Von Rainer Rupp
Die “Friedenskonferenz”, die jüngst im Schweizer Bürgenstock-Resort stattfand, war ein eklatantes Beispiel für das derzeitge Versagen der Diplomatie. Trotz der in den Westmedien künstlich geschürten hohen Erwartungen endete die Konferenz in einem vorhersehbaren Misserfolg, hauptsächlich aufgrund des Ausschlusses der Gegenseite, nämlich Russlands, aber auch wegen der Abwesenheit Chinas und der Weigerung anderer bedeutender globaler Akteure wie der BRICS-Mitglieder Brasilien, Indien, Saudi-Arabien, VAE und Südafrika, die Schlusserklärung der Konferenz zu unterstützen. Ohne die Unterstützung dieser aufstrebenden Mächte unterstreicht der Flop in Bürgenstock den zunehmend begrenzten Einfluss des Westens auf den Ukraine-Konflikt.
Einen Tag vor Beginn der Bürgenstock-Friedens-Farce, die mehr mit einem japanischen Kabuki-Theater zu tun hatte als mit der Suche nach Frieden, hatte der russische Präsident Wladimir Putin in einer Ansprache vor hohen russischen Staatsbeamten eine Strategie zur Bewältigung der Ukraine-Krise skizziert, die von unerwarteter strategischer Zurückhaltung gekennzeichnet war. Und das trotz zunehmender westlicher Provokationen, einschließlich Angriffen in die Tiefe des russischen Territoriums durch Kiew, dem der Westen dafür nicht nur die Waffen, sondern auch die Zielkoordinaten und das westliche Personal zu deren Bedienung zur Verfügung stellt. Putins Vorschlag zur Lösung des Konflikts war deshalb so großzügig, weil er trotz der zunehmend desolaten militärischen Lage Kiews den Fortbestand der Staatlichkeit der Ukraine garantierte, keinen Anspruch auf Odessa enthielt und auch die Frage einer ukrainischen Mitgliedschaft in der EU offenließ.
Laut Putins Vorschlag müsste die Restukraine auf die vier russischsprachigen Provinzen, die über Jahrhunderte zu Russland gehört hatten, verzichten. Nach der Befreiung durch die russische Armee haben sich diese Provinzen auf Basis von Volksentscheiden bereits der Russischen Föderation angeschlossen. Putins Vorschlag zur Beilegung des Konfliktes in der Ukraine enthält auch den Verzicht Kiews, ein für alle Mal, auf Mitgliedschaft in der NATO. Eigentlich sollte das für Kiew ein leichter Schritt sein, denn die Selenskij-Regierung war dazu bereits einen Monat nach Kriegsbeginn bereit, wie die auch von Kiew paraphierten Verhandlungsergebnisse in Istanbul von Ende März 2022 beweisen.
Dass es damals nicht zum Frieden kam, der Hunderttausenden von ukrainischen Soldaten das Leben gerettet hätte, verdankt die Ukraine dem damaligen britischen Premierminister Boris Johnson, der einen Tag nach der Paraphierung des russisch-ukrainischen Abkommens in Istanbul im Auftrag Washingtons zu einem Blitzbesuch in Kiew eintraf und Präsident Selenskij den Frieden ausredete. Stattdessen sollte die Ukraine kämpfen und mit der Hilfe der weltstärksten Militärmacht USA und der unbezwingbaren NATO Russland auf dem Schlachtfeld besiegen. Mit dieser Aussicht auf Ruhm, Macht und Anerkennung im bewunderten Westen ließ sich Selenskij überreden. Und damit hat er sein Land für US-Interessen ins Verderben und in bleibendes Elend getrieben. Für ihn selbst und sein politisches Umfeld hat es sich jedoch zumindest finanziell gelohnt, wovon u. a. die teuren Selenskij-Villen in westlichen Badeorten zeugen.
