Von Dagmar Henn
Es war von Anfang an klar, dass die Zinspolitik in einer Falle steckt. Zum einen drängt nicht nur die Inflation in Richtung von Zinserhöhungen, sondern auch die Geopolitik. Über eine Zinserhöhung in den USA lässt sich in Entwicklungsländern leicht ein Staatsbankrott auslösen, wodurch sie dann zu Kreditaufnahmen beim IWF genötigt werden. Selbst die Strategie, Industrie aus Europa in die USA zu ziehen, erfordert Zinserhöhungen.
Die Banken, insbesondere die US-Banken, haben damit allerdings Probleme. Das Erste ist, dass viele US-Bürger das Geld, das sie während Corona etc. erhalten haben, zur Bank trugen. Nun sehen sie aber, dass es dort schlecht verzinst wird, und lösen massenhaft Einlagen auf. Weil die Banken verpflichtet sind, ein festes Verhältnis zwischen Anlagen und Einlagen nicht zu überschreiten, führt das dazu, dass sie eigentlich Anlagen verkaufen müssten, es aber schlecht können.
SVB, die Bank, die am Freitag gestürzt ist, hat besonders viel in “grüne Energie” angelegt – im Kern ein spekulativer Markt, der völlig von öffentlichen Subventionen abhängt. Dieses Geschäft läuft bei Weitem nicht so gut wie erwartet, sprich, es erwies sich als weitere Blase, die nun geplatzt zu sein scheint.
Es gibt aber noch einen weiteren Faktor, der solche Situationen verschärft und womöglich dazu geführt hat, dass man Szenen eines klassischen Bank Runs sehen kann: Im Nachklang zur Finanzmarktkrise haben alle G7-Länder die Regeln für solche Lagen geändert und dem Modell Zypern angepasst.
Durchgesetzt wurde das damals vom deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble, mit der Absicht, einen weiteren “Bail-out”, also eine Bankenrettung mit Steuergeldern, zu vermeiden. Das, was dabei herauskam, heißt “Bail-in” und dürfte zu einer Vorverlagerung von Bank Runs führen.
Bei der Bankenkrise auf Zypern setzte die EU durch, dass die Einleger der Bank, also alle, die bei einer Bank ein Konto haben, behandelt werden wie Anleger in der Bank, also Menschen, die Anteile an der Bank besitzen. Es gab zwar eine Schwelle, bis zu der das Geld garantiert wurde; aber es gab weitreichende Kapitalkontrollen, wobei das Wort “Kapitalkontrolle” die wahren Tatsachen eher verschleiert.
Tatsächlich konnten alle Kunden der betroffenen Banken über Jahre hinweg nur begrenzte Beträge abheben. Zu Anfang waren das in Zypern 300 Euro pro Woche. Das war unabhängig davon, ob es sich um Lohn handelte, ein Sparbuch oder der gerade erst ausgezahlte Wohnungskredit. Was nicht betroffen war, waren Depots in den jeweiligen Banken, was natürlich heißt, dass auch diese Form der Krisenbekämpfung sich das Geld eher unten als oben holt.
Die Reaktion auf solche Regeln ist absehbar und hat am Freitag vermutlich das erste Mal stattgefunden. Sie lautet, das Geld, das man auf einer Bank liegen hat, abzuziehen, ehe die Schwierigkeiten der Bank so groß sind, dass ein Bail-in in Kraft tritt. Das heißt, die Regelung, zu deren gesetzlicher Einführung alle G7-Mitglieder verpflichtet wurden, erhöht das Risiko eines Bank Runs.
Nun unterscheiden sich die Rahmenbedingungen heute deutlich von jenen des Jahres 2008. Damals war es dem Westen relativ problemlos möglich, einfach die Geldmenge zu erhöhen, weil es keine Alternativen zum Dollarsystem gab. Egal, was die US-Zentralbank Fed anstellte, alles auf der Welt brauchte Dollars. Inzwischen ist das Dollarsystem zwar noch vorhanden, aber deutlich angeschlagen. Immer mehr Länder wickeln ihren bilateralen Handel in anderen Währungen ab. Das führt automatisch dazu, dass die Folgen der Geldschöpfung im Dollarraum nicht mehr auf den Rest der Welt umverteilt werden können, sondern direkt vor Ort die erwartbare Folge zeitigen: steigende Inflation.
Die aktuelle Inflation im Westen ist also nicht nur ein Ergebnis der diversen Rettungsschirme zu Corona und Energiepreisen, sondern auch ein Produkt des schrumpfenden westlichen Währungsraums. Das wiederum war einer der Gründe für die Zinserhöhungen der Fed, die dann wiederum … unschwer zu sehen, das ist ein Teufelskreis, aus dem kein Ausweg bekannt ist.
Wie weit sich diese akute Krise ausweitet, ist noch nicht absehbar. Credit Suisse steckt in Schwierigkeiten, und der Kurs der italienischen Unicredit fiel heute so stark, dass der Handel ausgesetzt werden musste. Auch wenn das Einlage/Anlage-Verhältnis bei den europäischen Banken besser aussieht als bei ihren US-Gegenstücken, sollte man nicht vergessen, dass das Schattenbankensystem nach wie vor existiert und die Höhe, in der in Derivate investiert wurde (die bei der Deutschen Bank zeitweise im Billionenbereich lag) unbekannt ist.
Die großen US-Banken haben nach Auskunft der Regulierungsbehörde FDIC über 200 Milliarden Anlagen zu hoch bewertet in den Büchern stehen und müssten eigentlich verkaufen oder ihr Kreditvolumen zurückfahren. Das allerdings ist ein Ticket in die Rezession; schwierig, wenn aufgrund steigender Zinsen bereits Hypotheken zunehmend gefährdet sind.
Selbst wenn es diesmal nicht zu einer Kettenreaktion kommt, viele größere Banken könnten sie auslösen. Letztlich wurde die Bankenkrise von 2008 eben nicht bewältigt, sondern nur durch die Geldschöpfung eingefroren. Sie konnte all die Jahre über jederzeit auftauen.
Relativ unbeeinträchtigt dürften übrigens die vier weltgrößten Banken davonkommen, selbst wenn sich die SVB als Auslöser einer weiteren Bankenkrise erweist. Die sind nämlich in staatlichem Eigentum, und der Staat, dem sie gehören, heißt China.
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