Von Wladislaw Sankin
Wird eine Politikerin vom Kaliber Sahra Wagenknecht vor Millionenpublikum freiwillig zugeben, dass sie mit einem Rechtsextremen in einem Restaurant je ein nettes Abendessen hatte? Mitten im Skandal um eine angebliche Wannseekonferenz 2.0 in Potsdam und die Debatte um AfD-Verbot? Derart politischen Selbstmord begehen, nur wenige Tage nach der offiziellen Gründung einer eigenen Partei und der Bekanntgabe optimistisch stimmender Umfragewerte? Schwer vorstellbar, eigentlich völlig unmöglich.
Doch, im deutschen Mediensystem, wo steuerfinanzierte Plattformen für Denunziation wie Correctiv höchstes Ansehen genießen und mithilfe der Öffentlich-Rechtlichen uneingeschränkten Zugang zu Augen und Ohren der Medienkonsumenten haben, durchaus möglich. Sahra Wagenknecht habe nach eigenen Angaben jahrelang E-Mail-Kontakt mit dem Initiator des kürzlich bekannt gewordenen Potsdamer Geheimtreffens mit AfD-Mitgliedern, Gernot Mörig, gehabt, war am Donnerstag die Sensation des Tages – in allen Medien. Mörig habe Wagenknecht “nette Mails” geschrieben, sagte die Vorsitzende der neu gegründeten Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) am Mittwochabend in der ZDF-Sendung “Markus Lanz”, so die Meldung weiter.
Wie derartige “eigene Angaben” zustande kamen – diese Information fehlt natürlich. Was hat Wagenknecht zu diesem Moment der Aufrichtigkeit bewogen? Ganz offensichtlich ein Erpressungsversuch vonseiten immer noch derselben Plattform Correctiv, der Profis im Kompromat-Sammeln gegen alle, die für die gegenwärtige bundesdeutsche Partei-Bürokratie gefährlich sein könnten. Dass die Befragung bei Markus Lanz eine Inszenierung war, geht aus dem Nachdenkseiten–Artikel des einstigen Wagenknechtvertrauten Dieter Dehm hervor.
“Am Samstagabend bereits hatte mich der Anti-Kriegs-Publizist Patrik Baab gebeten, Sahra Wagenknecht umgehend telefonisch zu warnen”, teilt Dehm mit. Er habe recherchiert, auf sie sei demnächst eine mediale Attacke geplant – nämlich aus dem “Adlon-Skandal” der Rechten, über die Person Gernot Mörig, einen “Wagenknecht-Skandal” zu inszenieren.
“Mit der gestrigen Lanz-Sendung hat sich Patrik Baabs Alarm jetzt bestätigt.”
Informationen habe Baab während der Theaterproben zur Nachstellung des Potsdamer Rechtentreffs beim Berliner Ensemble bekommen, eines weiteren Correctiv–Projekts. Lanz dürfte also Wagenknecht kaum spontan und ohne Plan gemeinsam mit dem Correctiv-Redakteur in die Sendung eingeladen haben, urteilt Dehm. Er sieht in der Lanz-Affäre einen weiteren Versuch, nach dem Kontaktschuld-Prinzip eine für die etablierten Parteien und den NATO-Imperialismus unbequeme Figur zu schädigen. Der Ex-Linkenpolitiker weiß, wovon er redet. Vor zehn Monaten hatte er in einem Interview mit Iwan Rodionow enthüllt, dass eine BND-Arbeitgruppe von mindestens sechs Leuten sich zweimal in der Woche treffe, um über Wagenknecht zu beraten. Ziel sei die Zerstörung ihres guten Rufs – durch Journalisten lanciert.
Offenbar hat Correctiv, das in den letzten Tagen zu einer enormen Deutungsmacht aufgestiegen ist, mithilfe des ZDF Wagenknecht mit brisanten Informationen über das gemeinsame Abendessen mit einem Alt-Nazi vor die Wahl gestellt: Entweder sie plaudert das vor laufenden Kameras selber aus, oder diese Aufgabe übernimmt ein Correctiv-Redakteur in einer weiteren “Recherche” im Stil eines Krimis. Der Autor der Adlon-Recherche, Marcus Bensmann, war an jenem Abend bei Lanz höchstpersönlich zugegen. Die Selbstgefälligkeit, mit der er am Verhör der Bundespolitikerin Wagenknecht teilnahm, war eine Botschaft für sich.
Am Anfang wollte Wagenkecht den Namen des “linken Kabarettisten”, mit dem sie sich über ein Vermittlungsangebot des Düsseldorfer Zahnarztes Gernot Mörig treffen wollte, nicht nennen. Sie wollte ihn damit nicht in Verruf bringen. Das tat dann Bensmann für sie. Er musste zeigen, dass er die entscheidenden Informationen hat. Auch wollte er seine Version der Ereignisse den Anwesenden aufzwingen, wonach Mörig Wagenknechts Telefonnummer hatte und mit ihr telefoniert habe. Das hat sie vehement verneint und bestand darauf, dass der oberflächliche Kontakt mit dem toxischen Netzwerker ausschließlich per Mail erfolgte. Markus Lanz spielte seinerseits die Rolle eines Unwissenden und hakte im Gespräch beharrlich nach. Ein weiterer Journalist, kein Geringerer als der stellvertretende Welt-Chefredakteur Robin Alexander, war die dritte Person, die an dem Verhör teilnahm.
