Der ehemalige brasilianische Staatschef und Präsidentschaftskandidat Luiz Inácio Lula da Silva will eine neue Umwelt- und Klimapolitik, sollte er bei der Wahl im Oktober gewinnen. “Wir werden den illegalen Goldabbau beenden und sehr ernsthaft gegen die Abholzung kämpfen”, sagte Lula internationalen Journalisten am Montag in São Paulo. Es müsse kein einziger Baum mehr abgeholzt werden, um Soja oder Mais anzupflanzen oder Vieh zu züchten.
Zudem sollten Umwelt- und Kontrollbehörden wieder gestärkt werden, die unter Präsident Jair Bolsonaro geschwächt wurden. “Wenn die Welt bereit ist zu helfen, kann die Erhaltung eines Baumes im Amazonasgebiet mehr wert sein als jede (andere) Investition”, sagte Lula.
Bei der Ratifizierung des Freihandelsvertrags des südamerikanischen Staatenbündnisses Mercosur mit der Europäischen Union dagegen sollte Brasilien keine Eile haben. “Was wir wollen, ist uns zusammensetzen und entsprechend den Bedürfnissen und den Rechten eines jeden Einzelnen diskutieren”, sagte Lula. “Was wir nicht wollen, ist unser Interesse an der Reindustrialisierung Brasiliens aufgeben.”
Über den Aufbau der Freihandelszone war im Sommer 2019 nach jahrelangen Verhandlungen eine Grundsatzeinigung erzielt worden. Der Deal wird allerdings nun von mehreren EU-Staaten wie Frankreich oder Österreich infrage gestellt. Einige Länder wollen ihre Märkte schützen, andere befürchten die Aufweichung von Arbeits- oder Umweltstandards.
Bolsonaros “große Impfung”
In Brasilien wird in rund sechs Wochen ein neuer Präsident gewählt. Dabei kommt es zu einem Duell zwischen dem konservativen Bolsonaro und dem linken Lula. Umfragen zufolge liegt Lula vor Bolsonaro, der das für das Weltklima enorm wichtige Amazonasgebiet vor allem als wirtschaftliches Nutzgebiet sieht.
Bolsonaro wies in einem TV-Interview am Montagabend zurück, dass die Abholzung unter seiner Regierung zugenommen habe. “Das Amazonasgebiet ist so groß wie Westeuropa”, sagte er. “Glaubst Du, dass überwachen, Brände vermeiden so einfach ist?” Stattdessen kritisierte Bolsonaro die Umweltbehörde Ibama dafür, dass sie von illegalen Goldgräbern beschlagnahmtes schweres Gerät zerstört.
Zudem verteidigte Bolsonaro die Politik seiner Regierung. “Ich habe das Land in einer schlechten wirtschaftlichen Lage übernommen, die durch die Corona-Pandemie, den Krieg in der Ukraine und eine große Trockenheit noch verstärkt wurde”, sagte Bolsonaro in einem seiner seltenen Interviews dem Sender TV Globo am Montagabend. Die “große Impfung” seien Wirtschaftsreformen gewesen. Strenge Ausgangsbeschränkungen während der Pandemie hatte Bolsonaro aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt, den Sinn von Impfungen zog er in Zweifel.
Er ergänzte, dass er das Ergebnis der Wahlen akzeptieren werde, “vorausgesetzt, sie sind sauber und transparent”, sagte Bolsonaro in dem TV-Interview. Der 67-Jährige hatte das brasilianische Wahlsystem immer wieder in Zweifel gezogen. Im Stile des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump deutete er an, das Ergebnis der Wahl womöglich nicht anerkennen zu wollen.
Lula zeigte sich im Gespräch mit den internationalen Journalisten überzeugt, dass Bolsonaro das Ergebnis im Falle einer Niederlage akzeptieren werde. Im Mai hatte das brasilianische Wahlsystem, das vollständig elektronisch ist, einen Sicherheitstest des Obersten Wahlgerichts bestanden.
Lula hatte Brasilien von Anfang 2003 bis Ende 2010 regiert. 2018 wurde er zunächst wegen Korruption und Geldwäsche zu einer gut zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt. Der populäre Politiker konnte deshalb 2018 nicht an der Präsidentenwahl teilnehmen, die Bolsonaro gewann. 2019 wurde Lula vorläufig aus der Haft entlassen. Im vergangenen Jahr hob der Oberste Gerichtshof das Urteil auf.
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(rt/dpa)