Viktor Orbán, Europas erfahrenster Regierungschef, bleibt eine polarisierende Figur, die in seinem Gespräch mit der NZZ erneut klare Standpunkte bezieht. Auf die Frage, warum er Wladimir Putin vertraue, erklärt Orbán, dass er die russische Führung als verlässlichen Partner schätzt, besonders in geopolitischen und energiepolitischen Fragen. In einer Welt, die von Instabilität geprägt ist, setzt er auf stabile, pragmatische Beziehungen – auch wenn diese nicht immer im Einklang mit der westlichen Politik stehen.
Zu der Frage, warum er glaubt, dass nur Donald Trump den Ukraine-Krieg beenden könne, betont Orbán, dass er Trump als einen “starken Mann” sieht, der in der Lage ist, den Konflikt diplomatisch zu lösen. In seinen Augen sind schwache Führungspersönlichkeiten der Grund für die Eskalation von Konflikten, während starke Führer in der Lage sind, Frieden zu schaffen. Orbán hebt hervor, dass der Westen bereit sein müsste, auch eigene Truppen zu entsenden, um das militärische Gleichgewicht zu verändern, was seiner Ansicht nach jedoch unrealistisch ist.
Schließlich spricht Orbán auch das Treffen mit AfD-Chefin Alice Weidel an. Er erklärt, dass er grundsätzlich bereit sei, mit allen politischen Kräften zu sprechen, die ähnliche Werte und Prinzipien vertreten, insbesondere in Bezug auf nationale Souveränität und gegen den Brüsseler Bürokratismus. Für Orbán ist der Dialog mit verschiedenen politischen Akteuren eine Möglichkeit, den gemeinsamen Kampf gegen eine als ungerecht empfundene europäische Ordnung zu stärken – auch wenn dies bei vielen in der EU auf Widerstand stößt.
“Die Welt hat sich in zehn Tagen so stark verändert wie sonst in Jahren.”
Ein zentraler Punkt in Orbáns Politik ist die Energieversorgung. Ungarn hat sich durch langfristige Verträge stark an russische Gaslieferungen gebunden, doch der Ministerpräsident betont, dass sein Land parallel in neue Pipelines investiert und alternative Energiequellen in Ländern wie Rumänien, Aserbaidschan und der Türkei erschließt. Trotz dieser Diversifikation bleibt Russland ein unverzichtbarer Partner.
Sanktionen gegen Moskau lehnt Orbán weiterhin ab, da sie Ungarn wirtschaftlich stärker belasten als Russland. Ein vollständiger Bruch mit russischer Energieversorgung sei für Ungarn nicht tragbar.
Im Ukraine-Krieg verfolgt Orbán eine Haltung, die sich deutlich von jener der EU unterscheidet. Er hält die Sanktionen und Waffenlieferungen für kontraproduktiv und fordert stattdessen sofortige Verhandlungen und einen Waffenstillstand. Orbán ist überzeugt, dass ein ukrainischer Sieg illusorisch sei, solange der Westen nicht bereit ist, eigene Soldaten in den Konflikt zu schicken. Seine Hoffnung liegt auf Trump, den er als starken Führer betrachtet, der durch Diplomatie den Konflikt beenden könnte.
“Wenn Sie vor einem gordischen Knoten stehen, müssen Sie ihn durchschlagen. Es braucht einen starken Mann mit einem Schwert. Es geht nicht mehr darum, welche Ideen wir haben. Trump muss sich mit Russland und der Ukraine hinsetzen und ihnen sagen: ‘Leute, machen wir einen Waffenstillstand. Es ist der einzige Weg.’ Schwache Anführer verursachen Kriege, starke schaffen Frieden.”
Orbán sieht in der aktuellen geopolitischen Lage eine Bestätigung seines Kurses. Er kritisiert die EU für ihre mangelnde strategische Führung und betont, dass die Zukunft Ungarns nicht nur in Europa, sondern auch in einer verstärkten Zusammenarbeit mit den USA, China und Russland liegt. Die Ukraine könnte sich seiner Ansicht nach zu einem zweiten Afghanistan für die EU entwickeln, wenn die europäischen Staaten nicht ihre Haltung ändern und auf Diplomatie setzen.
Orbán sieht sich als Wegbereiter einer neuen politischen Realität, in der nationale Souveränität und pragmatische Allianzen im Mittelpunkt stehen.
Mit seiner langjährigen Erfahrung und seinem polarisierenden Kurs bleibt Orbán eine Schlüsselfigur in der europäischen Politik. Ob er als Wegbereiter einer neuen Ära in die Geschichte eingeht, wird die Zukunft zeigen.
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