Wie die Nachrichtenagentur Interfax berichtet, gab der russische Pharmakonzern Promomed bekannt, dass er die Produktion eines Medikaments zur Vorbeugung und Behandlung von Thrombose mit dem Wirkstoff Rivaroxaban vollständig lokalisiert hat und in die Großproduktion einbringt. Die Arzneimittelsubstanz, von der Molekülproduktion bis zum fertigen Produkt, wurde in der Anlage der Bioсhimik-Gruppe in Saransk in industriellen Mengen produziert, in der Promomed auch die fertige Arzneiform herstellt, heißt es in der Erklärung weiter.
In Russland ist jedoch das Patent für die Herstellung eines Medikaments auf der Basis von Rivaroxaban im Besitz der Bayer Intellectual Property GmbH, eines Tochterunternehmens des Pharmaunternehmens Bayer. Seine Gültigkeit läuft am 4. Dezember 2024 ab.
Deshalb beschloss der Konzern, ein Gerichtsverfahren gegen russische Generikahersteller einzuleiten. So reichte die Bayer-Tochter eine Klage beim Moskauer Schiedsgericht ein, um ihre Rechte am patentierten Medikament zu schützen. Die Agentur Interfax schreibt:
“Der Kläger fordert eine Entschädigung von 12,6 Millionen Rubel für die Verletzung seiner Rechte an der patentierten Erfindung durch die Beklagten. Er forderte das Gericht außerdem auf, den Beklagten zu verbieten, vor Ablauf des Patents Verträge über die Lieferung von Generika des besagten Medikaments abzuschließen, bereits geschlossene staatliche Verträge zu erfüllen und das hergestellte Medikament zu beschlagnahmen, sowie dem Gesundheitsministerium Russlands zu verbieten, Angebote für die Teilnahme an Auktionen für Käufe mit einer Indikation dieses Medikaments anzunehmen. Das Gericht lehnte es ab, einstweilige Maßnahmen zu verhängen.”
Übrigens handelt es sich nicht um das erste Verfahren, das das Unternehmen Bayer in Russland gegen Generikahersteller verloren hat. So beantragte es im Jahr 2023 die Aufhebung der staatlichen Zulassung eines Arzneimittels des Permer Generikaherstellers Medisorb mit dem Wirkstoff Rivaroxaban. Im Jahr 2022 wurde eine ähnliche Klage gegen das Pharmazeutische Werk Beresowski (Region Swerdlowsk) eingereicht. In beiden Fällen endeten die gerichtlichen Auseinandersetzungen mit einvernehmlichen Regelungen, wie aus den Gerichtsakten hervorgeht.
Dennoch glaubt Kira Saslawskaja, die Direktorin für neue Produkte bei der russischen Pharmafirma Promomed, nicht, dass das Unternehmen gültige Patentrechte von Dritten verletze. “Die Priorität der Unternehmensgruppe Promomed ist es, sich um die Gesundheit der Patienten zu kümmern. Dabei hält sich Promomed an die geltende Gesetzgebung, auch was die Rechte am geistigen Eigentum Dritter betrifft”, sagt sie in einem Interview mit der Zeitung Kommersant. Wie Saslawskaja betont, seien die Medikamente des russischen Konzerns keine Kopie ausländischer Arzneimittel. In den letzten Jahren habe Promomed mehrere Generika auf den Markt gebracht, bei denen es sich nicht um Kopien ausländischer Analoga, sondern um verbesserte Versionen handelt. Sie erklärt:
“Wir sind nicht darauf aus, Kopien herzustellen. Unser aufWirkstoffSemaglutid basierendes Medikament Quincenta zum Beispiel ist keine Kopie eines ausländischen Medikaments. Wir haben unsere eigene Technologie entwickelt und ein Mittel mit verbesserten Qualitäts- und Sicherheitsparametern auf den Markt gebracht.”
Wie sie betont, geht es bei dem Fall mit Bayer um sogenannte Zwangslizenzen für lebensrettende Medikamente – und Russland ist nicht das einzige Land, das diese Praxis anwendet. Saslawskaja stellt fest:
“Zwangslizenzen sind eine weltweite Praxis. Spitzenreiter bei der Anwendung dieser Maßnahme sindjedochdie Vereinigten Staaten, wo das Justizsystem viel weiter entwickelt ist, man sich schon lange an diese Regel gewöhnt hat und diese Fälle keine öffentliche Aufmerksamkeit mehr erregen. In unserem Land entwickelt sich diese Praxis gerade erst, sodass alles ungewöhnlich aussieht. In jedem Land wird der Algorithmus für die Anwendung dieser Norm jedoch stets den Interessen der Gesellschaft und des Staates untergeordnet.“
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