Nachdem Wagenknecht das Treffen zufällig “ausgeplaudert” hatte, natürlich zusichernd, dass sie “überhaupt nicht bösgläubig” gewesen sei, dass “der aus der rechten Szene kommt”, begann das eigentliche Verhör, das ganze 15 Minuten dauerte und mit angeblichen Sympathien Wagenknechts für AfD-Chefin Alice Weidel endete. Zur Verdeutlichung, dass es sich um ein vorbereitetes Verhör handelte, haben wir für Sie die Fragen der drei im Studio anwesenden Journalisten dokumentiert – sie sprechen für sich:
Alexander: Wollen Sie sagen, welcher linker Kabarettist es gewesen ist?
Wagenknecht weigert sich den Namen zu nennen und lenkt die Diskussion auf für sie sicheres Terrain – Kritik an der Bundesregierung, die den Höhenflug der AfD in den Umfragen mitverursache. Der Moderator unterbricht sie nicht, wird aber mit der Zeit ungeduldig. Dann lenkt er die Diskussion in die “richtigen” Bahnen zurück:
Lanz: Darüber reden wir gleich, aber ich glaube, die wichtige Frage, die die beiden Herren im Kopf haben, ist eine andere gerade. Es geht um diesen linken Kabarettisten, oder?
Dann gibt er dem Correctiv-Journalisten das Wort.
Bensmann: Ich möchte zwei Fragen stellen, weil ich das ganz spannend finde und das bestätigen unsere Quellen. Mörig prahlte auch damit, ihre Telefonnummer zu haben.
Lanz: Auf der Veranstaltung (offenbar im Adlon-Hotel) oder wo?
Bensmann: Er prahlte auf der Veranstaltung damit, eine Telefonnummer von Ihnen zu haben, Frau Wagenknecht. Wie ist es damit gegangen, haben Sie mit ihm telefoniert oder haben Sie nur E-Mails ausgetauscht?
Wagenknecht gerät in Erklärungsnot, es sei nur eine Vermittlung zum Kennenlernen des Kabarettisten gewesen.
Lanz: Was heißt vermittelt, Frau Wagenknecht? Was heißt das?
Bensmann: Das ist Volker Pispers.
Lanz: Und er hat Ihnen dieses Abendessen vermittelt? Warum? Was ist die Motivation, das will ich gerne verstehen.
Bensmann: Darf ich fragen, wann er das gemacht hat?
Lanz: Was hat der Mörig davon?
Alexander: Wieso ruft der Kabarettist nicht selber an?
Wieso braucht ein linker Kabarettist einen Rechten, um Frau Wagenknecht anzurufen?
Lanz: Woher hatte er Ihre Telefonnummer?
Bensmann: Er behauptet das. Ich habe nicht in sein Telefon geguckt. Aber das sagen unsere Quellen, er prahlt damit, dass er Ihre Telefonnummer hat, dass er gut vernetzt sei.
Alexander: Und Sie haben sich all die Jahre die Mails hin und her geschrieben?
Lanz: Wann hat er zuletzt geschrieben? Nach dem letzten Auftritt bei uns? Vor ein paar Tagen, vor ein paar Monaten oder Jahren?
Lanz: Ich habe noch eine Frage dazu. Ich will Ihnen in keinster Weise irgendwas unterstellen, wirklich nicht. Aber was ich nicht verstehe – wir leben in Zeiten des Internets. Wenn mich jemand anruft oder kontaktiert. Das Erste, was ich mache, wenn ich jemanden nicht kenne, ich schaue, wer ist das.
Wagenknecht erklärt daraufhin, dass die Bezugsperson Politiker und Buchautor Max Otto sei, den die beiden kannten.
Alexander: Hat er Sie nach ihrer neuen Partei gefragt, ob er sie unterstützen kann?
Lanz: Sie sind eine akribische Arbeiterin und eine ausgezeichnete Journalistin. Ich lese selbst gerne ihre Stücke. Mir fällt es schwer, das zu verstehen. Da schreibt Sie jemand wie dieser Mann über zehn Jahre hinweg an und Sie interessieren sich nicht, wer das eigentlich ist?
Lanz: Haben Sie sich mit Mörig persönlich getroffen? Er war ja auch dabei? Das habe ich zuerst anders verstanden.
Alexander: War es bei ihm Zuhause?
Lanz: Wenn man so einen Mann trifft. Man trinkt das ein oder andere Gläschen Rotwein, irgendwann versteht man doch, wem man dann doch gesinnungsmäßig gegenüber sitzt?
Bensmann: Kann es sein, dass Herr Mörig in Ihnen eine Hoffnungsfigur sieht für seinen Plan?
Die Frage kommt bei Wagenknecht nicht gut an:
“Jetzt kommen Sie mit so einem Niveau, tut mir leid… Mit so was habe ich nichts zu tun und will damit auch nichts zu tun haben.”
Lanz: Björn Höcke hat Sie auch mal eingeladen, in die AfD zu kommen. Oder habe ich das falsch im Kopf?
Lanz: Was ist Frau Weidel für Sie? Sie haben auffällig in den letzten Tagen Partei für Frau Weidel ergriffen.
Lanz: Stellen wir uns vor, Herrn Höcke gäbe es nicht. Wäre Frau Weidel dann für Sie ein Koalitionspartner?
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