Von Valentin Bogdanow
Donald Trump lauern die US-Demokraten auf seinem Weg zu den Ukraine-Verhandlungen wie erfahrene Räuber auf, die sich in einer vertrauten Gasse an ihre Beute heranpirschen: Das US-Repräsentantenhaus (die Unterkammer des Kongresses) hat ein Gesetz zur Unterstützung der Ukraine eingebracht. Der Entwurf sieht die Bereitstellung von Mitteln für Kiew zur Sicherung und zum Wiederaufbau sowie die Einführung weiterer harter Sanktionen gegen Russland vor.
Und dies nur zwei Wochen nach einem ähnlichen Vorschlag von Vertretern beider Parteien im Senat – denn dort sind zu den Demokraten einige republikanische Falken dazugestoßen –, harte Sanktionen gegen Russland zu verhängen, falls es sich weigere, “gewissenhaft über einen Frieden zu verhandeln”.
Auf den ersten Blick erscheint das als reine Sisyphusarbeit: Die Trumpisten verfügen im Kongress über eine stabile Mehrheit. Allerdings gilt dies nur, wenn niemand daherkommt und mit beherztem Stiefeltritt den Tisch umwirft, an dem sich das komplexe Verhandlungsgefüge abspielt – ein Gefüge mit so heiklen Details, dass selbst der erfahrene und republikanertreue Primetime-Moderator Sean Hannity aus Trumps Sondergesandtem Witkoff nichts dazu herausbekommen konnte. Zur Erinnerung: Fox News, wo Hannity arbeitet, ist formal ein Trump-freundlicher Fernsehsender, wohingegen das liberale CBS, das ein in einem Keller in Kriwoi Rog aufgezeichnetes Interview mit Selenskij ausstrahlte, vom Chef des Weißen Hauses nicht länger als Medienunternehmen betrachtet wird, der der Talkshow, die das Interview ausstrahlte, am liebsten die Lizenz entziehen würde:
“Sie sind keine Nachrichten-Show, sondern eine ehrlose polittechnologische Unternehmung, die sich nur als Nachrichten-Show tarnt – und sie müssen die Verantwortung dafür tragen, was sie getan haben und weiterhin tun.
Sie sollten ihre Lizenz verlieren!”
Damit reagierte Donald Trump in seinem sozialen Netzwerk Truth Social auf Selenskijs Interview – und das gleich mit zwei Posts. Und es entbehrt ja keineswegs einer gewissen Logik. Die Forderung nach Lizenzentzug erscheint aber selbst für den emotionalen Trump übertrieben – ist er doch andererseits ein so erfahrener Medienkrieger, der sich sicherlich sehr gut an Mark Twains Ausspruch erinnert:
“Jeder Zeitungsartikel ist Werbung – außer einem Nachruf.”
Worüber also hat sich der Chef des Weißen Hauses so empört?
Natürlich nicht über Selenskijs Gerede von einer Einladung zu einem Besuch in der Ukraine. Und auch nicht über den erneuten Versuch, noch mehr Waffen zu bekommen – obzwar er schon so begierig darauf ist, weitere Patriot-Luftabwehrsysteme in die Hände zu bekommen, dass er bald zu Trumps neuem “Rocket Man” werden könnte, wie der US-Präsident einst den Staatschef der Demokratischen Volksrepublik Korea, Kim Jong-un, nannte.
Also worüber dann?
Eine einzige Passage war es – die auf Trump dieselbe Wirkung hatte wie Selenskijs Angriff auf J.D. Vance im Oval Office. Denn in der Tat war Selenskijs besagtes Interview in Kriwoj Rog so etwas wie ein zweiter Zielanflug. Es lohnt sich in diesem Fall sogar, den ukrainischen Präsidenten zu zitieren:
“Ich denke, dass russische Narrative in den USA leider die Oberhand gewinnen. Wie ist es möglich, Zeuge unserer Verluste und unseres Leids zu sein, zu verstehen, was die Russen tun – und dennoch zu glauben, sie seien nicht die Aggressoren, sie hätten diesen Krieg nicht angefangen? Das zeigt den enormen Einfluss, den die Informationspolitik Russlands auf die USA, die US-Politik und die Politiker der USA ausübt.”
