Von Susan Bonath
Die deutsche Autoindustrie ist ein Lehrstück für den real existierenden Kapitalismus. Seit Monaten klagen ihre Bosse laut über die Folgen der Wirtschaftskrise: hohe Energiekosten, miese Geschäfte, einbrechende Gewinne. Sie antworteten mit Kürzungsprogrammen für die Beschäftigten. Dies sei alternativlos, warben sie bei Gewerkschaften und Betriebsräten um Verständnis. Medienwirksam verkündeten sogar die Vorstände von Volkswagen und Mercedes-Benz “Verzicht”. Doch letzteres entpuppt sich nun als bloße Zahlenspielerei. Denn praktisch steckten sich die Bosse auch für das letzte Jahr zweistellige Millionenbeträge ein.
Millionen für die Bosse
Wie aus aktuellen Berichten beider Konzerne hervorgeht, kassierte Benz-Boss Ola Källenius für das vergangene Jahr 12,49 Millionen Euro, Volkswagen- und Porschechef Oliver Blume strich 10,4 Millionen Euro ein. Ersterer verbuchte damit tatsächlich einen marginalen Einschnitt gegenüber dem Vorjahr von rund zwei Prozent. Letzterer freut sich hingegen über fast sieben Prozent mehr, obgleich er angekündigt hatte, auf fünf Prozent zu verzichten.
Blumes Fünf-Prozent-Verzicht betraf nämlich nur sein Grundjahresgehalt von 1,3 Millionen Euro. Diese Kürzung um 65.000 Euro nahm er zwar hin, dafür trieben die “leistungsbezogenen” Boni seine Gesamteinkünfte weiter in die Höhe. Da kann man sich ausmalen, in welche Richtung es weitergeht, wenn der VW- und Porscheboss wie versprochen in diesem Jahr auf elf Prozent “verzichten” wird. Auch Källenius muss eine angekündigte Abstimmung über ein neues Vergütungssystem für die Führung eher nicht fürchten.
Fürstlich versorgt VW auch weitere Vorstände und sogar Ex-Bosse. Gunnar Kilian, Chef der Geschäftsbereiche Personal und “Truck & Bus”, durfte sich 6,5 Millionen Euro Jahresgehalt einstreichen. Blumes Vorgänger Herbert Diess, der bis Mitte 2022 am Ruder saß, kassierte mit 11,16 Millionen sogar mehr als Blume, weil der “Verzicht” für ihn nicht gilt und sein Vertrag bis Oktober 2025 läuft. Und der 2023 abgetretene Chef der hundertprozentigen VW-Tochter Audi, Markus Duesmann, wurde um 6,74 Millionen Euro reicher. So lässt es sich gut leben.
Erpresste Arbeiter “verzichten”
Für den Wohlstand ihrer Bosse sorgen bekanntlich die lohnabhängig Beschäftigten. In der Rolle als deren “Wohltäter” gefiel sich der VW-Konzern bislang sehr gut und bedachte sie ebenso mit Boni, wenngleich natürlich viel geringeren. Auch für das letzte Jahr erhielten die Tarifbeschäftigten noch einmal eine solche Vergütung von insgesamt 4.800 Euro. Doch damit könnte es künftig vorbei sein.
So stieg der Umsatz von VW für 2024 binnen der Jahresfrist zwar von 322 auf fast 325 Milliarden Euro an. Der Reingewinn jedoch brach laut Unternehmen um gut 30 Prozent auf 12,4 Milliarden Euro ein. Glaubt man den Ankündigungen des Konzerns, nähert sich nun bei VW die Zeit der dem Proletariat gewährten Privilegien dem Ende.
Für die Beschäftigten ist nämlich echter Lohnverzicht angesagt. Damit das auch der Betriebsrat und die Gewerkschaft IG Metall schlucken, drohte der Konzern schon Ende letzten Jahres damit, Werke in Deutschland zu schließen, abzuwandern und Tausende zu entlassen. Ganz “sozialpartnerschaftlich” kündigten die sogenannten “Arbeitervertreter” ihre Bereitschaft an, um Massenkündigungen zu verhindern. Erpressung zieht eben immer, zum Beispiel im VW-Werk Zwickau. Ein paar halb gare Zugeständnisse der Konzernspitze genügten, um die Gewerkschaft sogar vom Verzicht auf Warnstreiks zu überzeugen.
Kapitalflucht und “Sparprogramm” bei Benz
Ganz ähnlich läuft es bei Mercedes-Benz. Anfang März einigte sich der Autokonzern nämlich mit dem Betriebsrat auf ein weitreichendes Sparprogramm, um zuvor angedrohte massenhafte betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern. Benz macht den Beschäftigten freiwillige Kündigungen mit Abfindungen schmackhaft und kündigte eine faktische Nullrunde, also ausbleibende Tariferhöhungen an, um den geplanten Stellenabbau trotzdem durchzuziehen.
Denn Mercedes-Benz will die Vorteile des imperialistischen Kapitalismus für sich nutzen, um Kosten zu sparen. Kapitalexport ist angesagt: Das Unternehmen will seine Produktion in das vor 13 Jahren eröffnete Werk in Kecskemét in Ungarn verlagern. Dort sei es möglich, so schwärmte es, ganze 70 Prozent günstiger zu produzieren, vor allem, weil die Löhne dort wesentlich geringer sind. Während es Arbeitern in Deutschland im Schnitt 61.000 Euro brutto pro Jahr zahlen müsse, seien es in Ungarn nur etwa 17.000 Euro.
Autos kaufen keine Autos
Am Ende wird Henry Ford wohl trotzdem Recht behalten: Autos kaufen keine Autos, soll er vor 100 Jahren schon geäußert haben. Anders ausgedrückt: Um ihre Absatzmärkte nicht selbst zu sabotieren, müssen Kapitalisten ausreichende Löhne bezahlen. Doch um ihre Renditen auch während einer Krise möglichst hoch zu halten, tun sie genau das Gegenteil. Das ist der ewige Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit.
Die nunmehr abgewählte, sanktions- und kriegsbegeisterte Ampelregierung hat das offenbar nie ganz verstanden und auf dümmliche “Moral”-PR und Hybris gesetzt. Auf mehr Verständnis und Besserung unter Friedrich “BlackRock” Merz (CDU) ist allerdings genauso wenig zu hoffen. Da verwundert es kein bisschen, dass sich die Autobosse vor dem drohenden Kollaps noch mal ordentlich die Taschen vollmachen.
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