Marlene Svazek (FPÖ) hat im Rahmen der Familienreferentenkonferenz auf die vermehrte Einreise von Roma-Großfamilien aus der Westukraine hingewiesen. Sie fordert eine sofortige Aussetzung der Ukraine-Vertriebenenverordnung – mit Verweis auf wachsende Belastungen für das Sozialsystem und die kommunale Infrastruktur.
Nach Angaben Svazeks registrieren Behörden in Salzburg wie auch in anderen Bundesländern zunehmend Ankünfte von Familienverbänden aus Transkarpatien – einer Region im Westen der Ukraine, die bislang nicht von Kriegshandlungen betroffen ist. Dennoch erhalten die Zugezogenen auf Basis der Vertriebenenverordnung uneingeschränkten Zugang zu Sozialleistungen.

Die rechtliche Grundlage für diesen Anspruch bildet die sogenannte Ukraine-Vertriebenenverordnung (“Ukraine-Verordnung”), die allen ukrainischen Staatsbürgern – unabhängig von ihrer tatsächlichen Herkunftsregion innerhalb des Landes – ab dem ersten Tag ihres Aufenthalts in Österreich Zugang zu umfassenden Sozialleistungen gewährt. Dazu zählen etwa die Sozialhilfe, die Familienbeihilfe, das Kinderbetreuungsgeld sowie der sofortige Eintritt in das System der Krankenversicherung.
Svazek betont in diesem Zusammenhang, dass die Ukraine-Verordnung in ihrer derzeitigen Ausgestaltung keinerlei regionale Differenzierung vorsieht und damit nicht mehr der aktuellen sicherheitspolitischen Realität entspricht. Der umfassende Schutzstatus gelte auch für Personen, die nicht aus unmittelbar vom Kriegsgeschehen betroffenen Gebieten stammen. Sie fordert daher eine Aussetzung der Verordnung und plädiert dafür, die Behandlung ukrainischer Staatsangehöriger an bestehende Regelungen für Asyl- oder Schutzsuchende aus anderen Ländern anzugleichen – ähnlich wie dies in Norwegen oder der Schweiz bereits praktiziert wird.
Besondere Aufmerksamkeit richtet sich auf die Zusammensetzung jener Gruppen, die zuletzt verstärkt nach Österreich eingereist sind. Wie der Salzburger Sonderbeauftragte für Asyl, Anton Holzer, erläutert, handelt es sich häufig um Großfamilien aus der ethnischen Minderheit der Roma, die weder Ukrainisch noch Russisch sprechen, jedoch im Besitz gültiger ukrainischer Reisedokumente sind. Zwar seien diese Papiere laut polizeilichen Überprüfungen authentisch, doch wirft die sprachliche und kulturelle Distanz zu anderen ukrainischen Vertriebenen Fragen hinsichtlich der tatsächlichen Herkunft und der Motivation zur Ausreise auf.
Roma-Familien sprechen weder Ukrainisch noch Russisch
Die betroffenen Familien leben zumeist in Sammelunterkünften, erhalten finanzielle Unterstützung sowie Integrationsleistungen. Bemerkenswert sei laut Holzer, dass sich viele dieser Familien nur temporär – durchschnittlich sechs Monate – in Österreich aufhalten, bevor sie wieder in ihre Herkunftsregion zurückkehren. Da die Verordnung den Vertriebenenstatus nicht an eine durchgehende Aufenthaltsdauer bindet, behalten sie auch nach einer Rückkehr den Anspruch auf Leistungen bei künftiger Wiedereinreise. Dies steht im Gegensatz zum Asylrecht, bei dem eine Rückkehr in die Heimat meist den Verlust des Schutzstatus bedeutet.
Die Problematik erschöpft sich indes nicht in finanziellen Fragen. Wie Svazek hervorhebt, geraten auch Bildungseinrichtungen zunehmend an die Grenzen ihrer organisatorischen und personellen Kapazitäten. Insbesondere der Integrationsaufwand für schulpflichtige Kinder stellt die Kommunen vor erhebliche Herausforderungen. Viele der neu zugezogenen Kinder aus Roma-Großfamilien seien nicht alphabetisiert, was den regulären Unterrichtsbetrieb erheblich erschwere.
Dies habe zur Folge, dass zusätzliche pädagogische und sozialpädagogische Ressourcen erforderlich seien – etwa in Form von eigens eingerichteten Förderstunden oder durch den Einsatz zusätzlicher Lehrkräfte. In mehreren Gemeinden müssten mittlerweile Sonderklassen gebildet werden, um den besonderen Bedürfnissen der betroffenen Kinder gerecht zu werden. Der Druck auf das Schulsystem nehme damit ebenso spürbar zu wie jener auf die sozialen Sicherungssysteme insgesamt.
Bis zu 300.000 Roma leben nach Schätzungen des deutschen Zentralrats der Sinti und Roma in der Ukraine – ein erheblicher Teil davon in Regionen, die bislang nicht vom Kriegsgeschehen betroffen sind. Auch in anderen Bundesländern, etwa in Niederösterreich, beobachten die Behörden einen spürbaren Anstieg entsprechender Anträge: Allein dort sollen wöchentlich bis zu 30 neue Leistungsanträge von Roma-Großfamilien eingehen.
In mehreren europäischen Ländern wurde die Ukraine-Verordnung mittlerweile modifiziert. Ungarn und die Slowakei beschränken staatliche Unterstützungsleistungen inzwischen auf Personen, die nachweislich aus Kampfgebieten stammen. Die Differenzierung erfolgt dabei bereits bei der Erstregistrierung – ein Schritt, der die Systeme entlastet und zielgerichtete Hilfe ermöglicht. Auch Norwegen und die Schweiz handhaben die Situation restriktiver, indem sie Schutzgewährungen stärker an individuelle Gefährdungslagen knüpfen.
In Österreich hingegen fehlt eine solche Differenzierung bislang. Die derzeit geltende Ukraine-Verordnung erkennt pauschal allen Personen mit ukrainischer Staatsbürgerschaft Schutzstatus zu – unabhängig von ihrer konkreten Herkunft innerhalb des Landes. Eine kurzfristige Anpassung gestaltet sich aufgrund der bürokratischen Komplexität als schwierig. Politische Zurückhaltung spielt dabei ebenfalls eine Rolle: Besonders Vertreter der Grünen betonen das grundsätzliche Schutzversprechen, das Österreich allen Ukrainern gegeben habe, und warnen vor vermeintlich durch russische Propaganda genährten Stimmungen.
Doch die Realität stellt diese Position zunehmend infrage. Die verfügbaren Mittel sind begrenzt, die kommunale Infrastruktur kommt vielerorts an ihre Belastungsgrenze, und das Sozialsystem stößt an die Grenzen seiner langfristigen Tragfähigkeit. Bleibt eine Anpassung der Regelung aus, droht Österreich mehr und mehr zu einem Zielstaat migrationswilliger Gruppen zu werden, die weniger durch unmittelbare Bedrohung als vielmehr durch die Attraktivität der angebotenen Sozialleistungen zur Ausreise bewegt werden.
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