Von Hans-Ueli Läppli
Drei Politiker in einem Zug – als gäbe es in Europa keine dringenderen Probleme. Bundeskanzler Merz, Frankreichs Präsident Macron und Großbritanniens Premier Starmer zelebrieren in Kiew den Schulterschluss mit Wladimir Selenskij. Auf dem Papier fordern sie eine Waffenruhe, in der Praxis liefern sie weiter Waffen. Die Reise wirkt weniger wie ein diplomatischer Durchbruch, als vielmehr wie ein PR-Moment mit dünner Substanz.
Während Donald Trump aus Washington eine 30-tägige Feuerpause vorschlägt, beteuern die Europäer Unterstützung für die Ukraine – ohne je zu sagen, wie eine politische Lösung aussehen könnte. Die Forderung, Russland müsse sich “bedingungslos” zurückziehen, ist keine Verhandlungsgrundlage, sondern Wunschdenken. Wer glaubt, Moskau lasse sich durch diplomatische Fototermine oder weitere Sanktionsandrohungen zum Einlenken bewegen, verkennt die Realitäten.
In Russland dürfte man den Besuch gelassen zur Kenntnis nehmen. Denn die Kluft zwischen militärischem Geschehen und westlicher Symbolrhetorik wird größer. An der Front ändert sich durch solche Reisen nichts – im Gegenteil: Die demonstrative Unterstützung für Selenskij verlängert einen Krieg, dessen Ende nur über direkte Verhandlungen mit Moskau führen kann.
Die europäische Position bleibt widersprüchlich: Einerseits unterstützt man Trumps Vorstoß, andererseits lehnt man jegliche russische Sicherheitsinteressen kategorisch ab. Wer so verhandelt, will nicht verhandeln.
Donald Trump hat zumindest begriffen, dass es ohne Russland keinen Frieden geben wird. Seine Aussage, es brauche “zwei zum Tango”, trifft den Kern dessen, was viele europäische Entscheidungsträger weiterhin ausblenden: Dass Verhandlungen nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn man den Gegner nicht zum Sündenbock erklärt, sondern als realen Machtfaktor anerkennt. Während Washington unter Trump signalisiert, gesichtswahrende Lösungen zu prüfen, inszenieren sich die Europäer als moralische Vorkämpfer – und isolieren sich geopolitisch zusehends.
Auf dem Weg nach Kyjiw.Die Ukraine kann sich auf uns verlassen. pic.twitter.com/R4Tz03iZdx
— Bundeskanzler Friedrich Merz (@bundeskanzler) May 9, 2025
Die Kluft zwischen Brüssel und Washington in der Russlandpolitik vertieft sich. Trumps Kurs deutet auf Entspannung hin, Europas Haltung hingegen bleibt starr. Das hat Konsequenzen: Wirtschaftlich gerät die EU zunehmend unter Druck – nicht nur durch Sanktionen, sondern auch durch protektionistische Maßnahmen aus den USA. Der transatlantische Schulterschluss bröckelt, Handelskonflikte nehmen zu. Washington sichert sich billige Energie, während Europa unter den Folgen der eigenen Russlandpolitik leidet – durch Deindustrialisierung, Standortflucht und Wettbewerbsnachteile.
Während Europa mit Selenskij posiert, werden in den USA längst die Weichen neu gestellt. Trumps Team pflegt weiterhin Kontakte nach Moskau, um eine diplomatische Brücke offenzuhalten – eine Strategie, die Europa mangels Pragmatismus längst verloren gegangen ist. Je länger sich Brüssel in moralisierender Rhetorik verfängt, desto schwächer wird seine Rolle auf dem geopolitischen Schachbrett.
Denn am Ende zählt nicht, wer die besten Bilder produziert, sondern wer Interessen durchsetzen kann. Russland spielt strategisch, die USA taktisch – und Europa steht zwischen beiden, ohne Plan, ohne Einfluss, ohne Ziel. Die Kiew-Reise der Regierungschefs war nicht der Aufbruch zu einer Friedensordnung – sondern ein Symbol für Europas schwindende Handlungsfähigkeit.
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