Auch hat China, im Gegensatz zu Europa, viele Ressourcen und Geld. Und selbst eine schwächelnde chinesische Wirtschaft ist für die westlichen Länder ein Grund zum Neid, denn auch von einem ach so langsamen Wachstum wie momentan in China können sie nur träumen.
Während China im ersten Handelskrieg 2018/19 mit seinen Vergeltungsmaßnahmen sehr zurückhaltend war, geht Peking dieses Mal all-in. Endlich wurde China seiner Macht bewusst – vielleicht hat Russlands Beispiel hier eine bedeutende Rolle gespielt – und es begann, die verwundbarsten Stellen Nordamerikas anzugreifen.
Und einer der Schläge traf den größten Flugzeughersteller der Vereinigten Staaten – Boeing: China weigert sich, Flugzeuge sowie Komponenten und Ersatzteile dieses US-Konzerns zu kaufen.
Washington muss sehr verärgert sein, China beim Aufbau einer solche Macht dabei geholfen zu haben. Wie würde China heute aussehen, wenn es nicht über US-Technologie und Know-how verfügte und die US-Amerikaner bereit gewesen wären, ihre eigenen Arbeiter angemessen zu bezahlen, anstatt Produktion ins lohndumpende China auszulagern? Denn es waren die Vereinigten Staaten, die China aus rein wirtschaftlichen Gründen in eine Fabrik für ihren Eigenbedarf verwandelt und dabei den Moment verpasst haben, als das Küken selber flügge wurde. Und jetzt ist China bereit zu beweisen, dass es seinen Lehrer übertroffen hat.
Warum ist gerade Boeing eine so verwundbare Stelle der US-Wirtschaft? Weil das globale Duopol von Boeing und Airbus auf dem Weltmarkt im Begriff zu zerfallen ist – vor unseren Augen.
Diese beiden Giganten der Flugzeugindustrie agieren seit Jahrzehnten Seite an Seite und teilen den globalen Luftfahrtmarkt in zwei Hälften. Im Jahr 2023 änderte sich die Situation jedoch dramatisch: Die Verkäufe neuer Jets von Boeing sind im Vergleich zu Airbus stark zurückgegangen. Doch damals wurde die Lage noch nicht als Katastrophe betrachtet, man hegte Hoffnung auf Besserung. Im Jahr 2024 jedoch nahm die Situation katastrophale Ausmaße an: Während Boeing erst im Jahr 2023 “nur” 200 Flugzeuge weniger verkaufte als Airbus, betrug die Lücke im Jahr 2024 rekordverdächtige 418 Flugzeuge. Dies ist nichts Anderes als ein historisches Versagen der US-amerikanischen Luftfahrtindustrie.
Verlust von Kunden setzte für Boeing bereits in den Jahren 2018/19 ein, nachdem es zu zwei spektakulären Abstürzen der neuen Maschine 737 MAX gekommen war. Es gelang dem US-Konzern jedoch, diese tiefe Krise mit Ach und Krach zu überwinden. Doch als im Januar 2024 mitten im Flug die Verglasung eines Bullauges aus ihrem Stolz, einer Boeing 737 MAX, herausfiel, konnten die Fluggesellschaften es nicht mehr ertragen. Das Unternehmen wurde sofort von den Aufsichtsbehörden ins Visier genommen, die mit Inspektionen der Produktionsanlagen begannen. Im Herbst streikten die Arbeiter zudem fast zwei Monate lang, sodass der Betrieb zweier große Fabriken lahmgelegt war.
Chinas Weigerung – und China ist heute und für absehbare Zukunft der weltweit größte Abnehmer von Luftfahrtausrüstung –, Flugzeuge, Komponenten und Teile dafür aus US-Fertigung zu kaufen, ist sowohl in Image- als auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein schwerer Schlag für die Vereinigten Staaten. Den Medien wissen von mindestens zehn Flugzeugen des Typs 737 MAX, die bald hätten in die chinesischen Flotten aufgenommen werden sollen. Ein solches Flugzeug aber kostet auf dem Markt mehr als 100 Millionen US-Dollar, was bedeutet, dass Boeing von einem Moment auf den anderen einen Auftrag im Wert von mehr als einer Milliarde US-Dollar verlor – wohlgemerkt, mindestens: Denn dabei sind die potenziellen jährlichen Aufträge Chinas wesentlich größer, und der Schaden für die USA könnte sich auf mehrere Dutzend Milliarden Dollar belaufen. Es gibt weltweit keinen anderen großen Käufer von großen Passagierflugzeugen wie China, und ohne China sind Boeings Chancen, Airbus einzuholen, gering.
