Die Polizeidirektion Trier teilte am Sonntag mit, dass die Verdächtigen der Messerstecherei im Umfeld der Säubrennerkirmes in Wittlich den US-Behörden übergeben worden seien.
In der Nacht zum Samstag war es kurz vor drei Uhr morgens zu einem Streit in der rheinland-pfälzischen Kleinstadt gekommen, bei dem ein 28-jähriger Wittlicher in der Nähe seiner Wohnung erstochen wurde. Das Tatwerkzeug soll im nahe gelegenen Fluss Lieser gefunden worden sein. Im Verlauf des Samstags konnten zwei tatverdächtige Männer ausfindig gemacht werden. Allerdings stellte sich heraus, dass es sich dabei um zwei US-Soldaten handelt.
Etwa die Hälfte aller in Deutschland stationierten US-Soldaten findet sich in Rheinland-Pfalz. Es handelt sich um etwa 18.500 Soldaten, 12.000 Zivilbeschäftigte und 25.000 Familienangehörige. Zu den US-Einrichtungen in Rheinland-Pfalz gehören unter anderem das Hauptquartier der US-Luftwaffe in Europa in Ramstein und das riesige Militärkrankenhaus in Landstuhl. Für die 131 Millionen Euro, die diese Truppenstationierung im Jahr 2022 kostete, kommen die deutschen Steuerzahler auf.
Die Säubrennerkirmes findet, trotz ihres altertümlich wirkenden Namens, erst seit 1950 in Wittlich statt. Es handelt sich um einen klassischen Jahrmarkt, auf dem sich Unterhaltung, Rummel und Gewerbe mischen. Die Besucher kommen aus der gesamten Region. Eigentlich wird das Fest, das am Wochenende nach dem 16. August beginnt, infolge der Eröffnung am Freitagabend mit einem Festumzug am Samstag eingeleitet. Wegen der Bluttat wurde der Umzug für dieses Jahr abgesagt ‒ die Strecke hätte direkt am Tatort vorbeigeführt. Es sei sogar, so Aussagen des Pressesprechers der Stadt, überlegt worden, die ganze Kirmes abzusagen, aber man habe sich doch dagegen entschieden.
Das NATO-Truppenstatut sieht vor, dass Angehörige von NATO-Armeen, die in einem anderen NATO-Land Straftaten begehen, von ihrem eigenen Land vor Gericht gestellt werden. Die beiden US-Militärangehörigen, die der Tat verdächtig und 25 bzw. 26 Jahre alt sind, wurden dementsprechend den US-Ermittlungsbehörden übergeben. So meldete das Polizeipräsidium Trier heute:
“Die Staatsanwaltschaft Trier gibt daher das Verfahren, dem NATO-Truppenstatut entsprechend, an die amerikanischen Strafverfolgungsbehörden ab.
Aus diesem Grund wurde das Office of Special Investigations (OSI), die Ermittlungsbehörde der US Airbase Spangdahlem, frühzeitig in die weiteren Ermittlungen eingebunden und übernimmt diese ab dem heutigen Tag.
Eine Übergabe der beiden gestern festgenommenen Männer an die amerikanische Ermittlungsbehörde erfolgte soeben.”
Spangdahlem liegt von Wittlich nur wenige Kilometer entfernt. Vermutlich sind die beiden Verdächtigen dort stationiert.
Die Erfahrungen mit der US-Strafverfolgung bei Straftaten in Deutschland sind bisher nicht gerade positiv. Über die Jahrzehnte hinweg finden sich immer wieder Fälle, in denen selbst bei Mord die US-amerikanischen Täter geschützt wurden.
Allerdings: Gemäß Artikel 19, Absatz 3 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut vom 1. Juli 1963 können die deutschen Behörden dafür sorgen, dass dieser Fall vor einem deutschen Gericht verhandelt wird. Die Zuständigkeit US-amerikanischer Behörden ist nämlich die Folge eines freiwilligen Verzichts auf die deutsche Strafverfolgung, um doppelte Verfahren zu verhindern, und dieser freiwillige Verzicht kann für einen konkreten Fall durch einen Einspruch innerhalb von 21 Tagen zurückgenommen werden.
Nach den Erläuterungen zum Artikel 19 gilt das insbesondere für “Straftaten, durch die der Tod eines Menschen verursacht wird, Raub, Notzucht, soweit sich diese Straftaten nicht gegen ein Mitglied einer Truppe, eines zivilen Gefolges oder gegen einen Angehörigen richten”. Von dieser Möglichkeit wird durch die deutschen Behörden nur selten Gebrauch gemacht. Man wird abwarten müssen, ob sie es in diesem Fall wagen.
Eine offizielle Stellungnahme des US-Militärs zu den Festnahmen liegt bisher noch nicht vor.
Mehr zum Thema – Russen zogen ab, US-Militär blieb: Wie die Regierung Kohl die Souveränität verschenkte