Die Angriffe, die US-Vizepräsident J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz gegen die EU-Länder gerichtet hatte, seien zwar “übergriffig” – wozu die deutsche Bundesregierung “mit ihrem Duckmäusertum” geradezu eingeladen habe –, aber “es findet sich in der Rede von Vance auch Bedenkenswertes”. Dies sagte Sevim Dağdelen, die außenpolitische Sprecherin des BSW, im Interview mit der Berliner Zeitung.
So seien die Annullierung der rumänischen Präsidentschaftswahlen und die Aussage des ehemaligen EU-Kommissars Thierry Breton, man könne, falls nötig, auch mit Deutschland so umgehen, laut Dağdelen “eine Gefahr für die Demokratie und die Meinungsfreiheit in Europa”. Der Meinungskorridor habe sich extrem verengt.
Sevim Dağdelen (49) wurde im Jahr 2005 erstmals für die Linke in den Bundestag gewählt. Im Oktober 2023 war sie eine der zehn Abgeordneten der Linken, die aus der Partei austraten, um das BSW zu gründen.
In Bezug auf die Ukraine kritisierte sie, “die Politiker [hätten] in ihrem Kriegsrausch den Verstand verloren”, wollten den Krieg bei einem Rückzug der USA “allein als Europäer weiterführen” und bastelten nun “an einer neuen Dolchstoßlegende. Nach dem Motto: Die USA sind schuld an der Niederlage der Ukraine im NATO-Stellvertreterkrieg gegen Russland, weil sie jetzt auf Friedensverhandlungen setzen.”
Alles sei besser als “die Fortsetzung dieses sinnlosen Abnutzungskriegs”. Dass die USA jetzt die Realitäten anerkennen und keine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine mehr sähen, dürfe aber nicht bedeuten, dass “Trump uns Europäern die Rolle des Zahlmeisters zudenkt”.
Das Sterben in der Ukraine müsse in jedem Fall enden – auch aus deutschem Eigeninteresse:
“Die Sanktionen haben Deutschland ruiniert. Nach neuesten Prognosen wird die Wirtschaft 2025 das dritte Rezessionsjahr in Folge erleben. Diese Politik der Selbstzerstörung muss beendet werden.”
Dieselben, die sich den USA unter der Biden-Regierung bedingungslos unterworfen hätten, würden jetzt meinen, “erst Russland, dann China und am Ende noch die USA und Indien angehen zu müssen”.
Tatsächlich sei eine “eigenständige, souveräne Außenpolitik” für Europa notwendig:
“In einer multipolaren Welt ist es wichtig, einen eigenen, unabhängigen und souveränen europäischen Pol zu bilden und nicht zwischen den Großmächten zerrieben zu werden.”
Gerade die “willfährigsten Transatlantiker” meinten jetzt, “es auch noch mit den USA aufnehmen zu wollen”.
“Wir brauchen eigentlich mehr De Gaulle und weniger Macron für Europa, das heißt eine Politik, die souveränistisch ist, die also zum Beispiel keine amerikanischen Mittelstreckenraketen auf europäischem Boden akzeptiert, die uns zur Zielscheibe machen. Was wir brauchen, ist ein wehrhaftes, soziales und souveränes Europa, das gute Beziehungen zu allen Großmächten pflegt.”
Mit Trumps Einsicht, dass die Ausdehnung der NATO in die Ukraine der Auslöser des Konflikts ist, “wenn also die Ursache dieses Konflikts geregelt wird”, dann wäre ein Frieden erreichbar; das frühere finnische Modell wäre eine denkbare Lösung.
Allerdings glaubt Dağdelen, dass die deutsche Politik weniger ein Teil einer Lösung, sondern eher des Problems ist.
“Ich fürchte nur, dass die derzeitige deutsche Diplomatie gar nichts zu derartigen Lösungen beitragen kann, sondern im Grunde auf die Vorbereitung einer militärischen Revanche gegen die Atommacht Russland setzt. Das wäre fatal und würde einen großen Krieg in Europa bedeuten, der für Deutschland und die Menschen hier existenzgefährdend wäre.”
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