Von Armin Schmitt
Die irakischen Milizen nahmen als Vergeltung für Washingtons Unterstützung des israelischen Krieges im Gazastreifen und als Zeichen ihrer starken Solidarität mit den Palästinensern einen US-Außenposten an der Grenze zu Jordanien mit Drohnen ins Visier. Bei dem jüngsten Angriff auf einen US-Militärstützpunkt in der Region wurden drei US-amerikanische Soldaten getötet und mindestens 40 Soldaten verletzt.
In den westlichen Medien hieß es, dass der Außenposten “Tower 22” auf jordanischem Boden das Ziel des Drohnenangriffs gewesen sei. Auf der anderen Seite der Grenze zu Syrien, in Al-Tanf, liegt jedoch ein weiterer US-amerikanischer Außenposten. Dieser wird immer wieder von irantreuen schiitischen Milizen mit Drohnen oder Raketen angegriffen. Und laut der Darstellung der Medien, der sogenannten “Achse des Widerstands”, war eben die Basis Al-Tanf, wo US-Besatzungstruppen stationiert sind, das Ziel des tödlichen Angriffs am Sonntag. Die Al-Tanf-Zone liegt an der Verbindungsstraße zwischen Damaskus und Bagdad und ist damit von besonderer strategischer Bedeutung für die USA, um in der Region weiterhin Präsenz zu zeigen.
Nach dem tödlichen Angriff der irantreuen Milizen debattiert Washington nun über den richtigen Vergeltungsschlag: Präsident Joe Biden versprach unmittelbar nach Bekanntwerden der Attacke, dass die Verantwortlichen “zu einem Zeitpunkt und in einer Weise unserer Wahl zur Rechenschaft” gezogen würden. Bislang haben die USA aber stets hervorgehoben, dass man nicht auf eine Eskalation in der Region aus sei. Mehrere Republikaner mahnten Biden jedoch noch am Sonntag an, Iran direkt anzugreifen. Dabei forderte etwa der republikanische Senator Lindsey Graham, ein einflussreicher Außenpolitiker, Vergeltungsschläge gegen Iran. Der Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, warf der Biden-Regierung “Versagen bei der Abschreckung von USA-Gegnern” vor. Teheran distanzierte sich wie üblich von der Attacke, die Iraker handelten eigenständig. Behauptungen, wonach Iran verantwortlich sei, entbehrten jeglicher Grundlage.
Seit Beginn des Krieges im Nahen Osten im Oktober gab es mehr als 150 Angriffe auf US-amerikanische Truppen in der Region, doch die Reaktion darauf fiel bislang gemäßigt aus.
Der US-Präsident wird nun aber auf die jüngsten Drohnenangriffe reagieren müssen, damit er die “Abschreckungskapazitäten” der USA in der Region aufrechterhalten kann. Weitere Länder in der Region, die die US-Basen beherbergen, etwa Katar oder die Vereinigten Arabischen Emirate, sind schon in Alarmstimmung. Auch innenpolitisch kann Biden es sich im beginnenden Präsidentschaftswahlkampf nicht leisten, schwach zu erscheinen. Gerade beim Thema Iran werfen ihm die Republikaner genau das immer wieder vor. Gleichzeitig wird Biden den Iranern auch signalisieren wollen, dass er an keiner Eskalation interessiert ist.
Es bleibt erst einmal unwahrscheinlich, dass die USA Iran direkt angreifen. Ein Angriff auf Infrastrukturen in Iran wird eine stärkere Reaktion Teherans erfordern. Es wurde bisher immer schlagkräftigeres Material für Angriffe gegen US-Truppen in der Region eingesetzt. Mit einem direkten Angriff auf Iran würde es zu einer Eskalationsspirale kommen und die Konfrontation würde sich in der Luft, an Land und auf See verschärfen. Die US-Sicherheitsbeamten und das Pentagon wissen, dass ein umfassender Krieg gegen Iran neue Fronten im Jemen, im Irak, in Syrien und im Libanon eröffnen würde und damit würden alle US-Basen in der Region zum Ziel der Präzisionsraketenangriffe. Die Preise für Öl und Gas könnten zudem ansteigen, was verheerende Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft und die Weltwirtschaft im Allgemeinen mit sich bringen würde.
Das US-Militär hätte mehrere Möglichkeiten, Iran zu treffen, ohne iranisches Territorium zu attackieren. In Syrien fliegt Israel regelmäßig Angriffe, bei denen teils hohe Offiziere der Revolutionsgarde getötet werden. Man könnte zudem umfassendere und stärkere Luftangriffe als bisher gegen die irantreuen Milizen im Irak führen, oder den Luftkrieg gegen Jemen fortsetzen. Aus solchen Angriffen kann Washington allerdings keinen strategischen Erfolg in der Region erzielen.
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