Während eines Gesprächs mit Journalisten am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos am Mittwoch hat der Präsident der Ukraine, Wladimir Selenskij, Einzelheiten zu den gescheiterten Verhandlungen zu Beginn des Konflikts mit Russland bekannt gegeben. Ihm zufolge brachte ihm Ende Februar und Anfang März 2022 “irgendjemand aus der Ukraine einige Papiere” und vermittelte ein “Ultimatum” vom russischen Präsidenten Wladimir Putin. Demnach hätte Selenskij das Präsidentenamt zugunsten des prorussischen Politikers Wiktor Medwedtschuk niederlegen sollen.
Weitere Bedingungen sollen gelautet haben: den gesamten Donbass als Teil Russlands anzuerkennen, den offiziellen Status der russischen Sprache festzulegen, die Neutralität der Ukraine zu bestätigen und die Personalstärke der Streitkräfte auf 50.000 Mann zu verringern. Außerdem hätte die Ukraine alle Waffen, einschließlich Artilleriewaffen mit einer Reichweite von bis zu 20 Kilometern, aufgeben oder vernichten sollen. Selenskij sagte, er habe die Vermittler “verdammt”. Daraufhin wollte auch Weißrussland Verhandlungen organisieren, habe aber zugleich ein Ultimatum vorgestellt, fügte Selenskij hinzu.
Ferner berichtete Selenskij über das Treffen in Istanbul, zu dem ihn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan gebeten habe. Das Nachrichtenportal Strana.ua zitiert den Politiker wie folgt:
“Ich sagte: ‘Gut, wenn Sie möchten, lassen Sie sie reden.’ Sie kamen dann erneut und stellten ein weiteres Ultimatum. Deshalb können wir nicht sagen, dass wir irgendwelche Verhandlungen hatten, weil es jedesmal Ultimaten von Putin waren.”
Im November 2023 hatte David Arachamija, ein Abgeordneter der Werchowna Rada und Unterhändler der Ukraine bei dem Treffen in Istanbul, erklärt, dass ein Abkommen im Frühling 2022 fast fertig war. Der entscheidende Punkt sei für Russland die Neutralität der Ukraine gewesen. Kiew sei jedoch aus dem Deal ausgetreten, nachdem der ehemalige britische Premier Boris Johnson die Fortsetzung des Krieges empfohlen habe. Vermutlich wurden die Verhandlungen in Istanbul Ende April oder Anfang Mai 2022 gestoppt.
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