Putin hat seinen Friedensvorschlag diesmal direkt an den Westen gerichtet und nicht an Selenskij oder die weitgehend irrelevante ukrainische Führung. Denn Putin scheint die Verfassung der Ukraine besser zu kennen als die westlichen Führungseliten oder die Clique um Selenskij, der seit einigen Wochen nicht mehr Präsident der Ukraine ist. Seine Amtszeit ist abgelaufen. Zugleich hat er die von der Verfassung vorgeschriebenen Wahlen verhindert. Ebenso hat er eine Anrufung des Verfassungsgerichts blockiert. Laut Verfassung liegen jetzt die einzigen Machtbefugnisse bei der Werchowna Rada, dem ukrainischen Parlament, aber das ist von rechtsradikalen Banditen ausgeweidet worden und kaum noch funktionsfähig.
Jeder gewählte Bürgermeister in der Ukraine hat heute mehr demokratische Legitimität als Selenskij, der die Macht im Staat ohne jegliche Rechtsgrundlage usurpiert und damit zum Diktator in der Ukraine geworden ist. Kritiker des absurden Friedenstheaters auf dem Schweizer Bürgenstock behaupten sogar, dass die ganze Propagandashow nur dem Zweck gedient habe, vor der internationalen Öffentlichkeit Selenskij weiterhin als Präsident der Ukraine im Spiel zu halten und ihm den Anschein der Legitimität zu geben.
Dagegen kann Putins Angebot als ein Versuch gesehen werden, anstelle der illegitimen ukrainischen Regierung, die Moskau ohnehin als Marionettenregime betrachtet, den Westen direkt anzusprechen und einzubinden. In seiner Rede zeigte Putin eine kalkulierte Geduld und präsentierte ein Friedensangebot, das bei Annahme den Konflikt erheblich deeskalieren würde. Neben den bereits oben erwähnten Bedingungen Putins für einen Waffenstillstand, die gemessen an der desolaten Lage der Ukraine auf dem Kriegsschauplatz sehr moderat erscheinen, umfasst der Vorschlag des russischen Präsidenten die Einladung zur Diskussion einer zukünftigen Sicherheitsarchitektur Osteuropas und Eurasiens.
Eine solche Diskussion auf der Grundlage, dass die Sicherheit einer Seite nicht auf Kosten der Sicherheit der anderen Seite gehen darf, sondern gemeinsam ausgehandelt werden muss, hatte der Kreml in den letzten Jahrzehnten immer wieder gefordert. Dabei ist Russland stets auf die arrogante Ablehnung von USA, NATO und EU gestoßen. Daher war auch diesmal die Reaktion des Westens absehbar.
Die NATO, vertreten durch Jens Stoltenberg, lehnte denn auch prompt jede Art von Verhandlungen ab. Andere Westpolitiker stimmten in den Tenor ein. Dies spiegelt die Tatsache wider, dass sich trotz aller Fehlkalkulationen und Rückschläge am Ziel des westlichen Kriegsbündnisses, Russland eine strategische Niederlage zuzufügen, nichts geändert hat. Der Westen unterstützt die Ukraine weiterhin militärisch und politisch und zielt darauf ab, den Konflikt zu verlängern, um Russland zu schwächen. Diese Haltung übersieht die wachsende Müdigkeit und wirtschaftliche Belastung innerhalb Europas sowie die breiteren geopolitischen Verschiebungen zugunsten der Multipolarität.
Einige ukrainische Parlamentsmitglieder zeigten jedoch Interesse daran, Putins Angebot zu diskutieren. Dies weist auf eine potenzielle Spaltung innerhalb der politischen Landschaft der Ukraine hin, in der es Fraktionen geben könnte, die dem Frieden eher zugeneigt sind als die derzeitige Regierung. Zugleich haben namhafte Persönlichkeiten wie der russische Botschafter Wassili Nebensja und der ehemalige Oberst der russischen Streitkräfte und frühere stellvertretende Verteidigungsminister und Politiker Andrei Kartapolow betont, dass die Ablehnung von Putins Vorschlag in zukünftigen Verhandlungen zu weitaus härteren Bedingungen führen würden.
Aus anderen Gründen als denen der NATO hat Putins Friedensvorschlag auch in Russland teils heftige Debatten ausgelöst. Kritiker argumentieren, dass der Vorschlag den Oligarchen und deren Geschäftsinteressen nachgebe, weil er den Konflikt möglicherweise unnötig in die Länge ziehe. Außerdem führen sie angebliche russische Misserfolge in der Militärstrategie, z. B. die unzureichende Unterbrechung der logistischen Versorgungsketten der Ukraine, als Beweis für strategische Fehler an.
