Von Susan Bonath
Energie und Rohstoffe werden teurer, die Kunden ärmer, die Auftragslage geht zurück. Viele Konzerne fürchten in der Krise um ihre Rendite. Während viele Kleinbetriebe nach Fachkräften suchen und einen gravierenden Mangel an kompetenten Bewerbern beklagen, treibt es viele Unternehmen raus aus Deutschland. Einige planen bereits Massenentlassungen im Land.
Krisenmanagement zulasten der Lohnabhängigen
Schon vor einigen Wochen hatte der Volkswagen-Konzern (VW) einen Abbau von bis zu 1.100 Arbeitsplätzen angekündigt. Insgesamt arbeiten bei VW in Deutschland rund 11.000 Menschen. Hintergrund ist der Umbau des VW-Werks in Zwickau für die Herstellung von Elektroautos. Fast 1,2 Milliarden Euro soll der Konzern dafür investiert haben. Allerdings sei die Nachfrage geringer als erwartet, wie der MDR berichtete.
Wo Aufträge einbrechen, ist auch der Güterverkehr betroffen. Die in dieser Branche tätige Konzerntochter der Deutschen Bahn AG, DB Cargo, will, anders als noch vor wenigen Monaten verkündet, sogar 1.800 Beschäftige an die Luft setzen. Wie gewohnt, müssen die Lohnabhängigen die Folgen der teilweise politisch forcierten Krise ausbaden.
Auf Nachfrage des Online-Portals Business Insider sprach eine Konzernsprecherin von einer “Transformation”, für die derzeit “die entscheidenden Weichen gestellt” würden. Der Grund für diesen Weg seien hohe Verluste der DB Cargo seit dem vergangenen Jahr. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG warnte vor einer “Zerschlagung des Güterverkehrs”.
Weitere Konzerne wollen in Deutschland Hunderte Beschäftigte entlassen. Der Öl- und Gaskonzern Wintershall kündigte den Abbau von weltweit etwa 500 Jobs an, darunter allein 300 in Deutschland.
Der Spielwarenhersteller Playmobil plant laut Bayerischem Rundfunk insgesamt 700 Entlassungen, mehr als die Hälfte davon in der Bundesrepublik.
Trotz Krise: Telekom will Dividende erhöhen
Entsprechende Krisenvorsorge zulasten der Beschäftigten betreibt nun auch die Mitte der 1990er Jahre privatisierte Deutsche Telekom. Wie das Handelsblatt berichtete, will die Aktiengesellschaft Tausende Stellen streichen, davon bis zu 2.000 hierzulande.
Allein in der IT-Abteilung soll demnach 1.300 von 5.000 Angestellten gekündigt werden. Weitere 350 Beschäftigte will der Konzern – mit einer geringeren Rente – in den Vorruhestand schicken. Die US-Konzerntochter T-Mobile US plane derweil sogar 5.000 Entlassungen.
Zur Begründung nannte der Konzern gegenüber dem Blatt unter anderem den teuren Glasfaser-Ausbau, weshalb man jetzt Lohnkosten einsparen müsse. Bereits im August während der Präsentation der neuen Quartalsdaten habe der Vorstandsvorsitzende der Telekom, Timotheus Höttges, angekündigt, “effizientere Strukturen” schaffen zu wollen. Ein Sprecher habe dann ergänzt, dass der Konzern dabei zugleich “die Dividende für Aktionäre erhöhen” werde, so das Handelsblatt.
Dabei stand die Telekom AG im vergangenen Krisenjahr sogar besonders gut da: Sie hatte ihren Nettogewinn von 2021 von gut vier Milliarden auf acht Milliarden nahezu verdoppelt und erzielte das beste Ergebnis der vergangenen 18 Jahre.
Schwacher Binnenmarkt
Das Abwälzen der Krisenfolgen auf die Lohnabhängigen und Kleinunternehmer in Deutschland scheint politisch gewollt. Während Reallohn-Zuwächse seit Jahren ausbleiben, die Einkommen vor allem im unteren Bereich sogar hinter der Teuerung zurückblieben, näherten sich die Exportüberschüsse zuletzt wieder dem Niveau von 2019 an, wie RT DE berichtete.
Damit setzt Deutschland mehr auf Nachfrage im Aus- als im Inland. Dafür muss der Wert der Ware Arbeitskraft möglichst gering gehalten werden. So gleicht die geplante Erhöhung des Mindestlohns um gerade einmal 3,4 Prozent auf 12,41 Euro ab 2024 die gegenwärtige Inflation nicht annähernd aus. Ein starker Binnenmarkt steht also offenbar nicht auf der politischen Agenda.
Flaute an Jobbörse, wieder mehr Leiharbeit
In Kauf nimmt die Politik dabei düstere Prognosen hinsichtlich des Arbeitsmarktes. Denn den sehen viele Ökonomen bereits wieder in einer Flaute. Die Stellenangebote gingen bereits wieder zurück, Unternehmen würden verhaltener Personal einstellen, berichtete etwa Focus Online.
Weiterhin brummt der Niedriglohnsektor, die Leiharbeitsbranche gewinnt nach einem leichten Einbruch im Jahr 2020 nun wieder an Fahrt. Statistischen Daten zufolge stieg die Zahl der Leiharbeiter bereits 2021 auf über 800.000 und nähert sich inzwischen wieder der Millionen-Grenze.
In der Pflege sind diese prekären Jobs trotz wachsendem Fachkräftemangel gang und gäbe. Während die Kliniken ein Verbot der Leiharbeit und stattdessen mehr Geld für einen festen Personalstamm forderten, machte sich Zeit Online zum Fürsprecher der Gegenseite: “Bloß kein Verbot der Leiharbeit”, forderte eine Kolumnistin kürzlich.
CDU will mehr Arbeitslose in Niedriglohnsektor zwingen
Dazu passt der jüngste Vorschlag aus den Reihen der CDU: Sie will das Bürgergeld wieder in Hartz IV umbenennen, Sanktionen verschärfen und besonders hart gegen unter 25-Jährige vorgehen, wie ntv berichtete.
Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht, anders als von der CDU behauptet, Ende 2019 Sanktionen von über 30 Prozent sowie die härtere Bestrafung von 15- bis 24-Jährigen als Existenzgefährdung untersagt. Zuvor hatten Jobcenter Monat für Monat zeitweise bis zu 12.000 Menschen die Bezüge monatelang auf null gekürzt. Betroffen waren vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, denen dann Obdachlosigkeit und Hunger drohte.
Aus Sicht des Kapitals ist ein repressiver Sozialstaat aber wünschenswert: So können die Behörden Millionen erwerbslos gewordene Menschen mittels Androhung erheblicher Notlagen in den Niedriglohnsektor nötigen – egal ob sie einst Fachkraft bei VW oder der Telekom waren. Das interessiert wohl weder die CDU noch den Markt.
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