Von Rüdiger Rauls
Trump hatte im Wahlkampf hohe Erwartungen geweckt, die wirtschaftliche Lage der Amerikaner zu verbessern. Besonders jene mit geringen Einkommen, aber auch zunehmend der Mittelstand leiden unter den hohen Preisen. Deshalb weist er bei vielen seiner innenpolitischen Maßnahmen und Einsparungsbemühungen immer wieder darauf hin, dass es darum geht, die Amerikaner zu entlasten. Das ist die Idee, die hinter seiner Zollpolitik steht. Trump sieht sie als Allheilmittel gegen die amerikanische Misere der hohen Staatsverschuldung, der Handelsdefizite und der Verarmung der amerikanischen Arbeiter und des Mittelstands.
Wenn auch er selbst nicht zu jenen gehört, für die er sich einzusetzen glaubt, so scheint Trump doch ein Gespür dafür zu haben, wo den amerikanischen Arbeitern der Schuh drückt. Denen scheint er sich näher zu fühlen als die meisten seiner Vorgänger, die eher in den akademisch-intellektuellen Kreisen verwurzelt waren. Viele seiner Entscheidungen sind von der Absicht getragen, diese Probleme zu beheben. Mit den Zöllen will er “Billionen von Dollar einnehmen und Arbeitsplätze schaffen, wie wir sie noch nie zuvor gesehen haben”, so die FAZ.
Insofern tritt Trump als der Volkstribun auf, der zwar zur herrschenden Klasse gehört, aber die Interessen der Beherrschten zu kennen und zu vertreten vorgibt. “Viel zu lange haben wir uns darauf verlassen, dass wir unsere großartigen Leute über den Internal Revue Service [Steuerverwaltung] besteuern”, zitiert ihn die FAZ. Stattdessen stellt er in Aussicht, die Einnahmen des amerikanischen Staates aus ausländischen Quellen wie Zöllen zu speisen, um die amerikanischen Steuerzahler zu entlasten.
Auch der Kampf gegen die Staatsdefizite, die nach seiner Meinung durch überbordende und ineffiziente Bürokratie, teure Subventionen und unsinnige politische Programme entstanden sind, sollen die Staatsausgaben senken. So will er unter anderem “das 52 Milliarden Dollar schwere Förderprogramm für die amerikanische Halbleiterindustrie stoppen” (FAZ). Stattdessen setzt er auf wirtschaftlichen Druck durch Zölle für Unternehmen, die mit den USA Handel betreiben wollen.
Lehrstück und Blaupause für seine Zollpolitik ist der Chip-Gigant TSMC aus Taiwan. Den hatte Trump vor die Wahl gestellt, mit Zöllen in Höhe von 100 Prozent auf die Halbleiter belegt zu werden, die aus Taiwan in die USA exportiert werden, oder in den USA in neue Chipwerke zu investieren und sich damit die Zölle zu ersparen. TSMC entschied sich, 100 Milliarden Dollar in den USA zu investieren. Die Chinesen verzichteten sogar auf Subventionen aus dem Chips-Act. Ihnen war nur wichtig, “dass sie die Zölle nicht zahlen wollten”, so die FAZ.
Trump hatte immer wieder die Subventionen als Verschwendung gegeißelt und behauptet, dasselbe Ergebnis durch Zölle erreichen zu können. Der Fall TSMC diente ihm nun als publikumswirksamer Beweis. Deshalb betrachtet er den “Chips and Science-Act”, den sein Vorgänger Biden 2022 ins Leben gerufen hatte, um die Ansiedlung moderner Technologien in den USA zu fördern, als überflüssig. Folglich fordert er dann auch, das Gesetz abzuschaffen und die restlichen Mittel daraus “zur Reduzierung der Staatsschulden oder für andere Zwecke zu verwenden” (FAZ).
