
Von Olga Samofalowa
Der Preis für die führende russische Erdölsorte Urals ist auf 34 US-Dollar pro Barrel gefallen. Selbst im Jahr 2020, als die Welt von einer Pandemie heimgesucht wurde, lag der Jahresdurchschnittspreis bei 42 US-Dollar pro Barrel.
So kostete russisches Öl am 19. Dezember an der Ostsee (Primorsk) 34,82 US-Dollar pro Barrel und am Schwarzen Meer (Noworossijsk) 33,17 US-Dollar pro Barrel, schreibt die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Daten von Argus Media. Der Preis für Brent-Öl lag bei 61 US-Dollar pro Barrel.
Interessanterweise ist der Preisnachlass am Versandort höher als im Empfangshafen. Am Exportort betrug der durchschnittliche Preisnachlass, mit dem russisches Öl verkauft wurde, etwa 27 US-Dollar pro Barrel, aber bei der Ankunft in Indien erreicht der durchschnittliche Preisnachlass etwa 7,5 US-Dollar pro Barrel, berichtet Bloomberg.
Haben die US-Sanktionen gegen russisches Rohöl endlich Wirkung gezeigt? Die Sanktionen gegen Rosneft und Lukoil sind nur ein Grund. Igor Juschkow, Experte der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation und des russischen Fonds für nationale Energiesicherheit, erklärt:
“Seit November wird die Vertriebskette aufgrund der Sanktionen umstrukturiert. Jetzt werden mehr Zwischenhändler benötigt, die bezahlt werden müssen, wodurch die Kosten für russische Unternehmen steigen. Der zweite Faktor ist, dass die Ukraine begonnen hat, russische Öltanker anzugreifen. Dies führt ebenfalls zu einem Anstieg der Kosten für Tankerfracht und Versicherung.”
Es gibt jedoch noch einen dritten Faktor: Weltweit ist das Öl billiger geworden. Der Experte hebt hervor:
“Offiziellen Angaben zufolge betrug der Preisnachlass in den Jahren 2024 bis 2025 die meiste Zeit etwa 12 bis 13 US-Dollar pro Charge, im November stieg er jedoch auf durchschnittlich 22,5 US-Dollar. Im Dezember wurde er offenbar noch größer, als die Angriffe auf russische Tanker begannen. Wenn Brent 61 US-Dollar und russisches Urals 34 US-Dollar kostet, ergibt sich daraus ein Rabatt von 27 US-Dollar pro Barrel.”
Tatsächlich ist dies jedoch nicht der höchste Preisnachlass für russisches Öl. In der ersten Welle der Umstrukturierung der Logistik, als Russland gerade vom europäischen Ölmarkt auf den indischen Markt wechselte, betrug der Rabatt mehr als 30 US-Dollar pro Barrel und erreichte sogar 34 US-Dollar, erinnert sich Juschkow. Der einzige Unterschied zur aktuellen Situation besteht darin, dass damals Erdöl insgesamt teurer war. Aber heute ist sogar Rohöl der Marke Brent billig und fiel kürzlich unter 60 US-Dollar pro Barrel. Deshalb führe bereits ein vergleichsweise moderater Rabatt auf russisches Öl dazu, dass es unter 40 US-Dollar pro Barrel gehandelt wird.
Es ist wichtig zu verstehen, dass 42 US-Dollar pro Barrel im Jahr 2020 der Durchschnittspreis für das gesamte Jahr ist, während wir jetzt über die Spotpreise für Urals an einem bestimmten Tag und nicht für das gesamte Jahr sprechen. Darüber hinaus gilt ein derart hoher Rabatt nicht für das gesamte russische Öl. Das Öl, das durch die Ostsibirien-Pazifik-Pipeline gepumpt wird, ist beispielsweise von dieser Entwicklung überhaupt nicht betroffen. Mit einem Preisnachlass kann ein Drittel des maritimen Exportpotenzials verkauft werden, also etwa 1,4 Millionen Barrel pro Tag, schätzt Wladimir Tschernow, Analyst bei Freedom Finance Global, anhand indirekter Berechnungen.
Was den Unterschied zwischen dem Preisnachlass im Abfahrtshafen (27 US-Dollar) und im Empfangshafen (7,5 US-Dollar) angeht, so sei dies nichts Ungewöhnliches. Der Analyst erklärt:
“Ein Rabatt von 27 US-Dollar bedeutet nicht, dass er vollständig an den Käufer geht. In diesen 27 US-Dollar sind die Kosten für den Transport des Öls, die Versicherung, die Dienstleistungen der Händler und alles andere enthalten. Daher ist der Preisnachlass im Abgangshafen in Wirklichkeit nicht so groß.
Wer verdient an der Differenz zwischen 27 und 7,5 US-Dollar? In erster Linie diejenigen, die den Transport und das Risiko kontrollieren – das sind die Flottenbesitzer und Betreiber ‘grauer’ Transporte, Händler, Versicherungs- und Finanzvermittler sowie der Käufer, der die Rohstoffe billiger als die Alternativen erhält.
