Frage: 2014 haben Sie den Bewohnern der Krim zur “Unabhängigkeit von der Ukraine” gratuliert, heute warnen Sie vor “russischer hybrider Kriegführung gegen Deutschland”. Könnten Sie uns erklären, welche Entwicklungen zu diesem Wandel in Ihrer Einschätzung geführt haben?
Frohnmaier: Meine damalige Einschätzung zur Krim basierte auf den Gegebenheiten vor Ort – insbesondere dem klar artikulierten Willen weiter Teile der dortigen Bevölkerung. Ich sagte damals, dass die Krim wohl russisch bleiben werde. Diese Prognose hat sich als zutreffend erwiesen.
Als außenpolitischer Sprecher bewerte ich Bedrohungen gegenüber Deutschland nüchtern und ohne ideologische Scheuklappen – das gilt auch für Formen hybrider Einflussnahme, ganz gleich aus welchem Land sie erfolgt. Grundsätzlich gilt, wer Deutschlands Souveränität verletzt, trifft auf unsere Entschlossenheit.
Sie haben erklärt, Sie hätten sich “in den vergangenen Jahren nicht um Außenkontakte nach Russland bemüht.” Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund die künftige Rolle der AfD in den deutsch-russischen Beziehungen?
Die AfD steht für eine außenpolitische Linie, die sich an den Interessen Deutschlands orientiert – nicht an geopolitischen Wunschvorstellungen. Dazu gehört auch wieder ein stabiles Verhältnis zu Russland als Teil einer tragfähigen europäischen Friedensordnung. Wir setzen uns dafür ein, dass der Dialog mit Russland wieder möglich wird – auf Augenhöhe und ohne moralische Bevormundung.
Was meine persönliche Rolle betrifft: In den vergangenen zwei Jahren lag mein Schwerpunkt klar auf der politischen Arbeit in Baden-Württemberg. Dort war es notwendig, die Landespartei zu ordnen und zu konsolidieren – eine Aufgabe, die ich erfolgreich abschließen konnte. Nun freue ich mich, mich wieder voll außenpolitischen Themen widmen zu können.
Gegenüber der Süddeutschen sprachen Sie von “entschlossenen Reaktionen” gegen Angriffe auf Deutschland. Wo sehen Sie die spezifischen AfD-Positionen in der Außenpolitik, und wie grenzen Sie sich von den etablierten Parteien ab?
Wir lehnen moralpolitisch motivierte Interventionen ab und fordern eine Rückbesinnung auf Diplomatie, Souveränität und Friedenssicherung. Eine entschlossene Reaktion heißt: Wer Deutschland mit Desinformation, Spionage oder Sabotage oder gar härteren Maßnahmen angreift, muss mit klarer Abwehr rechnen – diplomatisch, wirtschaftlich und nötigenfalls auch mit geheimdienstlichen und militärischen Mitteln. Diese Haltung unterscheidet uns von Parteien, die Gefährdungen herunterspielen, ein Bemühen um Frieden mit Selbstaufgabe verwechseln oder durch ideologische Parteinahmen selbst Eskalationen befördern.
Krzysztof Walczak begrüßte Ihre Wahl mit den Worten, die AfD schicke nun “Männer und Frauen, die ohne Abstriche für die Interessen Deutschlands eintreten werden.” Wie interpretieren Sie solche Äußerungen aus den eigenen Reihen bezüglich der bisherigen Außenpolitik der Partei?
Wenn Parteifreunde betonen, dass wir “ohne Abstriche für deutsche Interessen” eintreten, dann ist das ein Ausdruck unserer Grundlinie: Außenpolitik darf sich nicht an fremden Erwartungen, sondern muss sich an deutschem Nutzen orientieren. Dass dies nun mit geschärftem außenpolitischem Profil deutlicher wird, zeigt die Reifung der AfD zur außenpolitischen Kraft mit Verantwortungsanspruch.
Alexander Gauland soll laut Medienberichten angedeutet haben, man müsse über Waffenlieferungen “noch einmal nachdenken”. Wie gehen Sie als außenpolitischer Sprecher mit solchen unterschiedlichen Stimmen in der Partei um? Und ganz konkret: Taurus-Lieferungen an die Ukraine – ja oder nein?