Auch mit seinem Kampf gegen die USAID (United States Agency for International Development) traf er den Nerv vieler Amerikaner, die der Meinung sind, “Amerika zahle zu viel Geld im Ausland und zu wenig für seine eigenen Bürger” (FAZ). Elon Musk hatte USAID gar als “kriminelle Organisation” bezeichnet. Viele dieser Entscheidungen sind darauf ausgerichtet, Trumps Versprechen aus dem Wahlkampf umzusetzen. Damit “amerikanische Steuerzahler nicht länger für radikale Programme aufkommen” (FAZ) müssen, strich er die Mittel für die Sender “Voice of America” und “Radio Liberty”. Trump denkt ökonomisch, politische Überlegungen scheinen ihm weitgehend fremd zu sein, wie man am Beispiel der Sender sieht, die dem politischen Einfluss der USA in der Welt dienten.
Eingesparte Zukunft
Aber all diese Kürzungen scheinen vorerst kaum durchschlagende Erfolge zu bringen. Stattdessen legt Trump die Latte der Erwartungen damit höher, doch das Enttäuschungspotenzial wächst mit. Es ist ein zweischneidiges Schwert, das Trump gegen die Staatsausgaben schwingt. Einerseits sollen die Kürzungen, Stellenstreichungen und Behördenschließungen zum Abbau von Verschuldung und zu einer geringeren Steuerlast führen, andererseits untergräbt er damit aber bei vielen Bürgern die soziale Sicherheit und Lebensgrundlage. Denn entgegen allen Versprechungen gehen die Preise nicht runter, die Inflation sinkt nicht.
Mittlerweile bekommen republikanische Politiker immer häufiger den Zorn in der Bevölkerung, gerade über die Entlassungen selbst oder die damit verbundenen Leistungseinschränkungen, zu spüren. Die gestutzten Behörden können ihre Aufgaben nicht mehr in der gewohnten Form erfüllen, was für wachsenden Unmut in der Bevölkerung sorgt. Davon weitgehend unberührt scheinen Trump und seine Leute ihre Pläne zur Konsolidierung der Staatsfinanzen durch Abbau des Staates weiterzuverfolgen.
Die umgesetzten und angekündigten Entlassungen von Staatsdienern gehen in die Zehntausende. Laut einem internen Memo plant die Trump-Regierung “mehr als 80.000 Stellen im Veteranen-Ministerium zu streichen” (FAZ). Dabei waren schon Tausende Veteranen entlassen worden. Auch im Bildungsministerium, das ursprünglich ganz aufgelöst werden sollte, soll nun die Zahl der 4100 Mitarbeiter halbiert werden. Man will den “Bildungssumpf der Regierung in Washington trocken legen und den Missbrauch von Steuergeldern stoppen” (FAZ).
Das Ministerium verfügte über einen Etat von 241 Milliarden Dollar. Allein die hohe Summe scheint Musk und seiner DOGE (Department of Government Efficiency) schon auszureichen, um die Kettensäge anzusetzen. Aber der Löwenanteil des Budgets floss in “Bundesfinanzhilfen für Studenten” (FAZ), was besonders Kindern aus einkommensschwachen Familien zugutekam. Mittlerweile vergeht kaum ein Tag, an dem nicht aufgrund der Sparwut der Regierung “ein neuer Wissenschaftsbereich Einbußen hinnehmen muss” (FAZ).
Dem Sparrausch werden tausende Wissenschaftler in den Forschungsinstituten und Behörden der USA geopfert. Forschungsgelder werden nicht freigegeben, “Universitäten werden massiv Gelder gekürzt, Stipendien abgesagt” (FAZ). Musks DOGE durchwühlt mit inquisitorischem Eifer die Behörden auf überflüssige Stellen und unterdurchschnittliche Mitarbeiter. Dabei waren doch gerade Wissenschaft und Forschung mittlerweile die einzigen gesellschaftlichen Bereiche, in denen die USA noch weitgehend an der Weltspitze standen, wenn auch arg bedrängt von China. Nun fällt dem Spareifer von Trump und Musk der letzte Vorteil der USA in der weltweiten Konkurrenz zum Opfer. Die USA sparen ihre Zukunft ein.
