Von Tamara Ryzhenkowa
Um seine Wirtschaftskrise zu überwinden, die durch einen Mangel an harter Währung verschärft wird, war Ägypten gezwungen, einige unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen, um ausländische Investitionen in nationale Entwicklungsprojekte anzuziehen. In den letzten Monaten ist die Situation besonders gefährlich geworden, da für Ägypten die Gefahr besteht, einen Teil seines Territoriums zu verlieren.
Nach Angaben einer ägyptischen Regierungsquelle hat Saudi-Arabien vorgeschlagen, das vielversprechende Tourismusgebiet Ras Jamila an der Küste des Roten Meeres zu kaufen und dafür seine Einlagen bei der ägyptischen Zentralbank (CBE) zu verwenden sowie mehrere staatliche ägyptische Unternehmen zu erwerben. Ein Beamter des Ministeriums für den öffentlichen Wirtschaftssektor, das die Verhandlungen über das Geschäft führt, erklärte, Ägypten habe den Vorschlag vorab genehmigt, was dem Land sofortigen Zugang zu Devisen verschaffen werde. Im Februar 2024 unterzeichnete Kairo mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ein ähnliches Abkommen in Höhe von 35 Milliarden US-Dollar über die Entwicklung des Ferienortes Ras El Hekma an der Mittelmeerküste, bei dem ebenfalls elf Milliarden US-Dollar an ausländischen Einlagen bei der CBE eingesetzt werden.
Die Einlagen Saudi-Arabiens bei der CBE belaufen sich auf etwa 10,3 Milliarden US-Dollar. Das Angebot Riads für die Entwicklung Ras Jamilas beinhaltet auch den Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an der ägyptischen Bildungsgesellschaft Sera Education und anderen Unternehmen in den Bereichen Immobilien, Entwicklung, Gesundheitswesen, Energie, Strom, Finanzdienstleistungen und Lebensmittel. Lokalen Medien zufolge sollen diese Geschäfte bald bekannt gegeben werden.
Der Investitionswert von Ras Jamila
Das Gebiet von Ras Jamila ist derzeit ein beliebtes Tauchrevier. Es liegt etwa 11,5 Kilometer vom internationalen Flughafen Scharm asch-Schaich im Gouvernement Südsinai entfernt. Ras Jamila liegt direkt gegenüber den Inseln Tiran und Sanafir im Roten Meer, die Ägypten 2016 im Zuge eines unklaren Grenzabkommens, das in Ägypten große Proteste auslöste, an Saudi-Arabien abtrat.
Die saudischen Investoren wollen dieses Geschäft abschließen, weil Ras Jamila in der Nähe der Inseln Tiran und Sanafir liegt und das Potenzial für die Entwicklung des Tourismus zwischen Scharm asch-Schaich und dem Stadtgebiet Neom bietet, das im Nordwesten Saudi-Arabiens entsteht. Im Februar kündigte der ägyptische Minister für den öffentlichen Wirtschaftssektor Mahmud Esmat Pläne an, das Gebiet Ras Jamila für Investitionen anzubieten. Esmat zufolge hat dieses Gebiet mit einer Fläche von etwa 860.000 Quadratmetern einen großen strategischen Wert.
Der Verkauf von Staatsvermögen
Ägypten ist hoch verschuldet, was vor allem auf die erhöhten Ausgaben des Landes für Megaprojekte wie den Bau der neuen Verwaltungshauptstadt und Waffengeschäfte zurückzuführen ist. Nach Angaben der CBE hat sich die ägyptische Auslandsverschuldung in den letzten zehn Jahren vervierfacht und wird Ende 2024 168 Milliarden Dollar betragen, was 43 Prozent des BIP des Landes entspricht. Allein im letzten Quartal 2023 stiegen die ägyptischen Auslandsschulden um 3,5 Milliarden Dollar.