Die AfD lehnt Waffenlieferungen an Nichtbündnisstaaten wie die Ukraine ab. Unsere außenpolitische Grundregel lautet: Keine Kriegsverwicklung ohne eigene Bündnisverpflichtung. Ich kann eine solche Aussage von Herrn Gauland nicht finden; im Gegenteil hat er Taurus-Lieferungen dezidiert abgelehnt.
Sie haben die Bedeutung “neuer internationaler Allianzen” betont, besonders vor dem Hintergrund möglicher Verbotsverfahren. Auf welche Partner setzt die AfD dabei, und wie hat sich Ihre Prioritätenliste verändert?
Die AfD steht in engem Austausch mit freiheitlich-patriotischen Kräften in Europa und Nordamerika. Uns verbinden gemeinsame Werte: die Verteidigung nationaler Souveränität, der Schutz kultureller Identität, die Ablehnung eines zunehmend aggressiven woken Globalismus. Diese internationalen Partnerschaften sind für uns heute wichtiger denn je: In einem politischen Klima, in dem die demokratische Opposition und die Meinungsfreiheit in Deutschland zunehmend unter Druck gesetzt wird, sind sie ein Zeichen der Ermutigung. Dieser politische Rückhalt ist von großer strategischer und psychologischer Bedeutung.
Im Asia-Times-Interview bezeichneten Sie die “atlantische Allianz” als eine der drei Säulen deutscher Politik. Wie vereinbaren Sie das mit der traditionell NATO-kritischen Haltung der AfD? Hat sich hier grundlegend etwas geändert?
Die transatlantischen Beziehungen sind historisch gewachsen und sicherheitspolitisch relevant. Wir fordern eine partnerschaftliche Neuausrichtung auf Augenhöhe und wollen perspektivisch eine strategische Autonomie Deutschlands und der europäischen Staaten erlangen. Kritik an der NATO oder der US-Politik ist kein Widerspruch zur Anerkennung gemeinsamer Interessen und zu Anerkennung dessen, was realistisch und praktisch angesichts der mangelnden Verteidigungsfähigkeit und sicherheitspolitischen Kompetenz Deutschlands aktuell durchführbar ist. Wir streben eine Allianz souveräner Staaten an – keine ideologische Blockbindung, sondern funktionale Zusammenarbeit. NATO-Verbündete wie die Türkei und Ungarn demonstrieren, wie man auch innerhalb der NATO nationale Interessen vertreten kann.
Eine der tragenden Säulen deutscher Stärke war übrigens lange Zeit auch der Zugang zu günstiger und verlässlicher Energie – insbesondere aus Russland. Das ist eine Option, die wir perspektivisch wieder ins Auge fassen müssen. Gleichzeitig setzen wir uns für Investitionen in eigene Energiequellen ein – dazu gehören moderne Kernenergie ebenso wie die Nutzung heimischer Kohle. Unser Ziel ist eine realistische Energiepolitik im Interesse unserer industriellen Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit.
Beobachter sprechen von einer rhetorischen “Normalisierung” der AfD-Außenpolitik. Wie würden Sie selbst diese Entwicklung beschreiben, und wo ziehen Sie die roten Linien für mögliche Kompromisse?
Was Beobachter als “Normalisierung” bezeichnen, ist in Wahrheit die konsequente Professionalisierung der AfD-Bundestagsfraktion – auch und gerade in der Außenpolitik. Unser thematisches Spektrum ist heute deutlich breiter, strategischer und differenzierter aufgestellt als in den Anfangsjahren. Die Außenpolitik befindet sich im globalen Wandel, und wir gestalten diese Entwicklung mit klaren Leitlinien: Friedenssicherung durch Diplomatie ist für uns kein Widerspruch zu einer robusten Verteidigungsbereitschaft.
Wir fordern strategische Autonomie, tragfähige Beziehungen zu allen Großmächten, keine bedingungslosen Hilfen an Nichtbündnispartner und eine kompromisslose Ausrichtung an deutschen Interessen. Dazu gehören Energiesouveränität, Rohstoffsicherung und die Vermeidung von Migrationsdruck.
Unsere “roten Linien” sind klar: Wir machen keine Politik auf Kosten deutscher Souveränität und lassen uns nicht in fremde Machtblöcke eingliedern, deren Interessen unseren zuwiderlaufen. Kompromisse sind möglich – aber nicht auf Kosten unserer nationalen Selbstbestimmung.
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