Im Jahr 2023 waren es noch Fahrer aus diversen Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die auf deutschen Rastplätzen in den Streik traten, weil sie von der polnischen Spedition, die sie auf deutsche Strecken geschickt hat, nicht bezahlt wurden. Die neueste Meldung belegt, wie weit das Transportgewerbe inzwischen seine Netze auslegt, um Fahrer zu fangen, die man möglichst schlecht bezahlen kann.
Diesmal geht es um Lkw-Fahrer, die in Simbabwe angeworben wurden, von einer Firma, deren Sitz in Tschechien liegt. Seit einer Woche sind elf dieser Fahrer auf deutschen Rastplätzen im Streik: Die Gewerkschaft Verdi nannte Krefeld, Nürnberg, Merklingen und Bremen. Andere stehen in Frankreich und Italien.
Wie bei den Fahrern der polnischen Spedition Mazur im Jahr 2023 gab es auch hier Fälle von Einschüchterung und Bedrohung. In Frankreich, so Edwin Atema, der Sprecher der von Transportarbeitergewerkschaften gegründeten Stiftung Road Transport Due Diligence (RTDD), der bereits die Streikenden von 2023 betreut hatte, seien von Vertretern der Firma Autobatterien ausgebaut worden, um den streikenden Fahrern die Heizung zu nehmen.
Einem Bericht der Frankfurter Rundschau zufolge hatte einer der Fahrer am Dienstagmorgen die Polizei gerufen, nachdem drei Männer versucht hatten, am Rastplatz Steigerwald in sein Führerhaus einzudringen. Die Angreifer waren, stellte sich später heraus, mit gefälschten Dokumenten unterwegs. Dem folgte nach dem Abzug der Polizei, so ein Bericht der FAZ, eine versuchte Entführung. Mitarbeiter der Spedition Global Transporte sollen versucht haben, einen 39-jährigen Simbabwer mitsamt seinem Lkw vom Rastplatz Erlangen gegen seinen Willen nach Tschechien zu bringen; daraufhin rief Atema erneut die Polizei. Die FAZ schreibt unter Berufung auf das Polizeipräsidium Mittelfranken, “eine Streife habe am 28. Januar nach Hinweisen eines Zeugen auf der A 3 einen Lastwagen mit zwei Insassen aus Simbabwe und Belarus gestoppt. Der Afrikaner habe angegeben, dass der andere Mann ihn gegen seinen Willen mitgenommen habe. Der Belarusse sei wegen Verdachts auf Freiheitsberaubung vorübergehend festgenommen worden.”
Dort wird auch die Vorgeschichte jenes Fahrers berichtet, die das Ausmaß sichtbar macht, den dieser europäische Sklavenhandel inzwischen angenommen hat. Der Mann sei in Südafrika als Fahrer tätig gewesen und dort von Global Transporte Slovakia angeworben worden – für einen angepriesenen Monatsverdienst von 1.500 Euro. Im Vertrag hätten dann jedoch nur noch 875 Euro gestanden.
Er habe den Flug und das Visum selbst bezahlt und zusammen mit 30 weiteren afrikanischen Fahrern einen Kurs gemacht, um in der EU fahren zu dürfen. Allerdings sei selbst von dem niedrigeren im Vertrag stehenden Lohn noch Geld abgezogen worden, sodass er seit Monaten nur in dem Lkw lebe.
Die “gefälschten Dokumente”, die bei den oben erwähnten Männern gefunden wurden, sollen übrigens “mutmaßlich gefälschte ADR-Bescheinigungen” gewesen sein, also Dokumente für das Fahren von Gefahrguttransporten. Was belegt, dass von den Geschäftspraktiken dieser Speditionen auch eine konkrete Gefährdung für die Anwohner der Transportrouten ausgeht.
In einer Pressemitteilung weist die Gewerkschaft ver.di darauf hin, dass diese Machenschaften mitnichten mit Verweis auf dubiose osteuropäische Unternehmen entschuldigt werden können: “Die Fahrer sind für eine slowakische Tochterfirma der in Baden-Württemberg ansässigen Spedition Hegelmann Group unterwegs.”
Die 1998 gegründete, in Bruchsal ansässige Logistikfirma, die den drei Brüdern Georg, Alexander und Waldemar Hegelmann gehört, beschäftigt europaweit etwa 5.000 Fahrer über Tochterunternehmen vor allem in Osteuropa. Im Jahr 2021 hatte sich Firmenchef Siegfried Hegelmann (ein Cousin der Brüder) in einem Interview mit der Fachzeitschrift Deutsche Verkehrszeitung gebrüstet: “Wir sind etwa doppelt so wirtschaftlich wie die Branche”, und seine “Hegelmann Driver Academy” in Polen angepriesen, in der man selbst ausbilde. Auf die Frage, wo er die Fahrer rekrutiere, erwiderte er damals:
“Demografisch bedingt größtenteils in osteuropäischen Ländern und darüber hinaus bis nach Tadschikistan oder auch Indonesien. Die Ausbildung dauert etwa fünf bis sechs Wochen. Geplant ist für dieses Jahr, etwa 1.500 neue Fahrer in den Markt sowie auf unsere Lkw zu bringen.”
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