Infolge der Krise wandte sich die ägyptische Regierung an den Internationalen Währungsfonds (IWF), um Hilfe zu erhalten. Das Land wertete seine Währung um über 35 Prozent ab und erhielt so zusätzliche Kredite vom IWF. Im März 2024 genehmigte der IWF eine Aufstockung des ägyptischen Hilfskredits von drei Milliarden Dollar auf acht Milliarden Dollar. Darüber hinaus empfahl der IWF Ägypten eine straffere Geldpolitik, um die Inflation von fast 30 Prozent zu bekämpfen, einen flexibleren offiziellen Wechselkurs einzuführen, die Ausgaben für große Regierungsprojekte zu kürzen und die Kraftstoffsubventionen zu reduzieren.
Im Bemühen, die Wirtschaftskrise abzumildern, verkauft Ägypten seit 2018 staatliche Vermögenswerte an die Staaten am Persischen Golf. Derselben Regierungsquelle zufolge umfasst das Angebot Saudi-Arabiens auch den Kauf mindestens sechs öffentlicher Unternehmen, darunter die National Co. for Natural Water in Siwa (SAFI) und Wataniya Petroleum, die sich im Besitz des ägyptischen Militärs befinden.
Der Ras-Jamila-Vertrag
Ende Februar 2024 stellte Ägypten Pläne zur Erschließung des Küstengebiets von Ras Jamila vor. In einem Interview mit dem lokalen Fernsehen sagte der Sprecher des öffentlichen Wirtschaftssektors Mansur Abdel Ghani, dass der Ministerrat einen Sonderausschuss gebildet habe, um das Thema zu besprechen. Die Medien gingen sofort davon aus, dass Saudi-Arabien der Investor sein muss, zumal Riad 2018 erklärt hatte, Ägypten habe ihm ein Gebiet im Südsinai zugesagt, das Teil der riesigen Stadt- und Wirtschaftszone Neom werden würde.
Im April unterbreitete die saudi-arabische Ajlan & Bros Holding Group dem ägyptischen Ministerkabinett einen Vorschlag für den Bau von etwa zehn Hotels in der Region Ras Jamila (mit insgesamt etwa 3.000 Hotelzimmern) und versprach Investitionen in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar. Gleichzeitig bemühte sich der saudi-arabische Public Investment Fund (PIF) um eine Vereinbarung mit Ägypten, die ihm das Recht zum Betrieb des Hafens Ras Jamila einräumen sollte. Als der Dialog in eine Sackgasse geriet, weil Kairo verlangte, das Geschäft mit Bargeld zu finanzieren, bot Riad an, seine Einlagen bei der CBE zu verwenden.
Strategischer Plan
Ras Jamila liegt in der Nähe der Inseln Tiran und Sanafir im Roten Meer, die Ägypten 2016 im Rahmen eines vom ägyptischen Parlament gebilligten Abkommens an Saudi-Arabien abgetreten hat. Es befindet sich auch in der Nähe des Standorts der künftigen Brücke über das Rote Meer – dieses Projekt wurde vom saudischen König Salman bin Abdulaziz Al Saud bei einem Besuch in Kairo im selben Jahr angekündigt.
Die Ägypter sind sehr besorgt über diese Situation und glauben, dass Saudi-Arabien mit seinen Investitionen in die Entwicklung des ägyptischen Hafens Ras Jamila versucht, die vollständige Kontrolle über die Straße von Tiran zu erlangen – die einzige Durchfahrt vom Golf von Akaba zum Roten Meer. Lokale Experten schreiben seit einigen Monaten darüber.
Ein Blick auf die Karte zeigt, dass solche Annahmen durchaus logisch sind. Ras Jamila liegt neben dem Ferienort Scharm asch-Schaich und nördlich von dessen Flughafen. Es ist der nächstgelegene Punkt zur Insel Tiran, die Ägypten zusammen mit der zweiten Insel, Sanafir, gemäß dem Abkommen über die Demarkation der Seegrenzen vom 8. April 2016 an Saudi-Arabien abgetreten hat.
