Von Thomas Röper
Schon nach der letzten Offensive der Ukraine im Spätsommer 2022, mit der sie Teile der Gebiete von Cherson und Charkow eingenommen hat, wurde in Washington stolz verkündet, dass die Offensive federführend von Offizieren der USA und Großbritanniens geplant wurde, was die beiden Länder de facto zu Kriegsparteien macht. Sogar die Waffenlieferungen an Kiew wurden auf diese Pläne abgestimmt.
USA helfen und drängen
Das wiederholt sich nun, denn der Direktor der US Air National Guard, Generalleutnant Michael A. Loh, hat Anfang März auf dem Symposium der Air and Space Forces Association in Colorado vor Journalisten erklärt, US-Piloten stünden während des Konflikts mit Russland in ständigem Kontakt mit ihren ukrainischen Kollegen und berieten sie in Fragen der Einsatztaktik und der Verwendung von Waffen aus US-Produktion.
Mitte März forderte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin die Ukraine auf, die Offensive so schnell wie möglich zu beginnen:
“Die Ukraine darf keine Zeit mehr verlieren.”
Als Termin für die Offensive wurde immer wieder Ende April oder Anfang Mai genannt, wobei in den USA bereits die Rede davon ist, die Offensive werde “in wenigen Wochen”, also wahrscheinlich vor Mai, beginnen. Das habe ich auch vor Ort im Donbass gehört, wo die russische Armee mitbekommt, dass die ukrainische Armee Truppen und Technik vor allem bei Saporoschje und Artjomowsk (Bachmut) zusammenzieht. Neben Soldaten und Panzern ist auch die Rede von tausenden Kamikaze-Drohnen, die zum Einsatz kommen sollen und bereits verstärkt eingesetzt werden, um den russischen Nachschub zu stören, wenn auch bisher mit wenig Erfolg.
US-Medien berichteten unter Berufung auf das Pentagon, dass alle westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine in den letzten vier oder fünf Monaten in Erwartung der ukrainischen Frühjahrsoffensive erfolgt sind. Die Ukraine hat schon dutzende Kampfpanzer, hunderte Schützenpanzer und andere gepanzerte Fahrzeuge sowie Fahrzeuge für den Brückenbau erhalten. Tausende ukrainische Soldaten wurden in NATO-Staaten ausgebildet. Außerdem wurde ein beträchtlicher Vorrat an 155-Millimeter-Granaten angehäuft. Inzwischen hat die Ukraine von Polen und der Slowakei auch Kampfflugzeuge erhalten, wenn auch nur alte MiG-29, die aber mit amerikanischen Mittelstreckenraketen ausgerüstet werden. Und natürlich versorgen die USA Kiew mit Geheimdienst- und Aufklärungsdaten.
Es wird erwartet, dass die ukrainische Offensive zwei Stoßrichtungen haben wird: erstens in Richtung Artjomowsk, weil die Stadt strategisch sehr wichtig ist und im Falle des Verlustes der Stadt die Gefahr besteht, dass die russische Armee die Front bei Donezk regelrecht “aufrollen” könnte; zweitens dürfte die Ukraine versuchen, im Süden auf Melitopol, in Richtung Krim und vielleicht sogar nach Mariupol vorzustoßen, um die russischen Truppen im Gebiet Cherson von der Versorgung abzuschneiden, die vor allem über die Krim läuft.
Der ukrainische Verteidigungsminister zeigte sich in einem Interview mit der Welt optimistisch:
“Erstens stehen wir kurz vor dem Abschluss der Ausbildung der Truppen für die Offensive. Zweitens: Unsere Verbündeten unterstützen ganz bewusst die Idee einer Gegenoffensive nicht nur auf politischer, sondern auch auf militärischer Ebene. Die Generäle der NATO-Armeen kennen unsere Pläne und halten deren Umsetzung für machbar.”
Ukraine steht unter Erfolgsdruck
Die USA erwarten von Kiew nun Erfolge, denn irgendwann müssen sich die milliardenschweren Waffenlieferungen auszahlen. Sollte die Offensive scheitern oder trotz der gewaltigen Unterstützung nur vergleichbar geringe Erfolge bringen wie die Offensive im letzten Spätsommer in Cherson und Charkow, könnten in den USA die Stimmen lauter werden, die ein Ende der unbegrenzten Unterstützung für die Ukraine fordern. Auch die einflussreiche RAND-Corporation hat im Januar bereits gefordert, die US-Regierung solle einen Ausweg aus dem Krieg suchen, selbst wenn das die faktische Anerkennung der russischen Landgewinne bedeutet.
Dass die Unterstützung der Ukraine durch die USA nachlassen könnte, ist umso wahrscheinlicher, als in den USA der Präsidentschaftswahlkampf ansteht und das Thema Ukraine trotz der Bemühungen der Medien in der amerikanischen Öffentlichkeit keine Priorität hat. Die Amerikaner machen sich mehr Sorgen um die Inflation, die kriselnde Wirtschaft und die massenhafte illegale Einwanderung.
Ohne die USA dürfte auch in der EU die Unterstützung für Kiew bröckeln, da einige EU-Staaten die Sanktionen ohnehin nur zähneknirschend mittragen und sich nicht an den Waffenlieferungen beteiligen. Aber auch wenn die EU geschlossen zu Kiew stehen würde, könnte sie der Ukraine ohne die USA nicht genügend Waffen liefern, damit die Ukraine die Front halten kann.
Für Kiew steht also viel auf dem Spiel, die Offensive könnte im Falle ihres Scheiterns kriegsentscheidend sein.
Das weiß man auch in Kiew, weshalb der ukrainische Außenminister die Erwartungen bereits heruntergeschraubt hat. In einem Interview sagte er, dass es in den Regierungen aller Verbündeter der Ukraine eine Minderheit gebe, die eine Reduzierung der Hilfe für die Ukraine und einen Waffenstillstand fordere. Nach “der letzten entscheidenden Schlacht [sei es] an der Zeit …, ein alternatives Szenario in Betracht zu ziehen”. Er fügte hinzu:
“Die gibt es überall – in Washington, Berlin, Paris und London. Sie werden versuchen, so etwas wie ein ‘Minsk-3’ vorzuschlagen.”
Die Ukraine müsse nun ihr Bestes geben, damit die Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte im Westen nicht als “Entscheidungsschlacht” wahrgenommen wird, deren Ausgang die weitere Politik der Verbündeten Kiews bestimmt.
Optimismus bezüglich der Erfolgsaussichten der ukrainischen Offensive klingt meiner Meinung nach anders.
Zuerst veröffentlicht auf dem Medienportal Anti-Spiegel am 5. April 2023.
Thomas Röper ist Herausgeber und Betreiber der Website Anti-Spiegel.
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