Natürlich wird diese Entscheidung auch für China selbst nicht spurlos bleiben. Allerdings wird das Land der Mitte nicht ohne Luftfahrt dastehen:
Erstens haben wir das Beispiel Russlands, wo weitergeflogen wird, als wäre nichts geschehen, während sein Markt nicht nur Boeing-, sondern auch Airbus-Flugzeuge verloren hat. Und China hat Boeings europäischem Konkurrenten nicht den Rücken gekehrt und wird auch weiterhin Flugzeuge bei den Europäern bestellen. Darüber hinaus wird Peking daran interessiert sein, die Produktion von Airbus-Flugzeugen in seinem eigenen Staatsgebiet auszubauen.
Zweitens können wir, wiederum am Beispiel Russlands, sehen, wie ein Land ohne westliche Flugzeughersteller nicht nur beginnt, eigene Flugzeuge zu bauen (damit hat Russland schon lange vor 2022 begonnen), sondern auch etwas tut, was im Bereich des Flugzeugbaus längst unmöglich schien – nämlich moderne große Passagierflugzeuge komplett inländisch, ohne importierte Ausrüstung und Triebwerke, zu bauen. Dies ist eine einzigartige Situation, da sich der westliche Flugzeugbau in der neuesten Zeit – wohl mindestens 30 Jahre – bisher ausschließlich durch die Zusammenarbeit vieler Länder und Hersteller entwickelt hat. Weder die Amerikaner noch die Europäer haben geschafft, was Russland sich vorgenommen hat. Die Frage der nationalen Sicherheit hat den russischen Flugzeugbau gezwungen, diese neue Höhe zu erklimmen.
China hat ebenfalls Ambitionen, eine Großmacht im zivilen Flugzeugbau zu werden und sich mit Flugzeugen eigener Fertigung zu versorgen. Und das durch den weggefallenen Kauf von Boeing-Flugzeugen frei gewordene Geld kann nun in die Entwicklung des nationalen Flugzeugbaus fließen.
Insbesondere verfügt China über ein eigenes Schmalrumpfflugzeug, die Comac C919. Allerdings gibt es hier ein Problem: Die Abhängigkeit von Komponentenlieferanten aus den USA und Europa beträgt mindestens 40 Prozent, wenn nicht sogar mehr. Und es ist unwahrscheinlich, dass die USA unter den heute herrschenden Bedingungen die Produktion chinesischer Flugzeuge mit US-Bauteilen und -Komponenten einfach zulassen werden.
Dabei beginnt China seinen Weg zur Luftfahrtmacht aus einer deutlich schlechteren Position als Russland: Noch Russlands Vorgängerstaat, die Sowjetunion, hatte eine der größten zivilen Luftfahrtindustrien – und Russland behielt trotz dem Zusammenfall in den 90er Jahren seine Kompetenz in dieser Angelegenheit. China fehlten und fehlen viele Kompetenzen in diesem Bereich, insbesondere bei der Herstellung von Triebwerken für Flugzeuge.
Doch damit eröffnet sich hier eine große Gelegenheit für die Zusammenarbeit zwischen Russland und China.
Russlands moderner Konkurrent zu westlichen Pendants, die MS-21, die nächstes Jahr an inländische Fluggesellschaften geliefert wird, wird nicht an die Chinesen verkauft werden. Denn die oberste Priorität besteht darin, Russlands Fluggesellschaften auf heimische Maschinen wie eben die MS-21 umzustellen, und das wird mindestens ein Jahrzehnt dauern. Und Chinas Ziel ist es ja doch, ebenfalls auf eigene Flugzeuge umzusteigen. Allerdings kann Moskau Peking auf Anfrage bei der Produktion bestimmter Teile und Komponenten für chinesische Flugzeuge unterstützen. Russland könnte zudem seine Triebwerke direkt an China verkaufen, die ausländischen in nichts nachstehen – denn China hat noch nicht ganz gelernt, wie man sie baut.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 11. April 2025 auf der Website von RIA Nowosti erschienen.
Olga Samofalowa ist Wirtschaftsanalystin bei der Zeitung Wsgljad.
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