Der Beitritt Finnlands und Schwedens zur NATO sei eine “sehr gefährliche Scharlatanerie” und komme einer Provokation gegen Russland gleich, sagte der kroatische Präsident Zoran Milanović am Dienstag. Zagreb werde sich weigern, den Beitritt zu ratifizieren, solange die USA und die EU nicht Druck auf das benachbarte Bosnien-Herzegowina ausübten, um den ethnischen Kroaten ihr grundlegendes Wahlrecht zu garantieren, so der Politiker weiter.
“Was mich betrifft, können sie der NATO beitreten. Sie können dem tollwütigen Bären mit einem Stift ins Auge stechen”, sagte Milanović am Dienstag vor Reportern in Zagreb. Und er fügte hinzu:
“Solange aber die Frage des Wahlrechts in Bosnien-Herzegowina nicht gelöst ist, solange die Amerikaner, die Engländer, die Deutschen – wenn sie es können und wollen – Sarajevo und Bakir Izetbegović nicht zwingen, das Wahlrecht in den nächsten sechs Monaten zu aktualisieren und den Kroaten ihre elementaren Rechte zu gewähren, darf der Sabor [das kroatische Parlament, Anm. d. Red] für niemanden die Aufnahme in die NATO ratifizieren.”
Die NATO könne keine neuen Mitglieder ohne die Zustimmung der derzeitigen Mitgliedsländer aufnehmen, betonte der kroatische Präsident. Und er fügte hinzu, dass er die Rolle Kroatiens in diesem Moment als “eine historische Silberkugel” (auf Englisch: Silver Bullet) betrachte. Als “Silver Bullet” bezeichnet man gemeinhin eine einfache und scheinbar magische Lösung für ein kompliziertes Problem.
“Der US-Präsident oder der Außenminister sollen das jetzt hören. Mal sehen, was sie für Kroatien tun können. Ich habe genug davon, dass sie ein NATO- und EU-Mitglied ignorieren und vernachlässigen und Kroatien ins Abseits stellen”, sagte Milanović. Die USA und ihre westeuropäischen Verbündeten müssten, wenn sie die beiden skandinavischen Länder in der NATO haben wollten, “auf Kroatien hören.” Und weiter:
“Wir verlangen nicht von Finnland oder Schweden, ihren Namen in Ikea zu ändern, wir wollen den Amerikanern nur sagen, dass diese Dinge gelöst werden müssen.”
Kroatiens größtes Problem ist das derzeitige Wahlsystem im benachbarten Bosnien-Herzegowina. Dort ist die ethnische Gemeinschaft der Kroaten gemäß der Verfassung von 1995, die den Bürgerkrieg beendete, als gleichberechtigt anerkannt. Zagreb besteht indes auf einer Änderung des Wahlgesetzes, damit die Kroaten in Bosnien ihre eigenen Vertreter wählen können. Im Gegensatz dazu ist es derzeitige Praxis, dass sie von der viel größeren Gemeinschaft der bosnischen Muslime, auch Bosniaken genannt, gewählt werden.
Neben der Lage in Bosnien zählte Milanović aber noch einige weitere Kritikpunkte Zagrebs auf: die Weigerung der EU, Bulgarien und Rumänien in das Schengener Grenzübergangsabkommen aufzunehmen, die fehlende Anerkennung der abtrünnigen serbischen Provinz Kosovo und die mangelnden Fortschritte bei den EU-Gesprächen mit Albanien und Nordmazedonien. Letzteres hatte kürzlich sogar seinen Namen geändert, um die Einwände Griechenlands gegen einen EU-Beitritt auszuräumen, allerdings ohne Erfolg.
Das traditionell neutrale Schweden und Finnland haben in den letzten Wochen unter Berufung auf den Russland-Ukraine-Konflikt einen NATO-Beitritt angestrebt. Kroatien wurde 2009 Mitglied der NATO und trat 2013 der EU bei, in einer Zeit als Milanović Premierminister war. Der sozialdemokratische Politiker ist seit Oktober 2020 der Präsident des Landes. Indes ist nicht klar, ob seine Drohung, ein Veto gegen die NATO-Erweiterung einzulegen, in der Praxis funktionieren könnte. Denn die nationalistische HDZ-Partei hat in Kroatien die parlamentarische Mehrheit.
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