Kaum ist die Credit Suisse (CS) in der UBS aufgegangen, holt die Vergangenheit die einstige Vorzeigebank wieder ein. Amerikanische Senatoren wollen es plötzlich ganz genau wissen: Hat die Credit Suisse Nazi-Vermögen verwaltet – und die Spuren jahrzehntelang vertuscht? Unterstützung bekommen die US-Ermittler ausgerechnet aus Argentinien – von Javier Milei, dem lautesten Präsidenten der westlichen Welt.
Die Affäre erinnert an die neunziger Jahre. Schon damals rollten die USA die Debatte um nachrichtenlose Vermögen jüdischer Holocaust-Opfer neu auf. Schweizer Banken, darunter die CS, zahlten am Ende 1,25 Milliarden Dollar – nicht unbedingt aus Schuldgefühl, sondern weil es für den Finanzplatz opportun war. Der Deal sollte einen Schlussstrich ziehen. Dachte man.
Jetzt kommt die Geschichte zurück – in Form von verstaubten Akten, die seit Jahrzehnten in den Archiven der Credit Suisse lagern. Es geht um angebliche Nazi-Konten, um Geld für Fluchthilfe und um geheime Finanznetzwerke, die Nazis nach 1945 aus Europa herausgeschleust haben sollen – oft direkt nach Argentinien.
Javier Milei, der libertäre Wirbelwind aus Buenos Aires, hat sich in die Affäre eingeklinkt – und das mit Begeisterung. Er sichert den Amerikanern volle Transparenz zu und verspricht, argentinische Dokumente zu öffnen. Darin soll es Belege geben, dass Nazis über die damalige Schweizerische Kreditanstalt – die spätere Credit Suisse – Geldwäsche betrieben und Fluchtrouten finanzierten.
Warum dieser Eifer? Milei mag zwar als Freiheitsfanatiker auftreten, doch hier macht er sich zum willigen Helfer des US-Establishments. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Argentinien ist wirtschaftlich am Abgrund und braucht dringend gute Beziehungen zu Washington. Da kommt ein moralischer Kreuzzug gegen die Schweiz gerade recht.
Die Vorwürfe wiegen schwer. Im Januar veröffentlichten die US-Ermittler einen Zwischenbericht, der die Credit Suisse frontal angreift: Die Bank habe “über Jahre hinweg” Beweise für Nazi-Verbindungen versteckt und sogar versucht, die laufende Untersuchung zu sabotieren. Dass die UBS nach der Übernahme 2023 plötzlich zur Kooperation bereit ist, zeigt, wie wenig Rückhalt die CS bei ihrer eigenen Geschichte hatte.
Tatsächlich sitzt die UBS jetzt auf einem historischen Müllberg: 300.000 Meter Archivmaterial, unzählige digitale Akten – vieles aus der Zeit vor und während des Zweiten Weltkriegs. Wer die Geschichte der Schweizer Banken kennt, ahnt: Da schlummert mehr als nur ein paar brisante Nazi-Konten.
Die neue Untersuchung wirft ein grelles Licht auf das Verhältnis zwischen der Schweiz und den USA. Es geht – wie immer – um Geld, Macht und Moral. Die Amerikaner inszenieren sich als Aufklärer, obwohl ihr eigener Geheimdienst nach 1945 tausende Nazis in den Staatsdienst integrierte. Die Schweiz wiederum spielt ihr altes Spiel: Man gibt nur so viel zu, wie unbedingt nötig, um die Mär vom sauberen Finanzplatz aufrechtzuerhalten.
Für Milei ist die Affäre ein gefundenes Fressen. Er präsentiert sich als schonungsloser Aufklärer – ein Mann, der sogar gegen die mächtigen Schweizer Banken aufsteht. Dass er damit vor allem den Amerikanern einen Gefallen tut, die Argentinien künftig bei den internationalen Finanzinstitutionen die Hand reichen sollen, sagt er lieber nicht laut.
Die Geschichte der Credit Suisse endet nicht mit ihrem Untergang. Sie wird weitergeschrieben – von amerikanischen Senatoren, argentinischen Präsidenten und einer Schweizer Öffentlichkeit, die sich fragen muss: Wie viel Wahrheit verträgt unser Bild von der “guten alten Bank”?
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