Von Timur Fomenko
Es ist verlockend, die globale Geopolitik als einen binären Kampf zwischen China und den USA zu betrachten, als Wettbewerb zwischen zwei Wirtschaftsgiganten, von denen jeder den anderen als grundlegendes Hindernis für seine eigene Sicherheit und seinen eigenen Erfolg betrachtet.
Doch die Welt ist wesentlich komplizierter. Die internationalen Angelegenheiten bewegen sich nicht in Richtung einer bipolaren Welt, in der zwei Supermächte konkurrierende Systeme schaffen und alle anderen Länder zwingen, Partei zu ergreifen. Stattdessen bewegen sie sich eher in Richtung einer multipolaren Welt, in der viele Großmächte miteinander konkurrieren oder kooperieren.
Der Multipolarität geht der Zerfall der Unipolarität voraus, wobei eine Hegemonialmacht zunehmend im Niedergang begriffen ist, während andere aufsteigen. Daher ist China nicht die einzige aufstrebende Macht, die das globale Umfeld umgestaltet, auch wenn es derzeit die größte ist. Aus diesem Grund ist unwahrscheinlich, dass Peking jemals ein Hegemon in demselben Sinne sein wird wie Washington, denn wir müssen dabei auch andere aufstrebende Mächte berücksichtigen, wie Indien und Russland.
Ein oft übersehenes Land erweist sich jedoch als geopolitisch besonders bedeutsam – und dieses Land ist Indonesien. In diesem riesigen, vielfältigen und multiethnischen Archipel-Staat leben 273 Millionen Menschen. Es ist somit das viertgrößte Land der Welt, was die Bevölkerung betrifft. Indonesien hat zudem eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften in Südostasien; das Bruttoinlandsprodukt des Landes erreichte in den vergangenen Jahren eine Billion US-Dollar und wuchs im Laufe der Zeit stetig. Damit ist Indonesien zu einem der wichtigsten Schwellenländer und Märkte der Welt geworden.
Die gestiegene Bedeutung Indonesiens hat dazu geführt, dass der Inselstaat zunehmend einem geopolitischen Tauziehen im Rahmen des Makrokampfs zwischen den USA und China ausgesetzt ist, in dem es um die Frage geht, wer letztlich die Loyalität Indonesiens gewinnen wird. Die geostrategische Lage des Landes, das sich über Tausende von Inseln erstreckt, ist entscheidend, da es die grundlegende Passage zwischen dem Pazifik und dem Indischen Ozean bildet, die als Straße von Malakka bekannt ist. Somit stellt Indonesien eine wirksame Brücke zu Asien und Ozeanien sowie ins Südchinesische Meer dar. Der Westen betrachtet das Land daher als ausschlaggebend beim Versuch, China in seiner eigenen Nachbarschaft einzudämmen. Peking hingegen sucht die Partnerschaft mit Indonesien aus dem entgegengesetzten Grund und betrachtet Indonesien daher als ebenso entscheidend.
Aber wenn es um Geopolitik geht, ist Indonesien der Archetyp einer blockfreien Nation und eine wichtige Stimme des Globalen Südens. Daher wurde 1955 auf seinem Territorium die berühmte Bandung-Konferenz afrikanischer und asiatischer Staaten abgehalten. Indonesien ist neutral und weil es eine muslimische Nation ist, ist das Land zwar nicht prowestlich, aber auch nicht prochinesisch. Stattdessen verfolgt Jakarta eine Außenpolitik, in der das Beste aus beiden Welten vereint wird. Die indonesische Diplomatie zielt darauf ab, nach beiden Seiten gute Beziehungen zu pflegen, um daraus Vorteile zu ziehen. Mit China als großem Markt und wirtschaftlichem Wohltäter vor seiner eigenen Haustür kann Jakarta Peking nicht einfach ignorieren und trifft daher bewusste Entscheidungen im Handel, in der Technologie – wie im Fall Huawei – und in anderen Gebieten, wo es sich Peking anschließt.
Andererseits möchte sich Indonesien durch den Aufstieg Chinas natürlich nicht militärisch unterwerfen lassen und sucht daher auch andere Partner zur Stärkung der eigenen Autonomie, um nicht zu einem untergeordneten Junior-Partner zu werden. Somit ist Indonesien auch ein strategischer Partner der USA. Dies ist jedoch das Wesen einer multipolaren Welt, in der Nationen das Gefühl pflegen dürfen, sich nicht der Hegemonie eines einzelnen Partners unterwerfen zu müssen. Sie bleiben in der Lage, nach mehreren Optionen zu suchen, anstatt den Befehlen und Präferenzen einer Supermacht Folge leisten zu müssen. Indonesien ist somit weder pro China noch pro USA, Indonesien ist pro Indonesien und wird diese Haltung nutzen, um in der Zukunft eine Schlüsselmacht zu werden.
Allerdings signalisiert dies unweigerlich auch das Ende der westlichen Vorherrschaft auf globaler Ebene. Mit dem Aufstieg neuer Volkswirtschaften wie Indonesien mit seiner riesigen Bevölkerung werden traditionelle Mächte wie Großbritannien und Frankreich zunehmend kleiner und weniger relevant. Es ist eine Sache, den Aufstieg der chinesischen Wirtschaft zu betrachten. Aber was passiert, wenn andere Volkswirtschaften wie Indien, Indonesien, Bangladesch, Nigeria und andere, allein aufgrund ihrer großen Bevölkerungen und Märkte, ein größeres Gewicht bekommen als die westlichen?
Hier findet eine unbestreitbare Verschiebung der Machtverhältnisse statt und das bedeutet natürlich auch, dass sich die Dominanz der USA nicht ewig halten kann. Die USA und damit auch China müssen letztlich die Loyalität der genannten Länder gewinnen und diese neuen Volkswirtschaften umwerben, um so die euroatlantische Dominanz in globalen Angelegenheiten zu beenden, die seit über vierhundert Jahren andauert.
Ebendarum konzentrieren sich die USA jetzt so sehr auf das, was sie als Indopazifik bezeichnen, und Länder wie Indonesien werden schließlich zu Königsmachern werden, während sie ihren globalen Einfluss zunehmend etablieren.
Aus dem Englischen.
Timur Fomenko ist ein politischer Analyst.
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