Von Dagmar Henn
Nun also Schneechaos in München. In einem Ausmaß, wie es so bisher kaum erlebt wurde. Busse und Trambahnen fahren nicht mehr, der Hauptbahnhof, einer der betriebsamsten Bahnhöfe Europas, steht still, und am Flughafen geht bis morgen früh um 6 Uhr gar nichts mehr. Und wie viel Schnee ist nun gefallen, um all diese Ausfälle zu erzeugen? 46 Zentimeter.
Im Norden Deutschlands mag man dieses Ergebnis für normal halten. Der Berliner Verkehr brach schon immer bei wenigen Zentimetern Schnee komplett zusammen. Aber in München? Ungefähr alle zehn Jahre einmal kommt es zu einer derartigen Menge Schnee, und bisher war das Problem stets schnell unter Kontrolle. Der Winterdienst war etwa so leistungsfähig, wie er das hier in Moskau ist. Ernsthaft, als im Winter 2005/06 viel Schnee fiel, dauerte es ungefähr bis 9 Uhr, bis die Hauptverkehrsstraßen frei waren, und am frühen Nachmittag waren auch die Nebenstraßen geräumt.
Natürlich waren die Autos unter der Schneelast verschwunden, und manche davon standen unbewegt an ihrem Platz, bis zwei, drei Wochen später der Schnee wieder verschwand (schließlich hatten viele Probleme, ihr Auto überhaupt zu finden), aber die Stadt insgesamt hatte den Schneefall recht schnell verdaut. Ja, gelegentlich gab es einmal einen Tag Schulausfall, weil die Schüler aus den Umlandgemeinden, die vielfach mit der S-Bahn zum Unterricht fuhren, unmöglich zu Unterrichtsbeginn erscheinen konnten. Aber den ganzen Tag kein öffentlicher Nahverkehr? Das ist München, nicht Berlin. Da fräste sich der Winterdienst einmal in die Stadt und häufte dann riesige Schneeberge am Isarufer und am Marienplatz auf, aber Stillstand?
Natürlich wird alles so erzählt werden, als sei es eine unbeherrschbare Kapriole der Natur. Irgendetwas zwischen Klimawandel und russischem Angriff. Aber in Wirklichkeit spiegelt sich darin weit mehr eine politische Entwicklung wider, die gerade jene staatlichen Aufgaben untergräbt, die der Sicherung des Lebens der Bürger dienen. Es gibt nun einmal Bereiche, in denen Redundanz unverzichtbar ist. Das gilt für das Gesundheitswesen ebenso wie für den Winterdienst. Wenn sie so weit zusammengestrichen werden, dass sie gerade noch den normalen Bedarf decken, führt jedes nicht ganz so häufige Ereignis sofort an die Grenze des Zusammenbruchs. Sei es eine Grippewelle oder besonders heftiger Schneefall.
München ist eine der Hochburgen des Klimaglaubens. Dass man daraus die Konsequenz zog, das Angebot des Winterdienstes zu reduzieren, ist durchaus möglich, schließlich gab es die Überzeugung, Schneefall gehe generell zurück. Und natürlich verteuert das Steigen der Energie-, insbesondere der Treibstoffpreise auch den Betrieb der dafür erforderlichen Fahrzeuge, und der Fahrermangel, der sich bei Lkw und Bussen bemerkbar macht, trifft ebenso die Fahrzeuge des Winterdienstes, die die Straßen beräumen. Wie auch immer, wo auch immer – da ist eindeutig etwas schiefgegangen, dieses Chaos ist selbst gemacht.
Wenn man im Ratsinformationssystem der Stadt München nach Informationen zum Winterdienst sucht, dann wird man bei den Einsparmaßnahmen fündig, die auch in München beschlossen werden.
“Die im Baureferat vorgehaltenen und bewirtschafteten Lagermaterialien sind insbesondere erforderlich zur kurzfristigen Sicherstellung des laufenden Betriebs (u. a. bei Instandhaltungen und Unfallbehebungen), für den Winterdienst (Streumaterialien) sowie für den Arbeitsschutz (Schutzkleidung). Die Einsparungen werden durch eine Streckung von Nachbeschaffungen erreicht.”
Dieses Zitat stammt aus dem Haushaltsentwurf des Baureferats für das kommende Jahr. Das bedeutet aber nicht, dass mit der “Streckung von Nachbeschaffungen” nicht bereits begonnen wurde. Zum Teil dürfte sich das schlicht durch die Inflation ergeben haben. Ein Mangel an Splitt und Salz – bei starkem Schneefall wird auf den Hauptverkehrsstraßen Salz eingesetzt – kann durchaus auch daraus resultieren, dass es von beidem für das gleiche Geld jetzt weniger gibt als in den Vorjahren und eines in kommunalen Haushalten derzeit mit Sicherheit nicht passiert: eine Erhöhung einer Haushaltsposition.
Vielleicht wird das in den kommenden Wochen sogar Thema im Münchner Stadtrat. Aber es war ein Samstag, also schlägt die Stilllegung der Stadt wirtschaftlich nicht ganz so massiv zu Buche wie zwischen Montag und Freitag, und, wie gesagt, der Klimaglaube …
Eines jedenfalls steht fest. Auch wenn es höchst fraglich ist, ob es einen menschengemachten Klimawandel gibt, ein menschengemachtes Schneechaos gibt es. München erlebt sie gerade.
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