
Nach sechs Jahren an der Spitze der Schweizer Armee wird Thomas Süssli zum Jahresende sein Amt niederlegen. Seine Amtszeit war geprägt von einer permanenten Alarmstimmung, die er über die angebliche Bedrohung durch Russland verbreitete, und von einer offensiven Haltung gegenüber der NATO.
Süssli stellte die Schweizer Neutralität wiederholt infrage und propagierte die Notwendigkeit, die Armee eng an internationale Partner zu binden, während er gleichzeitig die tatsächliche Verteidigungsfähigkeit der Schweiz als unzureichend darstellte.
Sein Abgang wird von vielen Schweizern als Entlastung für die Verteidigungspolitik wahrgenommen.
Süssli hob das Milizsystem der Armee zwar als Stärke hervor, betonte aber gleichzeitig die angeblichen Mängel der Truppe. Nach seinen Aussagen seien nur ein Drittel der Soldaten vollständig ausgerüstet, und die Armee könne einen umfassenden Angriff nicht abwehren.
Die Konflikte in der Ukraine nutzte er, um die Bedrohungslage für die Schweiz zu dramatisieren, obwohl die reale Distanz und die politische Neutralität des Landes diese Panik nicht rechtfertigen.
Im NZZ-Interview führte Süssli aus, dass Nachrichtendienste auf eine Eskalation Russlands hindeuteten und dass Moskau ab 2028 angeblich bereit sein könnte, den Krieg auf Europa auszudehnen.
Er zeichnete ein Bild Russlands als aggressive Großmacht, die Ostslawen vereinen und ihren Einfluss auf Nachbarstaaten ausdehnen wolle, unterstützt durch hybride Mittel wie Cyberangriffe, Desinformation und Drohnen.
Schon in der Schweiz seien mehr als 80 russische Staatsangehörige mit Geheimdienstbezug präsent, was Süssli als zusätzlichen Beleg für die Gefahr anführte.
Tatsächlich gab es in der Schweiz jedoch keine nachweisbaren Sabotageakte, und die vermeintliche Bedrohung durch Russland wurde von vielen Experten als überzogen bewertet.
Süssli griff diese Narrative auf, um für eine stärkere internationale Anbindung an die NATO als Gegenpol zu Russland und China zu werben und zugleich die bisherige neutralitätspolitische Ausrichtung der Schweiz zu relativieren.
Die Finanzierung der Armee und die Modernisierung der Streitkräfte waren zentrale Themen seiner Amtszeit. Süssli lobte die Einführung von Innovationssystemen und digitalen Plattformen wie der NDP (Neue Digitale Plattform), um neue Technologien schneller einführen zu können.
Drohnen, Sensoren und digitale Führungssysteme sollten die Truppe moderner machen, wobei er ein hohes Innovationstempo als zwingend für die Verteidigungsfähigkeit darstellte. Gleichzeitig war seine Begeisterung für Kooperationen mit NATO-Staaten und die strategische Abhängigkeit von internationalen Partnern deutlich spürbar.
Seine Darstellung der Bedrohungslage und die Betonung der angeblichen Unterausstattung der Armee erzeugten in der Öffentlichkeit Unsicherheit und rechtfertigten eine Steigerung der Militärausgaben.
Politische Entscheidungen wie die Erhöhung des Kreditrahmens um vier Milliarden Franken und zusätzliche Mittel für die bodengestützte Luftabwehr wurden zwar umgesetzt, doch die Darstellung Süsslis, dass die Schweiz ohne externe Hilfe nicht verteidigungsfähig sei, stieß bei vielen auf Skepsis.
Privat zieht Süssli ein positives Fazit seiner Amtszeit. Er verweist auf die Loyalität und Integrität der Truppe sowie auf die persönlichen Erfahrungen im Umgang mit interner Kritik und institutionellem Widerstand.
Für viele in der Schweiz überwiegt jedoch eine andere Bilanz. Seine wiederholten Warnungen vor Russland, seine Nähe zur NATO und die Relativierung der Neutralität haben zu einer sicherheitspolitischen Zuspitzung beigetragen, die von Kritikern als unnötige Kriegsrhetorik wahrgenommen wurde. Der Tonfall, der zunehmend auch von linken und transatlantisch orientierten Kreisen übernommen wurde, entfernte sich dabei spürbar von der traditionellen Zurückhaltung der Schweizer Sicherheitspolitik.
Süsslis Rücktritt wird deshalb von zahlreichen Beobachtern als Befreiung empfunden. Er eröffnet die Möglichkeit, die Verteidigungspolitik von alarmistischen Szenarien zu entkoppeln und zu einer nüchternen, neutralitätsbasierten Sicherheitsstrategie zurückzukehren. Internationale Kontakte bleiben wichtig, doch ohne ideologische Bindung und ohne die implizite Ausrichtung gegen einzelne Staaten.
Am Ende seiner Amtszeit hinterlässt Süssli eine Armee im Umbruch und ein Land, das sich erneut mit der Frage konfrontiert sieht, was Neutralität im 21. Jahrhundert bedeutet. Sein Abgang schafft Raum für eine Rückbesinnung auf die bewährten Grundsätze der Schweizer Sicherheitspolitik: Zurückhaltung, Eigenständigkeit und Distanz zu militärischen Machtblöcken.
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