Europa könnte im nächsten Winter mit Konsequenzen rechnen, wenn es vollständig auf russisches Gas verzichtet. Dies hat der französische Präsident Emmanuel Macron in einem Interview mit Ouest France gesagt.
Wenn die EU neue antirussische Sanktionen beschließe und Russland Vergeltungsmaßnahmen bezüglich des Gases ergreife, müssten die europäischen Behörden auf die Haushalte zugehen und sie auffordern, die Temperatur in ihren Häusern zu senken. Er betonte:
“Im Frühjahr und Sommer 2022 werden wir die Folgen noch nicht spüren (wir haben unsere Vorräte aufgefüllt), aber im nächsten Winter wird sich die Lage ändern, wenn kein russisches Gas mehr verfügbar ist.”
Macron fügte hinzu, dass ein vollständiges Embargo gegen russisches Gas derzeit nicht zur Debatte stehe. Der französische Präsident erklärte:
“Wir wissen um die enormen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind.”
Er teilte auch mit, dass es derzeit nicht möglich sei, das von der EU aus Russland importierte Gas vollständig durch andere Lieferanten zu ersetzen. Nichtsdestotrotz wiesen die EU-Länder die Europäische Kommission an, Gas von anderen Lieferanten zu kaufen, und sie tätigen auch “erzwungene Reinvestitionen”, um mehr Flüssiggas zu erhalten.
Am Tag zuvor, am 21. April, hatte die französische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen ein mögliches Embargo gegen russische Energieimporte, einschließlich Öl und Gas, als “Harakiri für Europa” bezeichnet. Sie sagte:
“Wir sollten kein Harakiri begehen, in der Hoffnung, dass dies Russland schadet, während es einen Ort findet, an den es selbst Öl und Gas exportieren kann.”
Ihrer Meinung nach könnte sich eine solche Entscheidung negativ auf die französischen Bürger auswirken und zu einer Annäherung Russlands und Chinas führen.
Die EU hatte seit Ende Februar bislang fünf Pakete mit Sanktionen gegen Russland verhängt. Zu den Beschränkungen gehört ein Verbot des Kaufs, der Einfuhr oder der Durchfuhr von Kohle und anderen festen fossilen Brennstoffen aus Russland. Die Chefin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen kündigte am 17. April die Arbeit am sechsten Sanktionspaket an, in dem Brüssel Fragen im Zusammenhang mit dem Energiesektor behandelt.
Der stellvertretende russische Ministerpräsident Alexander Nowak erinnerte daran, dass der Anteil der russischen Energieressourcen, die auf die Weltmärkte exportiert werden, 20 Prozent beträgt. Ihm zufolge würden die Ölpreise im Falle eines Verbots russischer Kohlenwasserstoffe auf 300 bis 500 US-Dollar (277 bis 463 Euro) pro Barrel steigen, sodass er es für unwahrscheinlich hält, dass Europa auf russische Energieträger verzichten würde.
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