Die Kritiker argumentieren, dass die Militärstrategie zu sehr politischen Überlegungen untergeordnet sei, was zu ineffektiven Operationen in Schlüsselregionen wie dem Schwarzen Meer und Transnistrien führe. Sie glauben, dass ein aggressiverer Ansatz, einschließlich eines entschlossenen Schritts zur Eroberung von Odessa, Russlands strategischen Interessen besser dienen würde. Explizit wird auch die Auslassung von der Odessa-Frage oder der Abwicklung und Zerstörung der faschistischen Strukturen in der Ukraine in Putins Vorschlag kritisiert.
Aber vielleicht tun die Kritiker Putin Unrecht. Vielleicht war es gerade die Vorhersehbarkeit der Ablehnung des Westens, die Putin dazu veranlasst hat, seinen – den Umständen entsprechend – extrem entgegenkommenden Friedensvorschlag zur Ukraine zu machen. Denn Putins Vorschlag wurde dort, wo es am wichtigsten war, aufgegriffen, vielfach diskutiert, als moderat und vernünftig empfunden.
Zur Erinnerung: Putins Vorschlag lag einen Tag vor Beginn des absurden NATO/EU-Theaters auf dem Schweizer Bürgenstock auf dem Tisch. Zu diesem Ereignis hatten US/NATO und EU weltweit die Propaganda-Trommeln gerührt und fast alle Staaten der Welt eingeladen. Entsprechend rückte auch Putins Vorschlag maximal ins internationale Rampenlicht. In den nachfolgenden Tagen war es dann vor allem Putins Vorschlag, der auf der Bürgenstock-Konferenz von BRICS- und blockfreien Staaten diskutiert und mit dem sogenannten Zehn-Punkte-Plan Selenskijs verglichen wurde.
Für jeden ersichtlich ist der Selenskij-Plan eine Farce. Als Vorbedingung für Friedensverhandlungen stellt er Forderungen, die einer Kapitulation Russlands gleichkommen, obwohl Russland die Oberhand hat. Folglich kann der ukrainische Zehn-Punkte-Plan, bei dem der Westen die Feder führte, nur in einem Irrenhaus entworfen worden sein.
Dagegen stach Putins realistischer Vorschlag von der anwesenden internationalen Gemeinschaft aus BRICS- und blockfreien Staaten und als echte und ehrliche Suche nach Frieden hervor. Die diskussionslose, brüske Ablehnung von Putins Vorschlag durch den Westen musste daher zu Recht bei allen unabhängigen Beteiligten den Eindruck hinterlassen – oder sogar gefestigt – haben, dass der Westen an Frieden in der Ukraine gar nicht interessiert ist.
Daraufhin gab es in sozialen Medien einen Sturm der Bewunderung des diplomatischen Geschicks des Kreml-Chefs, der ohne auf der Bürgenstock-Konferenz dabei gewesen zu sein dort spielend gegen USA/NATO/EU gewonnen hat.
Fazit:
Angesichts der jüngsten Eskalation der westlichen politischen und militärischen Provokationen besteht ein dringender Bedarf an einer Lösung. Denn der anhaltende Konflikt in der Ukraine bedroht nicht nur die regionale Stabilität in Europa, sondern stellt auch ein breiteres Risiko für die globale Sicherheit dar. Die Weigerung des Westens, sich auf sinnvolle Verhandlungen einzulassen, könnte zu einem langwierigen Krieg mit verheerenden Folgen führen.
Russlands ultimatives Ziel ist ein neues Sicherheitssystem für Eurasien, das von den hegemonialen Interessen des Westens direkt bedroht wird. Diese Vision erinnert an Putins Münchner Rede von 2007, in der er vor der NATO-Erweiterung warnte und eine multipolare Weltordnung forderte. Ein solcher neuer Sicherheitsrahmen für Eurasien würde den Einfluss westlicher Imperialisten in der Region verringern und die strategische Autonomie von Ländern wie China und Indien stärken. Diese Neuausrichtung könnte die globalen Machtverhältnisse verschieben und eine ausgewogenere und multipolare Weltordnung schaffen.
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