Das im Fliegerhorst Büchel (Rheinland-Pfalz) stationierte Taktische Luftwaffengeschwader 33 der Bundeswehr hat im Rahmen von Deutschlands “nuklearer Teilhabe” der NATO-Streitkräfte die Aufgabe, die von den USA auf dem Fliegerhorst stationierten Wasserstoffbomben vom Typ B61 im Falle eines nuklearen Einsatzbefehls an die hierfür vorgesehenen PA-200-Tornado-Jets zu montieren und sie über den als Ziele vorgesehenen Orten abzuwerfen. Jetzt wird dieses Geschwader vorübergehend auf den rund 100 Kilometer entfernten Fliegerhorst in Nörvenich in Nordrhein-Westfalen verlegt. Grund sind die bereits seit Längerem geplanten Sanierungsarbeiten am Luftwaffenstützpunkt Büchel, die voraussichtlich bis Ende Februar 2026 andauern sollen. Da steht die Frage, ziehen die in Büchel bereitgehaltenen US-Nuklearwaffen mit um? Die Einwohner von Nörvenich machen sich da schon Sorgen.
Erster Tornado bereits in Büchel gelandet
Den ersten Tornado des aus insgesamt 25 Kampfjets bestehenden Luftwaffengeschwaders 33 der Bundeswehr flog der Kommandeur der Staffel Oberst Thomas Schneider am Mittwoch selbst zum Fliegerhorst bei Nörvenich. Nach einer der temporären Verlegung vorausgegangen langen Planungsphase unterzeichnete er gemeinsam mit Oberst Timo Heimbach, dem Kommandeur des im Fliegerhorst Nörvenich beheimaten Geschwaders, traditionsstiftend benannt nach dem deutschen Jagdflieger im Ersten Weltkrieg Oswald Boelcke, nun abschließend eine etwa 80-seitige Vereinbarung über die gemeinsame Nutzung des Luftwaffen-Stützpunktes. Bis zum 13. Juni sollen demnach auch die restlichen 24 Maschinen aus Büchel auf ihrem Ersatz-Stützpunkt in Nörvenich landen.
Mit der Fliegerstaffel werden zudem auch die rund 450 Soldaten sowie diverse zivile Mitarbeiter von Büchel nach Nörvenich verlegt. “Wir machen das alles hier im Schulterschluss”, erklärte Heimbach dem Kölner Stadt-Anzeiger. Den Flugbetrieb wollen die beiden Geschwader deshalb soweit miteinander synchronisieren, dass es trotz des zusätzlichen Geschwaders dennoch “nur” bei jeweils zwei Abflug- und Landephasen am Tag bleibe. Für die Tornados aus Büchel seien vorerst pro Jahr 1.400 Flugstunden und für die Piloten der in Nörvenich beheimateten Eurofighter insgesamt 3.800 Flugstunden im Jahr eingeplant.
“Wir sind uns der Belastungen für die Bevölkerung bewusst”, erklärte Schneider zumindest mit Blick auf die zusätzliche Fluglärmbelastung, die nun den rund um den Fliegerhorst Nörvenich lebenden Anwohnern durch die Verlegung droht. Allerdings, beruhigte der Kommandant, werde man durch die Reduzierung und Verlegung von Einsätzen versuchen, den Fluglärm in Grenzen zu halten.
Aber was ist mit den Atombomben?
Auf die Frage, ob mit der Deutschland zugewiesenen “Nuklearen Teilhabe” durch das beauftragte Luftwaffengeschwader 33 nicht auch die in Büchel lagernden US-Atombomben in den Fliegerhorst Nörvenich im NRW-Kreis Düren verlegt werden müssten, gab es erwartungsgemäß von den beiden Kommandeuren gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger keine klare Antwort. Heimbach behauptete lediglich, es würden keine “scharfen Waffen” von Büchel nach Nörvenich verlegt. Schneider beschwichtigte, dass der Militärflugplatz in Büchel ja trotz der Sanierungsarbeiten weiterhin über eine Notlandebahn verfüge, die im Notfall von Nörvenich aus in 20 Minuten erreicht werden könne.
Allerdings verfügt auch der Fliegerhorst Nörvenich seit jeher über eine für die Lagerung von Atomwaffen benötigte Infrastruktur. Zuerst waren dort nämlich von 1955 bis 1995 bereits Nuklearwaffen der USA stationiert. Seit gut einem Jahr liegt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken im Deutschen Bundestag nun vor, und damit ist auch einer der Gründe bekannt, weshalb dieser Luftwaffenstützpunkt heute als Ausweichflugplatz für das Luftwaffengeschwader 33 gewählt wurde. Die Bundestagsabgeordneten der Fraktion Die Linke stellten nämlich im Jahr 2020 anlässlich der alljährlich stattfindenden NATO-Übung “Steadfast Noon“, einem Manöver, bei dem die NATO den Abwurf von Atomwaffen übt, zudem fest, dass in dem Jahr 2020 erstmals auch der Fliegerhorst Nörvenich in die Übung integriert war. In einer entsprechenden Bundestagsdrucksache hieß es hierzu laut Anfrage:
“Auch in die diesjährige Atomkriegsübung ‘Steadfast Noon’ vom 12. bis 21. Oktober 2020, an der sich neben deutschen Tornadostaffeln auch Kampflugzeuge aus den Niederlanden, aus Belgien und Italien beteiligten, war neben Büchel auch der Fliegerhorst Nörvenich einbezogen.“
Die Antwort seitens der Bundesregierung vor gut einem Jahr auf die Anfrage der Abgeordneten enthielt wenig Fakten oder gar Bestätigungen. Die Bundesregierung verwies nämlich bereits einleitend wieder darauf, dass “die Informationspolitik hinsichtlich der Nuklearstreitkräfte der NATO” aus “Sicherheitsgründen den verpflichtenden Geheimhaltungsregeln des Bündnisses” unterliege:
“Demzufolge können zu der Anzahl, den Lagerorten, dem Umgang mit und den Spezifika der Nuklearwaffen sowie ihrer Trägersysteme, wie auch der Ausbildung, der Übung und der Absicherungsmaßnahmen keine Angaben gemacht werden. Aussagen und Mutmaßungen hierzu können zudem weder bestätigt noch dementiert werden.”
Da der Kleinen Anfrage zufolge jedoch bereits auch italienische Kampfpiloten, die ebenso mit der Nuklearen Teilhabe Italien beauftragt sind, “von Nörvenich aus Tiefflüge über der Eifel und dem Saarland trainierten”, legt dies jedoch zumindest die begründete Vermutung nahe, dass die bisher stillschweigend in Büchel lagernden Atombomben letztlich nun doch ebenso nach Nörvenich verlegt werden. Die Anwohner von Nörvenich wird das ebenso wenig “beruhigen” wie bisher die in Büchel wohnenden.
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