Es ist ein Fall, der selbst erfahrene Ermittler überfordert hat. In einem unauffälligen Wohnhaus im Kanton Bern nahm ein Menschenhandelsfall seinen Anfang, der heute als einer der grössten seiner Art in der Schweiz gilt. Insgesamt 146 Frauen, fast alle aus China, wurden über Jahre hinweg isoliert, entrechtet und zur Prostitution gezwungen. Sie lebten unter vollständiger Kontrolle, ohne reale Möglichkeit zu Flucht oder Gegenwehr.
Der Fall wurde im Sommer 2021 durch einen Zufallsfund ins Rollen gebracht. Die Ermittlungen entwickelten sich rasch zu einer verdeckten Operation mit internationaler Dimension. Die Frauen waren in chinesischen Onlineforen mit falschen Versprechen angeworben und mithilfe von Visabeschaffungen in die Schweiz gebracht worden. Dort wurden sie systematisch ausgebeutet.
Die Täter organisierten Unterkünfte, bestimmten die Preise für sexuelle Dienstleistungen und kassierten die Hälfte der Einnahmen. Die andere Hälfte diente der Schuldentilgung sowie dem Lebensunterhalt. Viele Betroffene schwiegen – aus Angst, aber auch, weil sie auf den Verdienst zur Unterstützung ihrer Familien in der Heimat angewiesen waren. Von Freiwilligkeit konnte keine Rede sein.
Der Fall zeigt, wie gut die Täter organisiert waren. Und er macht deutlich: Die Schweiz hat Probleme bei der Strafverfolgung. Besonders der Austausch zwischen den Kantonen läuft schlecht. Teilweise war die Zusammenarbeit mit dem Ausland einfacher. Die Polizei ermittelte über zwei Jahre lang. Sie durchsuchte Inserate, Chatnachrichten und Telefonverbindungen.
Im Mai 2022 erfolgten koordinierte Razzien in sechs Kantonen. Drei Männer und zwei Frauen im Alter zwischen 27 und 50 Jahren wurden festgenommen. Die Anklage steht bevor; das Verfahren wird vor einem Fünfergericht mit unbegrenztem Strafrahmen geführt. Wer hinter dem Netzwerk steht, ist offiziell weiterhin unklar. Die mutmasslichen Haupttäter befinden sich inzwischen wieder auf freiem Fuss – ein Umstand, der bei Fachstellen für Menschenhandel auf Unverständnis stösst.
Obwohl das Ausmass beispiellos ist, haben sich nur zwei Betroffene dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen. Die Mehrheit ist entweder in die Herkunftsländer zurückgekehrt oder hat sich nicht als Opfer zu erkennen gegeben. Das schweizerische Strafgesetzbuch erschwert die juristische Verfolgung zusätzlich: Der Tatbestand Menschenhandel ist vage formuliert und lässt viel Spielraum für juristische Auslegung, was die Durchsetzung erheblich behindert.
Die Behörden verlangen jetzt klare Schritte von der Politik. Die Gesetze sollen genauer gefasst werden. Wichtig ist auch: Die Kantone müssen Daten einfacher austauschen können. Solange Opfer schweigen und Täter in Ruhe ihre Netzwerke aufbauen, bleibt Menschenhandel in der Schweiz ein verstecktes, aber weit verbreitetes Problem.
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