Von Marcel Salichow
Der US-Dollar ist seit langem die dominierende Währung der Welt. Sein Einsatz bei internationalen Transaktionen übersteigt seit vielen Jahrzehnten den US-amerikanischen Anteil an der Weltwirtschaft bei weitem, der mittlerweile bei rund 24 Prozent liegt. Beispielsweise machte der Dollar Ende 2002 laut IWF 58,4 Prozent der internationalen Währungsreserven der Zentralbanken aus. Im April 2023 betrug laut SWIFT der Anteil des US-Dollars an den Interbanküberweisungen 59,7 Prozent, also deutlich mehr als ein Jahr zuvor.
Mehrere Faktoren tragen zur aktiven Verwendung des US-Dollars bei: Die Größe der US-amerikanischen Wirtschaft, mit dem größten und liquidesten Markt für Finanzinstrumente – einschließlich jener, die zuverlässig sind –, der politische Einfluss Washingtons und die Rolle multinationaler US-Unternehmen auf den globalen Märkten. All diese Aspekte wirken zusammen und unterstützen einander. Es sei auch daran erinnert, dass die globale Finanzkrise von 2008 bis 2009, die ihren Ursprung in der US-Finanzwirtschaft selbst hatte, weltweit keinen Einfluss auf die Position des Dollars hatte.
Die westlichen Länder haben im Zuge des Ukraine-Krieges die Dollar-Reserven der Bank von Russland eingefroren und umfangreiche Finanzsanktionen gegen russische Banken und Unternehmen verhängt. Das hat viele zu der Frage veranlasst, ob die angeblichen Vorteile des Dollars als dominierende Währung nicht in Wahrheit Nachteile sind. Die nicht wirtschaftlichen Risiken von Transaktionen und Anlagen in US-Dollar sind allen, insbesondere den Zentralbanken, klar geworden. Artikel 21 des UN-Übereinkommens aus dem Jahr 2004, über die Immunität von Staaten und ihres Eigentums vor einer Gerichtsbarkeit, garantiert Immunität für die Vermögen der Zentralbanken. Dies schützte die Vermögenswerte der Bank von Russland jedoch nicht vor dem Einfrieren, was in der Tat einen Präzedenzfall darstellt.
Das Vorgehen Russlands unter diesen Bedingungen war zu erwarten und auch verständlich. Ab Anfang 2023 begann die russische Zentralbank, Geschäfte in chinesischen Yuan abzuwickeln. Russische Unternehmen strukturierten ihre Außenhandelsaktivitäten und die Art und Weise, wie sie Auslandsvermögen anhäufen, um und griffen auf die Verwendung der Währungen “befreundeter” Staaten zurück – im Wesentlichen bedeutete dies auf die Währungen nicht-westlicher Staaten.
Gleichzeitig deuten die aktuellen Daten nicht auf eine massive Abkehr der Zentralbanken von der Verwendung des US-Dollars hin. Der Anteil der US-Währung an den internationalen Reserven ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig zurückgegangen, allerdings in einem relativ langsamen Tempo. Während zu Beginn der 2000er Jahre rund 70 Prozent der weltweiten Zentralbankreserven in US-Dollar gehalten wurden, sank dieser Wert bis 2020 auf weniger als 60 Prozent. Im Jahr 2022 kam es indes zu keinem radikalen Rückgang bei den Dollarreserven: Der Anteil des US-Dollars an den Reserven sank um lediglich 0,44 Prozentpunkte, während seine Verwendung bei Interbanküberweisungen tatsächlich zunahm. Der Hauptgrund dafür ist trotz offensichtlich gestiegener politischer Risiken der Mangel an ernsthaften Alternativen, die erhebliche Beträge an den Rücklagen der Zentralbanken absorbieren können.
Gibt es Alternativen zum Dollar?
Die traditionelle Rolle von Devisenreserven besteht sowohl für private Akteure als auch für Regierungen darin, finanzielle Stabilität zu gewährleisten und Risiken zu diversifizieren. Zentralbankreserven sind eines der Instrumente, die diesem Zweck dienen. Sie sind hochliquide und können bei Bedarf schnell für Währungsinterventionen eingesetzt werden. Der Nachteil ist die hohe Anfälligkeit solcher Vermögenswerte im Hinblick auf Sanktionen und geringe Zinserträge.
