Witali Klitschko, Bürgermeister von Kiew, wird vom Spiegel um einen Rückblick auf das Jahr gebeten, in dem angeblich, so die Redakteure, die “Existenz” der ukrainischen Hauptstadt auf dem Spiel stand. Klitschko, ehemaliger Zögling der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung, hat das Gespräch mindestens teilweise auf Deutsch geführt – und ein rosiges Bild der Lage Kiews vor Beginn der russischen Intervention gezeichnet. In wirtschaftlicher Hinsicht sei es Kiew gut gegangen, und es habe “Vollbeschäftigung” geherrscht.
Zwar habe es Warnungen vor einem russischen Angriff gegeben, doch diese seien von der ukrainischen Regierung und dem Präsidenten nicht ernst genommen worden. Stattdessen sei ihm, Klitschko, Panikmache vorgeworfen worden, doch er habe nur auf Vorbereitungen gedrängt. Auch habe es an Anweisungen aus der Zentrale gefehlt. Klitschko präsentiert sich als “Macher”, der in der zugespitzten Situation nicht von der Stelle weicht – und trotz des Chaos seine Stadt nicht evakuieren lässt. Auch er selbst habe Kiew nicht verlassen wollen. Vielmehr habe er dem für die Verteidigung Kiews zuständigen ukrainischen General mit Öl ausgeholfen.
Klitschko gibt sich milde und staatsmännisch-weise, auch gegenüber Präsident Wladimir Selenskij:
“Es ist jetzt nicht die Zeit, nach Schuldigen zu suchen. Nach dem Sieg können wir alles analysieren, die Fehler identifizieren.”
Er habe in Kiew dafür gesorgt, dass in der Hauptstadt “mehr Wärmepunkte” als in allen anderen Oblasten vorhanden seien, “nämlich ganze 500”. Allerdings hält er Selenskijs Kritik an Missständen für falsch:
“Wenn unsere Bürger oder unsere Partner im Ausland sehen, dass wir Feinde im Inneren suchen, ist das kontraproduktiv. Es gibt zurzeit nur eine Flagge, und die ist blau-gelb.”
Selenskij habe als Präsident eine “wichtige Funktion”. Doch niemand sei vollkommen. Es komme darauf an, “in dieser schwierigen Zeit keine Fehler zu machen.” Jetzt sei keine Zeit für “politische Spiele”. Einigkeit der “Schlüssel zum Sieg”.
Weiter geht es im Macho-Schützengrabenton: Die Kiewer baten nicht um Evakuierung, sondern um Waffen. Klitschko habe “einen Mann getroffen, einen Botaniker mit Brille, der hatte Eier aus Stahl”. Der Durchhaltewille in Kiew sei “Wahnsinn”. Und mit Blick auf seine Erfahrung als Boxer behauptet Klitschko:
“Größe und Kraft spielen keine Rolle, entscheidend ist der Wille zum Sieg.”
So gibt sich der Kiewer Bürgermeister siegesgewiss und schürt das antirussische Feindbild – die russische Kriegführung bedeute “Terrorismus” und “Völkermord”.
Nach Dankesworten für deutsche Waffenlieferungen und Exkursen mit “human touch” zu seinen Box-Trainingsstunden und der familiären Situation nach der Trennung von seiner Frau (die wie seine Kinder im Ausland lebt) gibt Klitschko den Lesern noch eine Warnung mit zum Jahreswechsel:
“Ihr Deutschen dürft nicht vergessen, ein Teil Deutschlands gehörte ebenfalls zum sowjetischen Imperium. Putin hat jahrelang als KGB-Agent in der DDR gearbeitet. Er könnte auch nach Deutschland einmarschieren.”
Das klinge zwar “schwer vorstellbar”, aber das sei der Krieg in der Ukraine bis vor einem Jahr auch gewesen. Die Ukraine verteidige nicht nur sich, “sondern jeden von euch!”
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