Frankreichs Nationalversammlung hat eine Resolution über die Aufnahme des privaten Militärunternehmens Wagner in die EU-Liste von Terrororganisationen einstimmig angenommen.
Wie die Zeitung Le Figaro berichtet, seien “Ausschreitungen in der Ukraine und Afrika” der Anlass für diese Entscheidung gewesen. Der Initiator der Abstimmung und Abgeordnete der Präsidentenpartei Renaissance Benjamin Haddad sprach von angeblichen “zahlreichen Rechtsverletzungen” in Bezug auf die Zivilbevölkerung der Ukraine, wobei einige davon ihm zufolge als “Kriegsverbrechen” eingestuft werden könnten.
“Es geht darum, ein politisches, symbolisches Signal zu senden, dass wir das private Militärunternehmen Wagner und seine Handlungsweisen nicht akzeptieren und für eine Form des Terrorismus halten”, behauptete Haddad. Er verwies außerdem auf Angaben des deutschen Nachrichtendiensts, wonach Wagner-Kämpfer an Folter und Massenhinrichtungen teilnahmen, “deren Opfer die Zivilbevölkerung des ukrainischen Butscha wurde”.
Frankreichs Außenministerin Catherine Colonna begrüßte die Entscheidung der Abgeordneten. Auch wenn die Eintragung der Wagner-Gruppe in die Liste der Terrororganisationen aus “strikt juristischer Perspektive” möglicherweise keinen unmittelbaren Effekt haben werde, solle “weder die symbolische Bedeutung dieser Bestimmung noch ihr möglicher Einfluss auf Staaten, die eine Inanspruchnahme der Hilfe der Wagner-Gruppe erwägen” unterschätzt werden.
Somit ist eines der Ziele der Resolution durchaus offen verkündet: Durch eine Erklärung der Wagner-Gruppe zu Terroristen soll erreicht werden, dass andere mit ihr nichts zu tun haben.
Im März hatte bereits das litauische Parlament eine Resolution verabschiedet, wonach die Wagner-Gruppe eine terroristische Organisation sei. Damals war Frankreich allerdings aus irgendwelchen Gründen nicht geneigt gewesen, das Thema Wagner zu besprechen, und hatte es vorgezogen, den “Holodomor” offiziell zu einem Genozid zu erklären. Dieser sei angeblich von der sowjetischen Regierung in den 1930er-Jahren in der Ukraine vorsätzlich organisiert worden.
Nun beschloss Paris wohl, sich die Chance nicht entgehen zu lassen. Würde die Wagner-Gruppe, die Frankreich de facto aus Afrika verdrängt hatte, als eine terroristische Organisation eingestuft, könnte Frankreich möglicherweise verlorene Positionen auf irgendeine Weise zurückerlangen. Daher kümmert sich Frankreich gar nicht um die Ukraine, sondern um den Einflussverlust in Afrika.
Die Antwort des Gründers der Wagner-Gruppe Jewgeni Prigoschin fiel nicht minder emotional aus.
“Französische Soldaten schlachteten Menschen ab, um ihre Organe zu verkaufen”, kommentierte er in den sozialen Netzwerken und erklärte: “Wir retteten ein ganzes Land namens Zentralafrikanische Republik, wir retteten Zehntausende Zivilisten vor Banditen, Terroristen, hauptsächlich aber vor Franzosen, die sie schlicht misshandelten. Macron glaubt, dass das private Militärunternehmen Wagner eine terroristische Organisation sei. Dabei rettet Wagner in vielen Ländern der Welt eine riesige Anzahl von Menschen vor Franzosen und US-Amerikanern.”
Und tatsächlich war Frankreich es gewohnt, einen großen Teil des afrikanischen Kontinents zur eigenen Einflusssphäre zu zählen. Doch zu einem gewissen Zeitpunkt wurden die lokalen Regierungen müde, wie Kolonien behandelt zu werden, und zogen es vor, auf französische Militärkontingente zu verzichten und Wagner-Kämpfer zur Lösung lokaler Probleme zu rufen. Gleichzeitig begann Frankreichs Einfluss in anderen Bereichen, darunter im wirtschaftlichen, zu schwinden. Für Präsident Emmanuel Macron wurde dies zu einem empfindlichen Schlag. Obwohl Afrika insgesamt sehr arm ist, birgt es große Reichtümer. Die französische Wirtschaft würde auf diese Reichtümer, darunter Diamanten, Gold und seltene Metalle, nur ungern verzichten.
Nachdem sie ihre Gegner in Afrika unter dem Vorwand der Sorge um die Ukraine als Terroristen einstuften, scheinen Macron und seine Partei sich damit nicht zufriedenzugeben. Ein weiterer Renaissance-Abgeordneter, Pieyre-Alexandre Anglade, will eine Resolution zur Abstimmung stellen, die die “Deportation” ukrainischer Kinder durch russische Behörden verurteilt. Ihm zufolge ist dies eine “vorsätzliche Strategie, die auf eine Zerstörung der nationalen Identität und der ukrainischen Gesellschaft abzielt”.
