Von Marinko Učur
Im aktuellen Konflikt in der Ukraine, wo Russland eine militärische Sonderoperation durchführt, verhält sich Serbien nach offiziellen Angaben der Regierung in Belgrad neutral. Belgrad hält sich aus innenpolitischen Gründen an den Grundsatz der Unverletzlichkeit der Grenzen und an die UN-Charta, was sowohl in Kiew als auch in Moskau bekannt ist. Mit anderen Worten: Serbien erkennt die territoriale Integrität der Ukraine an und die Ukraine hält sich an dieselben Grundsätze, wenn es um die Achtung der territorialen Integrität Serbiens mit Kosovo und Metochien als integralem Bestandteil des Landes geht.
Es scheint, dass der Kreml die neutrale Positionierung Serbiens gut versteht, zumal Serbien sich trotz enormen westlichen Drucks noch immer weigert, sich den Sanktionen gegen die Russische Föderation anzuschließen. Dennoch ist Kiew mit der neutralen Position Serbiens unzufrieden und erwartet beharrlich, dass Belgrad seine Position ändert. Gleichzeitig sind im ukrainischen Parlament dissonante Töne und Stimmen von Abgeordneten zu hören, etwa von Alexei Gontscharenko, der die Behörden seines Landes offen aufforderte, ihre Haltung zu ändern und die selbst ernannte serbische Provinz Kosovo anzuerkennen.
Trotz allem fällt auf, dass Serbien die Beziehungen zur Ukraine nicht negativ beeinträchtigen will. Das Land beteiligt sich sogar intensiv an internationalen humanitären Projekten, durch welche es jener vom Krieg betroffenen Bevölkerung Hilfe bereitstellt. So stellte die serbische Regierung im Juni 2022 finanzielle humanitäre Hilfe für Kinder und Flüchtlinge in der Ukraine bereit. Außerdem wurden der Ukraine auf Initiative der Frau des serbischen Präsidenten, Tamara Vučić, im Dezember 2022 zwei Krankenwagen übergeben.
Nach Angaben der Premierministerin Ana Brnabić wurde zudem im bekannten Kurortkomplex im Westen Serbiens, Banja Koviljača, eine Sommerschule zur Genesung ukrainischer Kinder organisiert. Kürzlich wurde im Rahmen des Katastrophenschutzverfahrens der Europäischen Union ein Lastwagen mit Elektro-Ausrüstung in die Ukraine geschickt. Bei dieser Gelegenheit kündigte die serbische Regierung an, dass Serbien der Ukraine im Rahmen seiner Möglichkeiten weiterhin kontinuierlich humanitäre Hilfe leisten wird.
Das offizielle Kiew hält all diese Aktivitäten allerdings nicht für ausreichend. Dort hält man nur das für annehmbar, was Selenskij und seine Regierung als nützlich und zweckdienlich erachten, nämlich “die Verurteilung der russischen Aggression und die Einführung von Sanktionen gegen Russland”.
Die Ukraine hat kürzlich auf eher unangemessene und bizarre Weise ihre Unzufriedenheit mit den offiziellen Positionen Belgrads gegenüber dem Kreml zum Ausdruck gebracht. Offenbar wurde aufgrund einer politischen Entscheidung Kiews nämlich die serbische Einladung an die jungen Fußballspieler des FK Dinamo, im kommenden Sommer zum Training und zur Vorbereitung auf die neue Saison in Serbien zu bleiben, abgelehnt.
Unterdessen gaben ukrainische Medien unter Berufung auf diplomatische Quellen bekannt, dass der FK Dinamo selbst in Serbien trainieren wollte, es sich aber später anders überlegte. Die zunächst angenommene und dann wieder abgelehnte Einladung überraschte die Sportfans in Serbien ebenso wie die Erklärung des Kiewer Klubs:
“Während sich unser Land im Krieg befindet, funktioniert das Prinzip ‘Sport jenseits der Politik’ nicht”,
verkündeten die ukrainischen Sportler auf ihrer offiziellen Website. Sie behaupteten, dass “die Einladung aus mehreren verständlichen Gründen abgelehnt wurde”. Als einen der Gründe für die Ablehnung der serbischen Gastfreundschaft nannten sie die Teilnahme des Fußballvereins Crvena Zvezda aus Belgrad an einem Turnier in Russland im Jahr 2022, bei dem dieser zwei Spiele mit dem St. Petersburger Verein Zenit absolvierte.
Im letzten Jahr hat Zenit seine Repräsentanz in Serbien unter der Adresse von Crvena Zvezda registriert. Was ist Sport und was ist Politik, was sind die Ursachen und was sind die Folgen – das lässt sich nicht schwer schlussfolgern, aber in den Händen der Kiewer Entscheidungsträger ist es ein offenkundig unzureichendes Argument.
“Leider setzt der Krieg eindeutige und oft unfaire Kriterien für ‘uns gegenüber den Anderen’. Dass der FK Roter Stern mit dem russischen FK Zenit bei einem Freundschaftsturnier spielte, macht sie nach Meinung von Teenagern und Fans zu Freunden. Also sind wir Feinde”,
lautet die offizielle Position der ukrainischen Botschaft in Belgrad, die offenbar hinter der Entscheidung ihrer Chefs in Kiew stand. Unter gleichzeitiger Dankbarkeit gegenüber der serbischen Regierung wird festgestellt, dass “es eine Tendenz gibt, dass sich Serbien immer stärker für die Unterstützung der Ukraine und ihrer Bürger einsetzt. Wir hoffen, dass diese Tendenz in Zukunft weiter zunehmen wird, genauso wie das Gefühl einer gemeinsamen Zukunft in einer europäischen Familie”, so die ukrainische diplomatische Vertretung in Belgrad.
Zusätzlich zur Organisation des Sommercamps für die jungen Fußballspieler von Dinamo genehmigte die serbische Regierung mit Beschluss vom 15. Juli weitere Unterstützung zur Bewältigung der humanitären Katastrophe in der Region Cherson. Die Unterstützung umfasst die Spende von Gütern und Medikamenten. Belgrad stimmte auch der Aufnahme ukrainischer Staatsbürger zu, die von der Situation in der Region Cherson betroffen waren. Ob all diese Bemühungen Serbiens in Kiew anerkannt werden oder ob Selenskijs Regime das alles durch das Prisma der Beziehungen Serbiens zu Moskau bewerten wird, ist eine Frage, auf die wir so schnell keine Antwort bekommen werden.
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