Die beiden Inseln – die einer Beduinenlegende zufolge nach der Prinzessin Sanafir und einem armen jungen Mann namens Tiran benannt wurden, die dort getrennt und gefangen gehalten wurden – liegen 40 Kilometer von Scharm asch-Schaich entfernt. Die Schifffahrt in der Straße von Tiran ist nur durch den Korridor zwischen Tiran und Scharm asch-Schaich möglich, während andere Routen aufgrund der geringen Wassertiefe ungeeignet sind. Die Fläche von Tiran beträgt 80 Quadratkilometer, die der Insel Sanafir 33 Quadratkilometer. In der Antike war Tiran das Zentrum des Handels zwischen Indien und Südwestasien und eine byzantinische Station zur Erhebung von Zöllen. Heute ziehen die Inseln, die für ihr klares Wasser und ihre unglaublichen Korallenriffe berühmt sind, Tauchbegeisterte an.
Tiran und Sanafir als Teil Ägyptens
Die Souveränität Ägyptens über die Inseln wurde erstmals in der Londoner Konvention von 1840 besiegelt, die nach der europäischen Intervention im Krieg zwischen dem ägyptischen Herrscher Muhammad Ali Pascha und dem Osmanischen Reich unterzeichnet wurde. Im Laufe des Krieges hatte Muhammad Ali die Kontrolle über ganz Syrien und einen Teil der arabischen Halbinsel erlangt und die Anerkennung der ägyptischen Souveränität gefordert. Zu diesem Zeitpunkt konnte das schwächelnde Osmanische Reich die ehrgeizigen Pläne des Paschas nicht aufhalten, sodass Großbritannien, Russland, Frankreich, Österreich und Preußen gezwungen waren, in den Krieg einzugreifen. Mithilfe der europäischen Mächte wurde ein Friedensvertrag geschlossen, in dem Muhammad Ali lediglich die Kontrolle über Ägypten und die Inseln Tiran und Sanafir behielt.
Im Jahr 1906 wurden die Inseln im Rahmen des britisch-türkischen Abkommens als Teil Ägyptens anerkannt, wodurch Ägypten zu einem britischen Protektorat wurde. In den 1930er-Jahren meldete jedoch das neu gegründete Königreich Saudi-Arabien Ansprüche auf diese Inseln an, die angeblich zum Königreich Hedschas gehörten. Während der Suezkrise 1956, als französische, britische und israelische Truppen als Reaktion auf die Entscheidung des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser, den Suezkanal zu verstaatlichen, auf der Sinai-Halbinsel landeten, wurden die Inseln vorübergehend vom israelischen Militär besetzt. Nach dem Eingreifen der UdSSR wurde der Konflikt beendet, und im November 1956 wurden die Inseln an Ägypten zurückgegeben. Infolge des Sechstagekrieges von 1967 gerieten Tiran und Sanafir erneut unter israelische Kontrolle und wurden erst 1982 an Kairo zurückgegeben. Gemäß den Camp-David-Vereinbarungen von 1978/79, die den Frieden zwischen Ägypten und Israel begründeten, wurden die Inseln Teil der sogenannten Zone C, in der internationale Friedenstruppen stationiert werden sollten.
Im Jahr 2010 nahmen Ägypten und Saudi-Arabien Verhandlungen über die Abgrenzung der Hoheitsgewässer und den Status der Inseln auf. Im Jahr 2016 wurde ein Abkommen über die Übergabe der Inseln an Riad unterzeichnet. Gleichzeitig wurde ein weiteres Abkommen über den Bau einer 50 Kilometer langen Brücke über das Rote Meer unterzeichnet, die den ägyptischen Ferienort Scharm asch-Schaich, die Insel Tiran und Ras Alsheikh Hamid in Saudi-Arabien verbinden soll. Die Unterzeichnung dieses Dokuments war Teil des Entwicklungsprojekts für die Sinai-Halbinsel, für das Riad 1,7 Milliarden Dollar bereitgestellt hat.
Die Entscheidung, die Inseln an Saudi-Arabien abzutreten, löste in Ägypten gewalttätige Proteste aus, gegen die sich sowohl die Zivilbevölkerung als auch die Justiz des Landes wehrte. Im ganzen Land kam es zu Massenprotesten, die von der Polizei niedergeschlagen wurden. Am 21. Juni 2016 erklärte das Oberste Verwaltungsgericht dieses Abkommen für ungültig, da es dem Abkommen von 1906 zuwiderlaufe und gegen staatliche Vorschriften verstoße. Die Regierung legte Berufung ein, die am 8. November 2016 abgewiesen wurde.