Politische Gefahren
Nicht nur dass viele von Trumps Beschlüssen und Erlassen die gesellschaftlichen Spannungen erhöhen und Unfrieden stiften, sie verstoßen häufig auch gegen geltendes Recht. Eine Klagewelle breitet sich aus, die immer wieder auch zu Niederlagen für Trump vor den Gerichten führt. Ein Umdenken findet aber nicht statt in seinem Lager, vielmehr kommt es zu einer Zuspitzung der Konflikte und einer Eskalation mit der Justiz. Denn Trump steht unter Erfolgsdruck. Zum einen sind da die Erwartungen, die er selbst genährt hat. Zum anderen ist dort eine Selbstgefälligkeit, die die Wirklichkeiten nicht wahrhaben will und deshalb immer wieder mit diesen in Konflikt kommt. Die Eiferer beim Staatsumbau dulden keinen Widerspruch.
Selbstüberschätzung, Mangel an Wissen über die gesellschaftlichen Zustände und Grundlagen oder aber störrische Uneinsichtigkeit, vermutlich von allem etwas, führen zu Handlungen, die das Land immer tiefer in eine Verfassungskrise führen. Indem Trump, Musk und seine Bilderstürmer in ihrem kopflosen Eifer und ihrer verbohrten Rechthaberei die Zuständigkeit von Gerichten anzweifeln und sich sogar über deren Urteile hinwegsetzen, legen sie die Axt an die Gewaltenteilung als einer der Wurzeln der herrschenden Ordnung. Es ist zu befürchten, dass es nicht ohne Folgen bleiben für die politische und gesellschaftliche Stabilität der USA, wenn die Exekutive weiterhin die Unabhängigkeit der Justiz in Frage stellt oder gar übergeht.
Wenn aber der Präsident sich nicht mehr an Recht, Gesetz und die Ordnung hält, warum sollen es dann die Bürger noch? Das Rechtsempfinden, ohnehin nicht sehr hoch in den USA, droht weiter auszuhöhlen. Wenn der Bürger der Exekutive wehrlos ausgesetzt ist, an wen soll er sich noch wenden, wenn die Rechtsprechung nicht mehr funktioniert? Nimmt er dann das Recht in die eigene Hand, noch mehr als ohnehin schon in den USA?
Immer häufiger bekommen republikanische Politiker vor Ort in den Town Hall Versammlungen vonseiten vieler Bürger eine Wut zu spüren, die “in den Augen der republikanischen Führung überhandnimmt” (FAZ). So gab der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, inzwischen die Empfehlung aus, “Town Halls sollten künftig nur noch online abgehalten werden” (FAZ).
Anscheinend kommt also der Unmut inzwischen auch in den Führungskreisen der Republikaner an, wenn er auch an der Staatsführung um Trump noch vorbeizugehen scheint. Aber was soll er machen, wenn die Versprechungen nicht in Erfüllung gehen? Die Inflation lässt sich nicht von ihm per Dekret beenden. Trotzdem müssen Erfolge her, wenn nicht in der Inflationsbekämpfung, dann in der Außen- und Migrationspolitik. Wenn sich auch der ukrainische Präsident immer in der Friedensfrage quer stellt, mit Putin zusammen wird Trump ihn schon weichklopfen.
In der Migrationspolitik hatten die groß aufgemachten Bilder von abgeschobenen Mitgliedern einer venezolanischen Verbrecherorganisation dem Präsidenten dagegen Pluspunkte verschaffen können. Dabei handelte es sich nach dem amerikanischen Rechtssystem um Bilder, “die es nicht hätte geben dürfen” (FAZ). Sie stehen für eine Migrationspolitik, die in großen Teilen der Bevölkerung Beifall findet, aber innenpolitisch für eine “Bemerkenswerte Eskalation in Trumps Umgang mit der Gewaltenteilung” (FAZ) sorgt. Aber glücklicherweise lenken sie ab von seinen ausbleibenden Erfolgen in der Bekämpfung der Inflation.
Rüdiger Rauls ist Reprofotograf und Buchautor. Er betreibt den Blog Politische Analyse.
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