Lassen Sie sich das ruhig auf der Zunge zergehen:
“Einfluss auf Politiker der USA”
Das ist keine bloße rhetorische Redewendung. Schließlich können nur diejenigen unter den Einfluss Dritter kommen, die nicht unabhängig sind. Sprich, wer beeinflusst wird, ist bestenfalls nützlicher Idiot für den Einflussnehmer; und im schlimmsten Fall ein Agent, der im Dienst von irgendjemandem steht.
Zu allem Überfluss sind diese Vorwürfe auch noch eine direkte Kopie der Vorwürfe, mit denen Trump bereits während seiner ersten Amtszeit konfrontiert war, als Behauptungen seiner angeblichen “Verbindungen” zum Kreml nicht nur seinen innenpolitischen Ruf ruinierten. Sie können als eine Art Reminiszenz gedeutet werden, die von Clinton, Soros, dem britischen Spion Steele, dem FBI und so weiter an Trump adressiert – und von einem Fernsehsender übertragen wurden, wo man immer bereit ist, sich in Wahlen einzumischen. Dies war beispielsweise im Fall des geschnittenen Interviews von Kamala Harris der Fall, wegen dem das Trump-Team eine Klage in Höhe von 20 Milliarden Dollar gegen CBS einreichte. Dies hier ist nur ein neues Kapitel derselben Geschichte.
Natürlich hätte sich Selenskij in Eigenregie so etwas kaum selbst ausdenken können. Die vom “globalistischen Tiefen Staat” formulierte Botschaft wurde wie in einen Briefumschlag in seinen Mund gelegt, damit er sie an Trump überbringt. Trump erkannte diesen “schwarzen Fleck” – daher auch seine wütende Reaktion, die durch die ganzen verpassten Fristen nur noch verstärkt wurde. Die ganzen Deadlines, die er sich selbst gezogen hat, sind heute nämlich nur noch schwer einzuhalten – wenn überhaupt: die “Lösung des Ukraine-Konflikts innerhalb von 24 Stunden”, dann “bis Ostern”, dann “innerhalb von 100 Tagen im Weißen Haus” – all das entpuppte sich als Hirngespinst. Ein Hirngespinst, das von den einfachen und verständlichen Sorgen Russlands ablenkte, die der Schlüssel zum Erfolg der Verhandlungen über das Schicksal der Ukraine sind.
Nicht verwunderlich also, dass Trump nun, nachdem er sich teilweise in Zeitnot gebracht und die Keule geschwungen hat, an die sich nun alle Feinde (republikanische Falken, Liberale, Europäer und Selenskij) gleichzeitig festgekrallt haben, begonnen hat, nach einem Plan B zu suchen, falls sein ursprünglicher Plan scheitert. Gefunden hat er bisher nur die primitivste Methode: die Schuld an dem Krieg einfach den anderen zuzuschieben:
“Biden hätte ihn aufhalten können. Selenskij hätte ihn aufhalten können. Und Putin hätte gar nicht erst damit anfangen sollen.”
Das sagte der Präsident des mächtigsten Landes der Welt, der sich noch kürzlich damit gebrüstet hat, er sei der Erste gewesen, der mit der Aufrüstung der Ukraine begonnen habe.
Kindische Ausrede. In Russland macht man sich schon lange keine Illusionen mehr. Und diejenigen, die auf beiden Seiten des Atlantiks leben, werden die Ausrede nicht akzeptieren. Wer Trumps Scheitern befürwortet, wäre darüber hinaus im Grunde mit jedem Ergebnis zufrieden: Denn wenn die Ukraine dazu bestimmt ist, ein zweites Afghanistan (mit einem schrecklichen Ende) zu werden, dann wird es unter Trump geschehen. Wenn es ein zweites Vietnam (mit endlosem Schrecken) ist, dann wird auch dies während seiner Amtszeit geschehen.
Nur indem er den Bedingungen Russlands zustimmt, kann sich der US-Präsident noch retten – wie paradox das auch anmuten mag – und sich jedem Angriff seiner Widersacher im Westen entziehen, dazu noch mit dem Image eines Friedensstifters. Schade nur, dass Trump das noch nicht erkannt hat.
Übersetzt aus dem Russischen.
Valentin Bogdanow ist Leiter des Büros der russischen Mediaholding WGTRK in New York.
Diesen Kommentar verfasste er exklusiv für RT.
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