Bloomberg hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nicht ganz klar ist, welcher Anteil der Transportkosten ‘in den Händen Russlands’ bleibt.”
Diese ganze Situation führe laut Juschkow eher zu Problemen für den Staat als für die Ölgesellschaften selbst. Denn wenn der Ölpreis sinkt, verringert sich automatisch die Höhe der Mineralgewinnungssteuer, und der Haushalt nimmt weniger ein als geplant. Tschernow sagt:
“Für den Haushalt sind 34 US-Dollar pro Barrel im Hafen wirklich sehr wenig im Vergleich zu den für den Haushalt geplanten Preisen. In der Haushaltsgrundlage für das Jahr 2026 ging das Finanzministerium von einem Durchschnittspreis für Urals von etwa 59 US-Dollar aus, daher wird es nicht möglich sein, ohne Verluste bei den Öl- und Gaseinnahmen auszukommen. Reuters rechnet mit einem Rückgang der Einnahmen aus Ölsteuern im Januar 2026 auf 380 Milliarden Rubel, dem niedrigsten Stand seit dem Jahr 2022.”
Auch der US-Dollarkurs ist in diesem Zusammenhang wichtig. Für die Ölproduzenten ist die Situation ebenfalls unangenehm, aber fast die gesamte russische Förderung bleibt bei 34 US-Dollar pro Barrel rentabel, meint Juschkow. Die Förderung in Russland erfolgt hauptsächlich in klassischen Lagerstätten, in die bereits zuvor investiert wurde und in denen die Bohrlöcher bereits gebohrt sind, sodass die Förderung bei einem deutlichen Preisrückgang nicht eingestellt wird. Tschernow erklärt:
“Die Kosten für die Ölförderung ‘im Boden’ sind in Russland niedrig. Nach Schätzungen des russischen Energieministeriums kann die Förderung aus ausgereiften Lagerstätten nur wenige US-Dollar pro Barrel kosten, aus neuen Lagerstätten jedoch mehr. Der Preis eines ‘vollständigen Zyklus’ unter Berücksichtigung aller Kosten und Besonderheiten der Felder lag jedoch in einem breiten Korridor von etwa 15 bis 45 US-Dollar pro Barrel. Daher ist es physisch möglich, Erdöl zu einem Preis von 34 US-Dollar zu verkaufen. Die Wirtschaftlichkeit wird für einen Teil der Projekte jedoch grenzwertig, insbesondere bei langen Logistikketten und höherer Steuerbelastung. In solchen Momenten stellen Unternehmen jedoch häufig die Förderung nicht ein, sondern verteilen die Ströme neu, gewähren einen zusätzlichen Rabatt und nehmen einen geringeren Cashflow in Kauf, nur um den Export und die Auslastung der Verarbeitung aufrechtzuerhalten.”
Experten sind sich sicher, dass ein so großer Preisnachlass auf einen Teil des russischen Öls nur ein vorübergehendes Phänomen sei. Juschkow zeigt sich überzeugt:
“Früher gab es in bestimmten Zeiträumen Rabatte von mehr als 30 US-Dollar pro Barrel, aber jedes Mal veränderte sich der Markt innerhalb weniger Monate und der Rabatt sank. Früher sorgten nur Sanktionen für Spannungen, jetzt kommen noch die physische Bedrohung von Tankern durch die Ukraine und der allgemeine Rückgang der Ölpreise auf dem Weltmarkt hinzu. Sobald sich der Markt an die neuen Bedingungen gewöhnt und sich daran angepasst hat, wird der Preisnachlass zurückgehen.”
Tschernow rechnet allerdings nicht mit einer schnellen Rückkehr zu den früheren Rabatten. Er meint:
“Mein Basisszenario für das Jahr 2026 sieht so aus, dass der Rabatt in den Häfen in der ersten Jahreshälfte zweistellig und erhöht bleiben könnte, etwa im Bereich von 15 bis 25 US-Dollar gegenüber Brent, da das Sanktionsrisiko von Logistikunternehmen und Banken noch ‘überbewertet’ wird. Gegen Ende des zweiten Halbjahrs 2026 könnte sich der Preisnachlass bei einer Anpassung der Routen und ohne neuen Druck auf den Transport auf 10 bis 15 US-Dollar pro Barrel verringern. Ein negatives Szenario wäre, wenn die Kontrolle über die Flotte und die Abrechnungen verstärkt würde, was zu einem länger anhaltenden Preisnachlass von etwa 20 bis 30 US-Dollar führen würde.”
Im optimistischen Fall, wenn der Markt stabile Strukturen finde und die Nachfrage in Asien stabil hoch bleibe, werde es zu einer Rückkehr zu Rabatten in Höhe von 7 bis 12 US-Dollar kommen.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 24. Dezember 2025 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.
Olga Samofalowa ist Wirtschaftsanalystin bei der Zeitung “Wsgljad”.
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