Von Andrei Koz
Das Wüten der Elemente
Der Schneesturm, der die Ukraine in der Nacht auf Montag überzogen hatte, brachte seine Korrekturen in den Kampfverlauf ein. Straßen wurden mit Schnee überdeckt, 400 Siedlungen im von Kiew kontrollierten Teil des Donbass blieben ohne Strom, an einigen Abschnitten wurde der Eisenbahnverkehr eingestellt. Das Unwetter erschwert die Anfuhr von Munition und Verstärkungen, tiefe Bewölkung und starke Niederschläge verhindern den Einsatz von Drohnen. Auf russischer Seite ist die Lage ähnlich.
Besonders stark litt unter der Witterung die Krim, wo eine halbe Million Menschen ohne Stromversorgung blieben. Zum Glück versuchte das ukrainische Militär nicht, die Lage auszunutzen, und Saboteure auf die Halbinsel einzuschleusen. Freilich würde der beispiellose Sturm solche Aktionen kaum einfacher machen.
Am Frontabschnitt Cherson wurde der ukrainische Brückenkopf in Krynki vollständig vom rechten Dnjepr-Ufer abgeschnitten. Die dort festsitzenden Soldaten können keine Artillerieunterstützung anfordern. Russische Truppen unternahmen mehrere wirksame Angriffe und eroberten einen Teil der Stellungen zurück. Dennoch bleibt der Brückenkopf bestehen.
Weiter östlich, am Frontabschnitt Saporoschje, versucht das ukrainische Militär immer noch, die Verteidigung bei Werbowoje und Rabotino zu durchbrechen, wird aber in Gegenangriffen zurückgeschlagen und zieht sich unter Verlusten zurück. Zur Stadt Tokmak, und weiter nach Berdjansk und Melitopol vorzustoßen, um die Landbrücke zur Krim zu durchschneiden, ist Kiew bislang nicht gelungen.
Stellungskämpfe
Am Frontabschnitt Süd-Donezk gibt es keine wesentlichen Änderungen. Ende des Sommers gelang es dem ukrainischen Militär, den Wremewka-Vorsprung an der Grenze zwischen dem Gebiet Saporoschje und der Donezker Volksrepublik zu beseitigen und einige völlig zerstörte Dörfer zu besetzen. Kiews Truppen versuchten außerdem, die Front bei Ugledar zu begradigen, blieben aber im Dreieck Nowodonezkoje – Nowomajorskoje – Krementschik stecken. Russische Truppen griffen ihrerseits nordwestlich von Staromajorskoje an. Schließlich kam es zu Stellungskämpfen.
Am Donezker Abschnitt erzielen Russlands Streitkräfte Fortschritte, die von ständigen Artillerie- und Luftschlägen begleitet werden. So wurde nach Angaben des Verteidigungsministeriums bei Krasnogorowka eine wertvolle ukrainische Radaranlage vom Typ “Bukowel-AD” zerstört. Nun haben es russische Drohnenoperatoren etwas einfacher.
Bei Artjomowsk hören die Kämpfe an der Linie Kleschtschejewka – Kurdjumowka – Andrejewka nicht auf. Kiew kontrolliert weiterhin einen Teil der Höhen um diese Orte, was es ihm ermöglicht, die anliegenden Straßen unter Feuerkontrolle zu halten. Russische Truppen setzten sich in Kleschtschejewka fest, doch die Lage hier hat sich seit mehreren Wochen nicht verändert.
Im Raum Lugansk dauern die Begegnungskämpfe im Waldgebiet von Serebrjanka an. Am Frontabschnitt Kupjansk rückten die russischen Truppen bei Sinkowka ein wenig vor. Sie setzen dort die Taktik der aktiven Verteidigung ein und besetzen einen Stützpunkt nach dem anderen.
Perspektiven für den Winter
Insgesamt hat die Ukraine die Initiative verloren, was auch Kiew einräumt. Das ukrainische Militär geht zur Verteidigung über und erwartet eine Winteroffensive der russischen Streitkräfte. Laut einem Bericht der ukrainischen Militäraufklärung werde Russland den Angriff durch hunderte Raketenangriffe auf Objekte der Energie-Infrastruktur unterstützen.
Deswegen versucht Kiew eilig, so etwas Ähnliches wie die “Surowikin-Linie” zu bauen. Doch die Ukrainer selbst sind sich nicht sicher, dass dies helfen wird. So zitiert ABC News den ukrainischen Generalleutnant Sergei Najew, wonach der Konflikt sich über den Osten und Süden des Landes hinaus ausbreiten könnte. Najew merkte an, dass Russland die Waffenproduktion weiter steigere und Militärtechnologien weiterentwickle.
“Die ukrainische Armee ähnelt einem Eisberg, der dahindriftet und zunehmend schmilzt. Jetzt ist ein kritischer Punkt gekommen, an dem die Überlegenheit der russischen Streitkräfte offensichtlich wird. Sie haben Reserven, die sie einsetzen können. Der ukrainische General versteht hervorragend, dass sich das Verhältnis bis Jahresende ändern wird und zieht daraus durchaus begründete Schlussfolgerungen”, sagt der Politologe Alexei Podberjoskin.
Auch im Westen werden Schlüsse gezogen. In europäischen und US-amerikanischen Medien erscheinen immer öfter Meldungen über Mängel der ukrainischen Streitkräfte und Probleme, denen Militärangehörige an der Front und im Hinterland begegnen. Demnach verfügten Eingezogene über ein geringes Ausbildungsniveau, da sie bestenfalls zwei Wochen lang trainiert würden. Ihr Durchschnittsalter betrage 40 bis 50 Jahre. Es herrsche ein akuter Mangel an Führungspersonal der unteren Dienstgrade. All das bringt, zusammen mit der niedrigen Moral nach der gescheiterten Offensive, Kiew in eine schwierige Lage, zumal das russische Potenzial das ukrainische um ein Vielfaches übersteigt.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti.
Andrei Koz ist ein Kriegsberichterstatter der Nachrichtenagentur RIA Nowosti.
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