Der Markt für Staatsanleihen der Eurozone ist in einzelne Länder fragmentiert, von denen viele eine niedrige Bonität aufweisen. Der chinesische Yuan ist wiederum keine frei konvertierbare Währung. Er ist in interne (Onshore) und externe (Offshore) Segmente unterteilt und steht unter der strengen Kontrolle der Nationalbank von China. Der Vermögenswert Gold kann in Krisenzeiten zwar eine gute Absicherung sein, erwirtschaftet jedoch keine Zinserträge und weist zudem eine geringe Liquidität auf. Daher ist es für Zentralbanken in Entwicklungsländern alles andere als offensichtlich, welche Vermögenswerte – und in welcher Währung – eine Alternative zu den in US-Dollar gehaltenen Vermögenswerten sein könnten.
Vermögen nicht nur in Gold und Devisenreserven anlegen
Ein wichtigerer Faktor als der bloße nominale Anteil des US-Dollars an den internationalen Reserven ist der veränderte Ansatz bei der Verwaltung und Anhäufung ausländischer Vermögenswerte. Daten des IWF zeigen auf, dass der Gesamtwert der Zentralbankreserven im vergangenen Jahrzehnt praktisch unverändert bei rund zwölf Billionen US-Dollar verblieb, obwohl die Weltwirtschaft gewachsen ist. Chinas Devisenreserven erreichten 2014 mit vier Billionen US-Dollar ihren Höhepunkt und sind seitdem rückläufig. Der aktuelle Wert beträgt 3,2 Billionen US-Dollar, 20 Prozent weniger als noch 2014. Zahlreiche Entwicklungsländer erhöhen ihre internationalen Reserven ebenfalls nicht, oder reduzieren sie sogar.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass keine externen Vermögenswerte geschaffen werden. Sie können in alternativer Form gebildet werden, beispielsweise als Vermögenswerte von Staatsfonds, Staatsbanken, Entwicklungsinstitutionen und anderen Strukturen, die nicht direkt mit Zentralbanken verbunden sind. Auch ausländische Direktinvestitionen staatlicher Stellen können als eine Art Reservevermögen eingestuft werden. Ziel einer solchen Strategie ist nicht die Maximierung der Verfügbarkeit und Liquidität von Vermögenswerten, sondern die Sicherung der eigenen wirtschaftlichen Interessen auf ausländischen Märkten. In gewisser Weise bietet dies einen besseren Schutz vor den politischen Risiken durch Sanktionen und Einfrieren von Vermögenswerten, da deren rechtlicher Status weniger transparent ist.
Chinas Strategie
Eine in diese Richtung gehende Strategie verfolgt China, das seine Währung schrittweise internationalisieren will. Formal ist der Anteil des Yuan an den internationalen Reserven der Zentralbanken gering und beträgt nicht mehr als drei Prozent. Darüber hinaus wird zwischen einem Drittel und der Hälfte dieses Bedarfs von der Bank von Russland gedeckt.
Chinas Strategie besteht folglich darin, den internationalen Status des Yuan durch Handel und nicht durch Investitionen zu sichern. In den vergangenen Jahren hat China aktiv versucht, seine Partner zum Handel in Yuan statt in anderen Währungen zu motivieren und zu ermutigen. Dies geschieht auf verschiedene Weise, einschließlich der Entwicklung einer eigenen Infrastruktur, analog dem SWIFT-System, der Implementierung eines Clearings, der internationalen Kreditvergabe in Yuan und so weiter. Viele sind bereits dem Begriff “Petroyuan” begegnet – dem Pendant zum Petrodollar. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die Unterzeichnung langfristiger Verträge über die Lieferung von Öl in Yuan, als Gegenleistung für einen Fluss von Waren und Ausrüstung. Der Handel wird also bereits in Yuan statt in US-Dollar abgewickelt. Dadurch entsteht eine Nachfrage außerhalb der chinesischen Wirtschaft, während gleichzeitig die chinesischen Behörden ihre Beschränkungen für Kapitaltransaktionen aufrechterhalten.
Kurzum, die Entdollarisierung des globalen Finanzsystems wird weitergehen. Dies wird insbesondere durch Fortschritte in der Finanztechnologie erleichtert werden. Die Entwicklung automatisierter Handelsplattformen wird die Kosten für den Umtausch einer Währung in eine andere senken. Viele Zentralbanken werden versuchen, die Währungen anderer Länder direkt abzuwickeln, ohne dabei die Währungen westlicher Länder zu verwenden. Zukünftig könnten die digitalen Währungen der Zentralbanken auch für internationale Transaktionen genutzt werden, was die Kosten für die Wirtschaftsakteure senken würde. Allerdings wird dieser Prozess langsam vonstattengehen, und wir sollten in absehbarer Zeit nicht mit einer grundlegenden Veränderung des globalen Finanzsystems rechnen.
Aus dem Englischen
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Marcel Salichow ist Direktor des Zentrums für ökonomische Expertise an der Höheren Schule für School of Ökonomie in Moskau.