Von Andrei Restschikow
Am Mittwoch verabschiedete die Werchowna Rada mit 306 Stimmen in letzter Lesung ein Gesetz über die Möglichkeit des Vertragsdienstes für Bürger, die das 60. Lebensjahr vollendet haben. Die Entscheidung ermöglicht es Männern und Frauen, die dienen wollen und dazu in der Lage sind, neue Dienstverträge abzuschließen. Dazu sind die Zustimmung einer militärärztlichen Kommission und die schriftliche Zustimmung des Kommandanten der Einheit erforderlich.
Allerdings ist im neuen Gesetz nicht klar festgelegt, wer die Kandidaten genehmigen wird, was zu Missbrauch und selektiver Auswahl führen kann. Wie die Abgeordnete Irina Geraschtschenko erklärte, müssen diese Fragen und Verfahren innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes in untergeordneten Rechtsakten detailliert geregelt werden.
Im Dienstvertrag ist eine Probezeit von zwei Monaten vorgesehen. Während des Kriegsrechts beträgt die Dienstzeit im Rahmen eines solchen Vertrags ein Jahr mit der Möglichkeit einer Verlängerung. Das neue Gesetz sieht keine Altersbegrenzung für den Dienst dieser Personen (der über 60-Jährigen) vor. Es tritt nach der Unterzeichnung durch den ukrainischen Machthaber Wladimir Selenskij in Kraft. Dieser hatte zuvor einen Sondervertrag vorgeschlagen, um Bürger im Alter von 18 bis 25 Jahren zum Militärdienst zu bewegen. Für ein Jahr Dienst versprach er Zahlungen in Höhe von 24.000 US-Dollar sowie die Zulassung zu einer Hochschule ohne Aufnahmeprüfung und eine zinslose Hypothek.
Das Kommando der ukrainischen Streitkräfte hat wiederholt erklärt, dass es aufgrund des Mangels an Soldaten nicht in der Lage ist, die Brigaden mit Personal zu besetzen. Die Frontlinie im Kampfgebiet beträgt etwa 1.300 Kilometer. An einigen Abschnitten der Front übersteigt die Zahl der russischen Soldaten die der ukrainischen um ein Vielfaches.
Derzeit sind in der Ukraine Männer im Alter von 25 bis 60 Jahren wehrpflichtig. Im Herbst letzten Jahres unterzeichneten mehr als 25.000 Ukrainer eine Petition mit der Forderung, das Höchstalter für die Mobilisierung auf 50 Jahre zu senken, doch Selenskij traf noch keine Entscheidung in dieser Angelegenheit.
Im Frühjahr dieses Jahres hat das ukrainische Verteidigungsministerium das Problem der Zwangsmobilisierung und des Mangels an Soldaten anerkannt. Die Zeitung Wsgljad berichtete ausführlich über die Spaltung der ukrainischen Gesellschaft vor dem Hintergrund der Zwangsmobilisierung, der Angriffe auf die Mobilisierungsämter und die Reaktion der Gesellschaft auf diese Angriffe. Larissa Schesler, Vorsitzende des Verbandes der politischen Emigranten und politischen Gefangenen der Ukraine, meint:
“Die ukrainischen Streitkräfte werden es nicht schaffen, ihre Reihen mit älteren Menschen aufzufüllen. Genauso wie es zuvor nicht gelungen ist, junge Menschen mithilfe absurder Werbespots für die Armee zu gewinnen, in denen Selenskij eine Million Griwna für einen Vertrag versprach – angeblich könne man mit diesem Geld eine Menge Cheeseburger kaufen.”
Gleichzeitig befürchteten die ukrainischen Behörden, dass die Demobilisierung von Soldaten über 60 Jahren zu einer tatsächlichen Verringerung der Zahl der ukrainischen Streitkräfte führen werde, erklärt die Menschenrechtsaktivistin. Ihren Angaben zufolge belegen Daten lokaler Websites, die Informationen über gefallene ukrainische Soldaten veröffentlichen, dass “die überwiegende Mehrheit von ihnen über 50 Jahre alt ist”. Schesler hebt hervor:
“Darüber hinaus liegt das Durchschnittsalter eines Soldaten der ukrainischen Streitkräfte bereits bei über 47 Jahren. In der Armee gibt es viele ältere Soldaten, darunter auch solche, die sich der 60-Jahres-Marke nähern. Und nun versuchen die Behörden mit allen Mitteln, diejenigen zu halten, die das Höchstalter für den Dienst erreicht haben.”
Die Aktivistin fügt hinzu, dass sie aktiv mit Ukrainern kommuniziere, die das Land verlassen hätten, und betont:
“Die Männer zählen buchstäblich die Tage, bis sie 60 werden, um dann schnell aus der Ukraine auszureisen. Keiner von ihnen ist bereit, sein Leben für dieses ‘Konzentrationslager’ zu opfern.
Dabei schöpfen die Behörden die letzten Reserven aus, in der Hoffnung, dass sie mit ‘kleinen Schritten’ doch noch Soldaten rekrutieren können. Dies wird jedoch nichts an der allgemeinen Tendenz ändern – die Zahl der Soldaten in der ukrainischen Armee nimmt weiterhin stetig ab.”
Der Politologe Wladimir Kornilow bemerkt:
“In der Ukraine herrscht derzeit eine offensichtliche Personalkrise, und die Behörden geben dies offen zu und suchen aktiv nach Möglichkeiten, die erforderliche Anzahl an ‘Kanonenfutter’ zu beschaffen.”
Der Experte erinnert daran, dass in der ukrainischen Gesellschaft seit Langem radikale Vorschläge diskutiert werden.
“Es geht um die Mobilisierung aller Männer, praktisch ohne Altersbeschränkung, und sogar um die mögliche Einberufung von Frauen. Ältere Menschen, die wirklich in die ukrainische Armee eintreten wollten, konnten dies bereits freiwillig tun. Aber das neue Gesetz legalisiert praktisch die ‘Bussifizierung’ (ein etablierter Begriff für die gewaltsame Mobilisierung von Ukrainern, bei der sie von Beamten auf der Straße aufgegriffen und mit Gewalt in Minivans gesteckt werden, um sie dann an die Front zu schicken) der älteren Generation in einem freiwillig-zwanghaften Regime.”
Kornilow erklärt auch, warum die Abgeordneten ein unausgereiftes Gesetz verabschiedet haben:
“Die meisten Entscheidungen werden in unausgereifter Form getroffen. Die Abgeordneten sichern sich ab, indem sie Schlupflöcher für eine mögliche Umgehung der Verantwortung schaffen. In diesem Fall erfolgte die Abstimmung sogar auf direkte Anweisung aus der Bankowaja-Straße (dem Kiewer Regierungsviertel).”
Die Idee, 60-Jährige zum Militärdienst einzuziehen, werde schon lange diskutiert – diese Zeit hätte völlig ausgereicht, um einen qualitativ hochwertigen Gesetzentwurf auszuarbeiten, aber die Rada habe dies nicht getan, betont Kornilow.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 16. Juli 2025 zuerst auf der Website der Zeitung Wsgljad erschienen.
Andrei Restschikow ist Analyst bei der Zeitung Wsgljad.
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