In den Kommentaren zum Artikel von Le Figaro waren die Meinungen bemerkenswerterweise geteilt. “Hätten wir es nicht getan, wäre dies ein weiterer Skandal und eine Schande für ganz Frankreich”, schrieb ein Nutzer unter dem Namen Oskar Lafontaine. “Die französische Armee wird das nächste Mal ganz schön dastehen, wenn eine weitere afrikanische Regierung ihr anordnet, die Koffer zu packen und Platz für eine terroristische Gruppierung zu machen”, stichelte jemand Belesener unter dem Nutzernamen Baron de Charlus, der aus einem Buch von Marcel Proust entnommen wurde. “Und was hält die Nationalversammlung von US-amerikanischen privaten Militärunternehmen?”, interessierte sich ein anonymer Kommentator. Selbstverständlich blieb die Frage unbeantwortet in der Luft hängen.
In einem Artikel der Zeitung Le Monde wurde ausgeführt, welche Folgen der Beschluss der Nationalversammlung haben könnte. Auch wenn betont wird, dass die Resolution keinen bindenden Charakter hat, schlägt sie der französischen Regierung dennoch vor, “diplomatische Anstrengungen” zu unternehmen, damit die EU ihr zustimme und die Wagner-Gruppe als terroristische Gruppierung einstufe. “Dies würde ermöglichen, Mitglieder der Wagner-Gruppe und ihre Unterstützer effektiver zu sanktionieren, besonders in finanzieller Hinsicht”, bemerkte der Autor des Artikels.
Damit hat die französische Regierung weitreichende Pläne – sie versucht nicht nur, ihre Positionen in Afrika wiederzugewinnen, sondern auch, das Vermögen der Wagner-Mitglieder zu beschlagnahmen, sollte es gefunden werden. Ganz zu schweigen davon, welche Perspektiven sich im Kampf gegen echte oder vermeintliche Unterstützer der Wagner-Gruppe eröffnen.
Es entsteht ein interessantes Bild: Wenn in Russland Darja Dugina oder Wladlen Tatarski ermordet werden oder ein Attentat auf Sachar Prilepin verübt wird, hat es Frankreich nicht eilig, Terroristen anzuprangern, und vermeidet es tunlichst, die Geschehnisse als Terroranschläge zu bezeichnen. Journalisten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens nutzen fleißig die Bezeichnung “Explosion”.
Und auch wenn Drohnen den Kreml angreifen, wird Frankreich Tausende von Gründen finden, das Ereignis nicht zu einem Terroranschlag zu erklären. Schließlich sollte man vorsichtig sein und nicht mit Terrorbeschuldigungen um sich werfen. Vielleicht waren es ja friedliche Drohnen, die zufällig explodierten.
Wenn es aber darum geht, einen politischen Gegner aus der eigenen ehemaligen Einflusssphäre hinauszudrängen und ihn idealerweise straflos auszurauben, ist jedes Mittel recht. Bezeichnenderweise sollte Frankreich als Letztes Vorwürfe gegen die Wagner-Gruppe erheben – aus dem einfachen Grund, dass ihre Geschichte in vielerlei Hinsicht der von Französischen Fremdenlegion ähnelt.
Frankreichs Fremdenlegion war ebenfalls ursprünglich für Kampfhandlungen in Afrika gegründet worden und nahm jeden Interessierten auf, ohne nach dessen Vergangenheit zu fragen. Doch ganz sicher werden weder Frankreich noch die EU die Fremdenlegion jemals zu Terroristen erklären, egal, was ihre Mitglieder tun. Ganz anders steht es um die Wagner-Gruppe, die es wagte, ihnen die Stirn zu bieten. Es kann keine Zweifel daran geben, dass Frankreich alles tun wird, um PMC Wagner zu beseitigen, und immer ein Gesetz finden wird, das als Vorwand genutzt werden kann.
Indessen beschloss Großbritannien, in Frankreichs Fußstapfen zu treten, und leitete eine Eintragung der Wagner-Gruppe in die Terroristenliste ein. Diese Frage soll innerhalb der kommenden Wochen gelöst werden, danach werden finanzielle Sanktionen und strafrechtliche Verfolgung von Mitgliedern und Unterstützern der Organisation gesetzlich ermöglicht. Wie The Times berichtet, besteht das Ziel in einer Verstärkung des Drucks auf Russland. Laut Großbritannien spielt die Wagner-Gruppe eine Schlüsselrolle bei den Ereignissen in der Ukraine.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst veröffentlicht bei Wsgljad.
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