Am 2. April 2017 erkannte das Kairoer Gericht für dringende Fälle jedoch die Rechtmäßigkeit des Abkommens zwischen Ägypten und Saudi-Arabien an, und die Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts wurde für ungültig erklärt. Am 13. Juni 2017 wurde das Abkommen über die Übergabe der Inseln vom ägyptischen Parlament gebilligt und 2018 vom Obersten Gerichtshof ratifiziert.
Die Rolle Israels
Für Israel wurde die Abtretung der Inseln zu einem Druckmittel gegenüber Saudi-Arabien, einem Land, mit dem Israel eine Normalisierung der diplomatischen Beziehungen anstrebt. Der Deal bedurfte der Zustimmung Tel Avivs, da das Camp-David-Abkommen die Entmilitarisierung der beiden Inseln und die Anwesenheit multinationaler Friedenstruppen unter Führung der USA auf dem Gebiet der Inseln vorsieht.
Israel gab die Erlaubnis, die beiden Inseln an Saudi-Arabien zu übertragen, aber die Frage des Abzugs der Friedenstruppen, auf die Riad bestand, führte zu Verhandlungen zwischen Israel, Saudi-Arabien und Ägypten, die von den USA vermittelt wurden. Im Sommer 2022 schlossen die Parteien ein Abkommen, wonach multinationale Friedenstruppen, darunter auch US-Soldaten, in das nächstgelegene Gebiet auf der Sinai-Halbinsel verlegt werden sollten, von wo aus sie die Lage mit Hilfe eines CCTV-Kamerasystems (Closed-Circuit Television) aus der Ferne überwachen können.
Als Teil des Abkommens erklärte sich Saudi-Arabien auch bereit, israelischen Flugzeugen auf dem Weg nach Indien und China die Durchquerung seines Luftraums zu gestatten. Riad versprach außerdem, die Möglichkeit zu erörtern, muslimische Pilger von Israel nach Dschidda zu befördern. Die Angelegenheit zwang Washington, mit Oman zu verhandeln, denn wenn dieser israelische Flugzeuge nicht durch seinen Luftraum fliegen ließe, wäre das Abkommen mit Saudi-Arabien nutzlos gewesen. Im Februar 2023 gab Oman schließlich die Erlaubnis, seinen Luftraum zu durchfliegen.
Im Dezember 2022 setzte Ägypten das trilaterale Abkommen unerwartet aus und äußerte Bedenken hinsichtlich einiger Punkte des Abkommens. Dabei handelte es sich hauptsächlich um technische Fragen wie die Installation von Videoüberwachungskameras auf den Inseln. Infolgedessen wurden die Friedenstruppen noch nicht abgezogen, und der Prozess der Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zwischen Riad und Tel Aviv ist aufgrund des im Oktober 2023 unerwartet ausgebrochenen Gaza-Krieges ins Stocken geraten.
Dennoch hat Saudi-Arabien im vergangenen Jahr eine aktualisierte offizielle Karte des Königreichs veröffentlicht, in der die Inseln Tiran und Sanafir mit nur geringfügigen Änderungen der Namen enthalten sind. Die saudi-arabische Generalbehörde für Vermessung und Geoinformation forderte alle staatlichen Stellen auf, sich auf diese Karte zu beziehen. Die einzige ungelöste Frage betrifft derzeit die Präsenz internationaler Friedenstruppen auf den Inseln. Sobald eine Lösung gefunden ist, werden sich die UN-Friedenstruppen auf den “nächstgelegenen Punkt” auf der Sinai-Halbinsel zurückziehen, bei dem es sich in Wirklichkeit um das “künftige Luxusresort” Ras Jamila handelt.
Tamara Ryzhenkova ist Orientalistin, Dozentin am Institut für Geschichte des Nahen Ostens der Staatlichen Universität St. Petersburg und Expertin für den Telegram-Kanal “Arabisches Afrika”.
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