Eine Analyse von Kaspar Sachse
Die Personalpolitik der Grünen in Thüringen hatte zuletzt für bundesweites Aufsehen gesorgt. Nun prescht der ehemalige Landessprecher der Thüringer Grünen Rainer Wernicke laut einem Bericht des MDR vor und kritisiert den jüngsten Ministeraustausch im Land deutlich. Mit Blick auf die nächste Landtagswahlen 2024 und die stürmischen Zeiten, meinte er, sei es “unverantwortlich”, seine eigenen Minister zu “demontieren”.
Konkret habe ihn der Ausstieg der Grünen-Umweltministerin Anja Siegesmund aus der rot-rot-grünen Koalition in Erfurt “irritiert”. “Entsetzt” sei er mit Blick auf den entlassenen Justizminister Dirk Adams. Für die Koalitionspartner SPD und Linke sei “ein Tritt in den Allerwertesten” gewesen.
Bereits 2017 war Wernicke wegen ähnlicher Querelen aus der Partei ausgetreten. Besonders die beiden Nachfolger sieht er als “fragliche” Personalien, die kaum über Qualifikationen für die entsprechenden Posten verfügen. Auf Siegesmund folgte Bernhard Stengele als neuer Umweltminister, Schauspieler und Regisseur aus dem Allgäu. Adams’ Nachfolgerin ist Doreen Denstädt, Polizeihauptkommissarin und Diplom-Verwaltungswirtin aus Saalfeld.
Der Politikwissenschaftler Lothar Probst bezeichnete die fehlende Eignung des neuen Grünen-Duos als gar nicht mal “so ungewöhnlich”. Die Hälfte der Minister in Deutschland sei über das Parteibuch ins Amt gekommen und kaum qualifiziert. Die umstrittene Außenpolitik der Grünen und die massenhafte Aufnahme ukrainischer und anderer Flüchtlinge bergen dazu jede Menge Zündstoff: Die Thüringer Kommunen und die Bürger sind teilweise am Rande der Belastbarkeit angekommen. Das kümmert die Parteispitze aber nicht. Die Thüringer Landwirtin Simone Hartmann warf der Partei “realitätsferne Politik” vor. Konkret meinte, sie die Lastenfahrräder-Debatte, das Gendern oder das 49-Euro-Ticket haben “alles hat mit meinem Leben nichts zu tun”.
Laut Ex-Landeschef Wernicke haben die einfachen Mitglieder auf dem Land kaum Mitspracherecht. Es dominiere das städtisch-akademische Milieu mit den Kreisverbänden Erfurt und Jena, aus denen auch die meisten Funktionäre stammten. Ähnliches zeigt sich auch in Sachsen, wo Dresden und Leipzig die grünen Leuchttürme darstellen, oder in Sachsen-Anhalt, wo Halle und Magdeburg diesbezüglich hervorstechen. Die urbane Sprache, besonders das Gendern, werde im ländlichen Raum nicht verstanden, ja regelrecht als Provokation empfunden. In vielen Landkreisen in Mitteldeutschland schaffen es die Grünen daher kaum, die Fünfprozenthürde zu überwinden.
Probst meint daher nicht zu Unrecht:
“Für die Grünen in Ostdeutschland ist es schwer, sich zu behaupten.”
Dort ist die Partei schlichtweg nicht sozial und weltanschaulich verankert. Der Austausch von Personal und Mitgliedern in den letzten Jahren bestätigt das. Nicht nur mangelnde Qualifikation, sondern auch die offenkundige Transformation der Partei von einer Friedens- zu einer Kriegstreiberpartei und von einer Bürgerrechts- zu einer Verbotspartei stoßen im Osten besonders bitter auf. Die Führungsriege lässt das aber kalt. Jegliche Kritik am transatlantischen Kurs der Partei wird konsequent in die rechte Ecke gestellt, sei dies auch noch so absurd. Daher verwundert es nicht, wenn die Partei in aktuellen Wahlumfragen in Mitteldeutschland auf dem absteigenden Ast ist – Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall.
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