Am Donnerstag kam es in Syrien zu Zusammenstößen zwischen den Resten der Syrischen Arabischen Armee (SAA) und der derzeit regierenden islamistischen Gruppe Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS), nachdem mehrere Stunden zuvor im westlichen Gouvernement Tartus mehr als ein Dutzend HTS-Islamisten getötet worden waren. Die Gewalt in der Provinz Tartus, einem Teil der Küstenregion, in der viele Assad-Anhänger leben, war die bisher tödlichste Herausforderung für die von sunnitischen Islamisten geführte Regierung, die Baschar al-Assad am 8. Dezember von der Macht vertrieben hatte.
🇸🇾 Intense clashes rage into their second day in Tartus, Syria, between Syrian Arab Army resistance cells and forces loyal to the new government.Footage captured by a local woman from her home offers a close-up view of the chaos, showing militants exchanging fire directly below… pic.twitter.com/jtsokMHdqO
— DD Geopolitics (@DD_Geopolitics) December 26, 2024
Die von der HTS geführten Behörden gaben am Donnerstag bekannt, dass sie im Umland von Damaskus Waffen ehemaliger Regierungssoldaten beschlagnahmt haben. Die Verwaltung für militärische Operationen der HTS habe eine Sicherheitsoperation eingeleitet, um die Waffen der SAA zu konfiszieren und “Aufwiegler” zu verhaften, wie eine von der Zeitung Al-Watan zitierte Quelle aus dem neuen syrischen Innenministerium mitteilte.
Bei einer Kundgebung vor dem Sitz der Lokalregierung in Tartus skandierten die Demonstranten “Oh Ali!”, was auf Bildern zu sehen war, die am Mittwoch in den sozialen Medien veröffentlicht wurden. Reuters bestätigte die Bilder.
Der Ruf galt Ali ibn Abi Talib, einem Cousin des Propheten Mohammed, der von allen Muslimen verehrt, aber von Alawiten und Schiiten besonders geschätzt wird.
Auch in der Stadt Homs, 150 km nördlich von Damaskus, ist es zu Unruhen gekommen. Staatliche Medien berichteten, dass die Polizei am Mittwochabend eine nächtliche Ausgangssperre verhängte, nachdem es zu Unruhen im Zusammenhang mit Demonstrationen gekommen war, die nach Angaben der Einwohner von Mitgliedern der alawitischen und schiitischen Religionsgemeinschaften angeführt wurden.
In den sozialen Medien kursierten Bilder aus Homs, die eine sich auflösende Menschenmenge zeigten, von der einige wegliefen, während Schüsse zu hören waren.
Die Behörden von Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS) schossen Berichten zufolge am Donnerstag auf friedliche Demonstranten in Homs, Dschabla, Tartus und Latakia, die gegen Angriffe auf alawitische Symbole und Stätten demonstrierten. Aus mehreren Ortschaften wurden Verletzungen und Todesfälle gemeldet.
BREAKING | Hayat Tahrir al-Sham (HTS) authorities shoot at peaceful protesters in Homs, Jableh, Tartous and Latakia demonstrating against extremist sectarian attacks on Alawite symbols and sites. Injuries and deaths have been reported across several areas. A 6 pm – 8 am curfew… pic.twitter.com/VzJ3zYyrWV
— The Cradle (@TheCradleMedia) December 25, 2024
Ein Video, das einen Angriff auf einen wichtigen alawitischen Schrein in Syriens zweitgrößter Stadt Aleppo zeigt, hatte bereits am Mittwoch zu landesweiten Protesten geführt. An mehreren Orten an der Küste und im Zentrum Syriens waren Tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Islamisten zu protestieren. Am Dienstag hatten bereits hunderte Menschen in christlichen Vierteln von Damaskus gegen die Verbrennung eines Weihnachtsbaums in der Nähe der zentral-syrischen Stadt Hama protestiert.
Assads langjähriger schiitischer regionaler Verbündeter, Iran, hat in den letzten Tagen die Machtergreifung der Islamisten in Syrien kritisiert.
Am Sonntag rief der iranische Oberste Führer Ayatollah Ali Chamenei die syrische Jugend auf, “mit fester Entschlossenheit gegen diejenigen aufzustehen, die diese Unsicherheit herbeigeführt haben”. Irans Staatsoberhaupt sagte, er rechne nach dem Machtwechsel in Syrien mit einem erneuten Widerstandskampf von Syrern gegen die neuen Strukturen im Land. Vor allem die syrische Jugend werde erneut Widerstand gegen diejenigen leisten, die ihr Land und ihre Zukunft wiederholt unsicher gemacht hätten.
Der Außenminister der syrischen Übergangsregierung, Asaad Hassan al-Shibani, warnte Iran am Dienstag vor einer Ausbreitung des Chaos in seinem Land.
“Iran muss den Willen des syrischen Volkes sowie die Souveränität und Sicherheit des Landes respektieren. Wir warnen sie davor, Chaos in Syrien zu verbreiten und machen sie auch für die Folgen der jüngsten Äußerungen verantwortlich”, zitiert der persische TV-Kanal den Minister.
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