Die Außenminister der NATO-Staaten tagen heute und morgen in Brüssel. Bereits gestern skizzierte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die aktuelle geopolitische Lage aus Sicht der NATO. Wenig verwunderlich: Das auf Expansion und Konfrontation angelegte Militärbündnis sieht sich durch zahlreiche Entwicklungen herausgefordert und schlägt aggressive Töne an.
Stoltenberg zeigte dabei auch, zu welch kognitiver Dissonanz er fähig ist, denn während er eine Verlängerung der Feuerpause im Nahost-Konflikt fordert, weil dies die Situation der Zivilisten in Gaza erleichtern würde, und den Iran vor Eskalation warnt, setzt er auf einen langen Krieg in der Ukraine. Dabei macht er zudem seine Fähigkeit zur flexiblen Auslegung der Fakten deutlich.
Stoltenberg behauptet, die Ukraine habe inzwischen 50 Prozent des von Russland zu Beginn der Kampfhandlungen eingenommenen Gebietes zurückerobert. Der Trick dabei ist, dass Stoltenberg den freiwilligen Rückzug aus dem Großraum Kiew, der im Rahmen einer weitgehend vollständig ausgehandelten Vereinbarung zwischen der Ukraine und Russland erfolgte, als militärischen Erfolg der Ukraine verkauft. Faktisch verliert die Ukraine inzwischen Gelände.
Später gibt Stoltenberg auf Anfrage zu, dass die Ukraine inzwischen keine Geländegewinne mehr macht, behauptet aber, die Ukraine würde Russland schwere Verluste zufügen. Gegen diese These spricht allerdings, dass es in Russland bisher nur eine Mobilisierungswelle gab. Im Oktober 2022 berief Russland 300.000 Reservisten ein. Danach rekrutiere Russland ausschließlich Freiwillige. Anders in der Ukraine.
Dort werden die Kriterien für eine Einberufung immer weiter abgesenkt. Laut dem russischen militärischen Nachrichtendienst SWR empfehlen Washington und London Kiew einerseits die Absenkung des Mindestalters, ab dem einberufen werden kann, auf 17 und andererseits die Anhebung des Höchstalters auf siebzig. Vor wenigen Wochen waren bereits die Einberufungskriterien gelockert worden. Die Ukraine ruft jetzt zum Beispiel auch Männer mit chronischen psychischen und virologischen Erkrankungen wie HIV und Hepatitis C zum Dienst an der Waffe. Zudem häufen sich Berichte über gewaltsame Zwangsrekrutierungen ebenso wie die Berichte über die Flucht wehrfähiger Ukrainer ins Ausland. All das deutet darauf hin, dass die von Stoltenberg behaupteten Verluste der russischen Armee eine weitere Desinformation der NATO ist.
Stoltenberg behauptet zudem, die Ukraine würde selbst entscheiden, wann sie zu Verhandlungen bereit sei und ob sie dabei territoriale Zugeständnisse an Russland mache. Dabei hängt die Ukraine vollständig von ausländischer militärischer als auch finanzieller Unterstützung ab. Es ist vollkommen klar, dass die Entscheidungen des Kiewer Regimes über den Fluss von Waffen und Geld gesteuert werden können.
Stoltenberg lobte den Mut der Ukrainer. Entgegen den Fakten behauptet Stoltenberg in diesem Kontext, Ziel Russlands sei es gewesen, die Ukraine in drei Tagen einzunehmen. Das sei dank des Widerstands der Ukraine nicht gelungen. Fakt ist hingegen, dass eine vollständige Einnahme der Ukraine ebenso wenig Ziel der militärischen Spezialoperation war, wie es ein Durchmarsch auf Polen, das Baltikum oder Berlin ist, wie das vielfach im Rahmen von deutschen und westlichen Desinformationskampagnen behauptet wird.
Ziel der Operation war die Unterstützung der Republiken des Donbass bei ihrem Kampf um Unabhängigkeit vom Kiewer Regime. Nach dem Scheitern von Minsk 2 und dem zunehmenden Beschuss von Donezk und Lugansk durch die Ukraine hatten sich die Republiken von der Ukraine abgespalten. Nach der Anerkennung durch die Russische Föderation wurde eine offizielle Bitte um militärische Unterstützung an Moskau gerichtet, der entsprochen wurde. Damit ist lediglich der russische Marsch auf Kiew völkerrechtlich zu verurteilen. Die Unterstützung der Republiken Donbass erfolgt aus russischer Sicht im Rahmen des Völkerrechts.
Der Ukraine-Konflikt geht im Kern auf den Ausdehnungswillen der NATO zurück. Wird das Projekt einer Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO aufgegeben, ist die Grundlage für ein Ende des Konflikts gegeben. Dass die NATO weiterhin ihre Bereitschaft zur Aufnahme bekundet, belegt, dass die NATO kein Interesse an einem Ende des Konflikts hat. Auf Nachfrage erklärt Stoltenberg, dass die NATO im Gegenteil bereit sei, weitere Waffengattungen zu liefern und damit den Krieg zu eskalieren.
Stoltenberg macht damit deutlich, dass die NATO immer weiter vom Geist der NATO-Russland-Grundakte abrücken wird. Dort heißt es
“Im Zuge der Stärkung der OSZE werden die NATO und Russland zusammenarbeiten, um jede Möglichkeit einer Rückkehr zu einem Europa der Spaltung und Konfrontation oder der Isolierung irgendeines Staates auszuschließen.”
Stattdessen strebt die NATO weiterhin die Konfrontation mit Russland und seine Isolation an, macht Stoltenberg zu Beginn des Treffens der NATO-Außenminister deutlich.
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