Die Kämpfe um das südwestlich von Donezk gelegene Marjinka dauern seit dem ersten Tag der russischen Militäroperation an. Vor dem Krieg hatte der Ort 10.000 Einwohner gezählt, nun ist er wegen der zähen Kämpfe in eine gespenstische Ruinenlandschaft verwandelt. Am Freitagabend meldete der Stab für Territorialverteidigung der Volksrepublik Donezk die Einnahme Marjinkas durch das 103. Regiment der 150. Division der russischen Streitkräfte. Die Stadt sei vollständig unter Kontrolle der Russischen Föderation, meldeten zwei vermummte Kämpfer in einem Video. Der Telegramkanal Rusvesna berichtete fast zeitgleich von der Flucht der verbliebenen ukrainischen Kräfte von ihren Positionen am westlichen Ortsrand.
Auch westliche Quellen haben darüber berichtet. Noch gegen Freitagmittag hatte auch Julian Röpcke von der Bild erklärt, die russische Armee habe Marjinka “nach 20 Monaten erbitterter Kämpfe vollständig” eingenommen, und zeigte die wehende russische Trikolore auf einem der Häuser gezeigt. Es gibt auch Aufnahmen von einer sowjetischen Siegesfahne in Marjinka, die prorussische Kanäle posteten. Sie wird traditionell an eroberten ukrainischen Stellungen gehisst. Doch es kann sein, dass die Information über die Einnahme von Marjinka verfrüht ist.
So stellte der Militäranalyst Boris Roschin (Colonelcassad) fest, dass Marjinka “trotz einiger Fortschritte noch nicht vollständig von den feindlichen Kräften” befreit sei. Einheiten der 79. separaten Luftlandebrigade der ukrainischen Armee (AFU) kämpften in der Stadt gegen die russische Armee. Gleichzeitig schreibt der Militärkorrespondent Juri Kotenok, dass die AFU eine Reihe von Stellungen im nordwestlichen Teil von Marjinka hält und es zu früh ist, von einer vollständigen Befreiung der Stadt zu sprechen. Laut dem Militärkorrespondenten Alexander Sladkow hat die russische Armee noch einen weiteren Kilometer bis zur Stadtgrenze von Marijnka einzunehmen.
Etwas weniger skeptisch fällt der Bericht des Telegramkanals Militärchronik aus. Diesem zufolge kontrolliert die Ukraine nur noch 0,33 Quadratkilometer der Stadt, während die russische Armee bereits vier Quadratkilometer der Stadt besitzt – praktisch die gesamte Siedlung. Unter Kontrolle der russischen Armee seien 95 Prozent der Stadtfläche.
Auch teilte der Kanal weitere Einzelheiten zur Frontlage in und um Marjinka mit: Die AFU werde neue Linien hinter dem Marjinka-Damm und weiter westlich in Richtung Georgiewka, 2,5 Kilometer von den letzten Stellungen entfernt, befestigen müssen. Die ukrainischen Streitkräfte seien in diesem Gebiet ausgezehrt, was sich bald “unweigerlich auf die weiteren Aktionen auswirken wird”.
Eine vorsichtig optimistische Sicht zeigt auch der erfahrene Militärkorrespondent Alexander Koz. Ihm zufolge kontrollieren die ukrainischen Kräfte nur “ein paar Häuser”, die vollständige Einnahme “dieses wichtigen Vororts von Donezk” sei nur eine Frage von Tagen. Er erinnerte daran, dass Donezk seit neun Jahren von Marjinka aus beschossen wird und dass “der Feind diese Siedlung in eine Festung” verwandelt habe: Alle Häuser im einstöckigen Sektor waren durch Verbindungsgänge im Keller miteinander verbunden, die Gräben waren mit Beton gefüllt, und alles war mit Minen übersät, wobei die Ukrainer die Situation mit zahlreichen Kameras überwachten.
“Der Feind war im Herbst letzten Jahres aus dem größten Teil des Privatsektors vertrieben worden, hatte aber in den Hochhäusern im Westen Fuß gefasst, die er bis vor Kurzem noch hielt. Die Befreiung von Marjinka wird die Befestigung der AFU im Donbass ernsthaft erschüttern und es ermöglichen, die Nachschubwege der Ugledar-Gruppe unter Feuer zu nehmen. Dies wiederum wird sich gravierend auf das Kräftegleichgewicht in Richtung des südlichen Donezk auswirken”, schrieb Koz.
Auch der Telegramkanal für Militäranalysen Rybar ist der Meinung, dass der vollständige Rückzug der ukrainischen Streitkräfte aus Marjinka schon in “naher Zukunft” möglich ist. Das russische Vereidigungsministerium widmete in seinem täglichen Bericht am Samstag den Kämpfen um Marjinka nur eine kurze Erwähnung: “Im Laufe der Woche griffen die russischen Streitkräfte Personal und Ausrüstung der AFU in Marijnka, Kurdjumowka und Kleschejewka an.”
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